Museum MorsbroichEin sehr persönlicher Raum der Kunst gegen Rassismus in Leverkusen

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Gina Hitsch am Eingang zur Ausstellung.

Gina Hitsch am Eingang zur Ausstellung.

Im Proberaum des Museums hat die schwarze Leverkusenerin Gina Hitsch eine Ausstellung zu ihrem Anliegen, dem Rassismus, kuratiert. 

Sie heißt „Der dritte Raum“, diese Ausstellung. Und dieser Name könnte nicht besser gewählt sein. Denn: Es geht um Gina Hitsch. Sie hat die Schau mit Unterstützung der Kunstvermittlerin Lucia Riemenschnitter im Obergeschoss des Museums kuratiert. Gina Hitsch ist Deutsche. Und sie ist Schwarze. Ihre Mutter kommt aus Ghana. Ihr Vater von hier.

Sie sagt von sich: „Hier in Deutschland bin ich für viele, die mich sehen, die Frau aus Ghana. In Ghana bin ich für die Menschen meist die Deutsche.“ Was das bedeutet? Gina Hitsch lebt zwischen den Welten. Sie lebt zwischen den (Lebens-)Räumen. Zwischen dem ersten und zweiten. Sie lebt: im dritten Raum.  

Dem dritten Raum eine Gesicht gegeben

Und diesem dritten Raum hat sie nun im Museum ein Gesicht der Kunst gegeben. Sie hat ihn in bildende Kunst überführt. Der Ausstellungsort, der sogenannte Proberaum im Schloss, bietet ihr dafür das perfekte Konzept: Installiert von Lucia Riemenschnitter wird hier regelmäßig Menschen aus der Stadtgesellschaft die Gelegenheit gegeben, Ansichten zu äußern. Zu zeigen. Statements abzugeben. Einblicke in ihr Leben zu gewähren. Und zwar, indem sie die Sammlung des Museums durchforsten und Werke aussuchen, die sie mit ihrem Anliegen verbinden und die dann im Proberaum eine Zeit lang öffentlich gezeigt werden.

Hier waren schon Kinder zu Gast, die ihren extrem jungen Blick auf die Kunst und das Museum als Ort der Kunstpräsentation offenbarten – unter anderem mit auf kindlicher Augenhöhe gehängten Bildern. Hier waren zuletzt Menschen als Kuratierende zu Gast, die dem Leverkusener Netzwerk gegen Depression angehören und sich visuell Gehör verschafften. Und nun ist da eben Gina Hitsch. Studentin. Aber vor allem eben schwarze Deutschen. Und Aktivistin gegen Rassismus, die schwarzen Menschen hilft, die Workshops zum Thema gibt und stetig Netzwerke aufbaut, um dem Rassismus mit allen und allem entgegenzutreten.

Sie hat sich unter anderem entschieden für Hans-Peter Alvermanns „Nazischwein“ - ein 1968 entworfened Sparschwein in den Farben Schwarz, Rot und Gold, auf dessen Rücken ein Hakenkreuz prankt. Es steht jetzt in der Mitte des Raumes und ist ein gleichsam maximal ernstes wie maximal humorvolles Ansichtsstück, das den Zeitgeist mit seinen Demonstrationen gegen eine wieder aufflammende faschistische Denke spiegelt. An der Wand hängen Arnold Odermatts gestellte Fotografien von Polizisten im – eher gespielten – Einsatz aus dem Jahr 1964. Zu ihnen sagt Gina Hitsch, dass sie sofort an Racial Profiling denke musste, als sie die Bilder im Archiv erblickt habe. Also: An das bewusste Angehen und Verdächtigen von Menschen anderer Hautfarbe bei Polizei-Einsätzen.

Blick in die Ausstellung mit dem „Nazischwein“ im Fokus.

Blick in die Ausstellung mit dem „Nazischwein“ im Fokus.

An den zwei Seitenwänden hängen sich Porträts gegenüber: Das von Otto Dix gemalte zeigt eine weiß Frau. Das von Ewald Platte eine schwarze unter dem Titel „Dunkler Frauenkopf“. Sarkastisch ist der Waschmittelkarton der Marke „Persil“ aus dem Jahre 1965, auf dem etwas von „Weißmachern“ steht. Auch dieses durch eine Schenkung einer Sammlerin erworbene Stück Zeitgeschichte in bildender Kunst zeigt: Gina Hitsch, die seit jeher nicht nur mit offenem, sondern auch mit von den jeweils Agierenden kaum bemerkten Alltagsrassismus zu tun hat und nimmermüde darüber aufklärt, hat das Kuratieren dieser Schau ebenso tiefernst wie lächelnd betrieben.

Abgerundet wird „Der dritte Raum“ von einem Regal, auf dem zahlreiche Sachbücher, Romane und Kinder- sowie Jugendbücher zum Thema Rassismus bereitstehen – nebenan zwei Sitzsäcke, die zum lesenden Verweilen einladen. Und eine Papierrolle, auf der Besucherinnen und Besucher der Ausstellung Fragen an Gina Hitsch notieren können und die sie am 5. Mai ab 16 Uhr bei einer Lesung und Performance mit der Schauspielerin Lisa Birnkott vom Jungen Theater Leverkusen beantworten wird. Bisher zu lesen ist da beispielsweise „Wie fühlst du dich in Deutschland?“ „Was macht dir Hoffnung?“ Oder „Warum ist deine Familie nach Deutschland gekommen?“ 

Sarkastisch ist der Waschmittelkarton der Marke „Persil“ aus dem Jahre 1965, auf dem etwas von „Weißmachern“ steht

Sarkastisch ist der Waschmittelkarton der Marke „Persil“ aus dem Jahre 1965, auf dem etwas von „Weißmachern“ steht

Im Foyer zum Proberaum haben zudem Schülerinnen des Lise-Meitner-Gymnasiums Briefe und Fotos zur Frage „Was ist Heimat“ aufgehängt und bestreiten somit eine Ausstellung neben der Ausstellung, die von Gästen in den kommenden Monaten fortgeführt werden kann und soll. 

All das zeigt: Hier im Obergeschoss des Schlosses ist ab sofort und bis zum Sommer eine der wahrscheinlich relevantesten und schönsten Ausstellungen zu sehen, mit der Leverkusen aufwarten kann.

Weitere begleitende Veranstaltungen gibt es am Dienstag, 12. März, wenn es eine Kinderlesung mit Verantwortlichen des Nalingi-Verlages aus Köln gibt – der Verlag vertreibt viele Bücher mit Figuren in den Hauptrollen, die häufig nicht repräsentiert werden. Und ebenfalls am bereits erwähnten Sonntag, 5. Mai, kommt Natasha A. Kelly ins Schloss. Sie ist Gastprofessorin für Kulturwissenschaften am Studium Generale der Universität der Künste Berlin, Gründungsdirektorin des ersten deutschen Instituts für Schwarze Kunst, Kultur und ihre Wissenschaften, Co-Direktorin des „Black European Academic Networks“ (BEAN) sowie Mitglied im internationalen Künstler- und Künstlerinnenkollektiv des „Black Speculative Arts Movement“ (BSAM). Sie und Gina Hitsch sprechen dann über den Begriff „Der Dritte Raum“ und die Bedeutung von Heimat. Der Besuch der Veranstaltungen ist stets kostenlos, respektive im Falle des Gastspieles von Kelly im Eintrittspreis zum Museum einbegriffen.

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