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Leverkusener Schlaftrainerin gibt TippsSo klappt es mit dem Babyschlaf

Lesezeit 6 Minuten
Hebamme Tanja Welling mit einer Babypuppe auf einem Hüpfball

Hebamme Tanja Welling hat eine Fortbildung zum Schlafcoach gemacht.

Viele frisch gebackene Eltern und auch Großeltern haben in Sachen Babyschlaf eine falsche Erwartungshaltung, sagt Hebamme Tanja Welling.

„Und? Schläft es schon durch?“ Eine Frage, die junge Eltern regelmäßig gestellt wird, vorzugsweise von Großeltern. „Nein, tut es selbstverständlich nicht“, sagt die Leverkusener Hebamme Tanja Welling. Ihrer Beobachtung nach nimmt das Thema Babyschlaf immer mehr Raum im Leben junger Familien ein. Deswegen hat Welling eine Fortbildung zum Schlafcoach gemacht.

Bei uns gibt es die Erwartung, dass ein Kind mit vier bis sechs Monaten alleine ein- und am liebsten auch durchschlafen soll
Tanja Welling, Hebamme und Schlafcoach

Zunächst einmal haben viele junge Eltern eine falsche Erwartungshaltung, wenn es darum geht, wann und wie viel ihr Baby schlafen soll. „Das ist auch eine kulturelle Sache. Bei uns gibt es die Erwartung, dass ein Kind mit vier bis sechs Monaten alleine ein- und am liebsten auch durchschlafen soll“, sagt Welling. Und bei wie vielen Kindern ist das tatsächlich der Fall? „Bei keinem!“, sagt Welling spontan und relativiert dann: „Zumindest nur bei einem verschwindend geringen Teil.“ Ausnahmen bestätigen die Regel. „In Südamerika oder Indien aber zum Beispiel wird ein Durchschlafen nicht vor dreieinhalb Jahren erwartet.“ 

Schlafrhythmus ist ein Reifeprozess

Deswegen ist es ihr zunächst einmal wichtig, aufzuklären. „Babys schlafen in den ersten drei Lebensmonaten zwischen 14 und 17 Stunden am Tag. Aber es gibt auch Babys, die nur elf oder sogar 19 Stunden schlafen.“ Das alles ist normal. Und vor allem: Der Schlaf ist zu Beginn des Lebens gleichmäßig auf Tag und Nacht verteilt. „Ein Schlafrhythmus ist ein Reifeprozess, der frühestens ab der 16. Lebenswoche entstehen kann.“ 

In dieser frühen Lebensphase hilft nur: Sich auf das Kind einlassen, kuscheln, tragen, möglichst entspannt bleiben. Schlafen, wenn das Kind schläft. „In den ersten drei Lebensmonaten kann man das Kind nicht verwöhnen. Zu viel Zuwendung gibt es nicht. In der Zeit wird das Urvertrauen gebildet“, erklärt die Hebamme. „Das heißt aber auch nicht, dass man es permanent rumtragen muss.“

Aber Erziehungsversuche sind zwecklos. „Und der Haushalt muss nicht perfekt sein. Das ist er nirgends. Außer vielleicht auf Instagram“, versucht Welling den sozialen Druck von jungen Müttern zu nehmen. Und: Übermüdung gehört zu einem Leben mit Baby dazu.

Strategien gegen Schlafmangel

Das heißt nicht, dass man sich nicht vor der Geburt schon darauf vorbereiten kann – und sollte. „Junge Eltern lesen sich heutzutage in alles Mögliche ein, aber das Thema Schlafen trifft die meisten dann doch unvorbereitet“, erzählt Welling aus ihren Erfahrungen als Hebamme. Zunächst einmal sei eine gute Voraussetzung, wenn man nicht schon gestresst in die ohnehin anstrengende Geburt gehe.

Wer vorab ausgeruht war, kommt hinterher auch besser mit Schlafmangel klar, sagt Welling. „Außerdem ist es ratsam, sich schon vorher mit dem Partner über mögliche Strategien zu unterhalten, wie man mit Schlafmangel umgeht.“ Zum Beispiel, dass der Vater mal eine Nacht in einem anderen Zimmer schläft und dafür am Tag eine Zeit lang das Baby übernimmt, in der die Mutter sich ausruhen kann.

Schon in der Schwangerschaft empfiehlt Welling Müttern, sich täglich fünf Minuten an einen ruhigen Ort zu setzten und ganz bewusst ruhig mit dem Baby zu reden. Gar nicht in erster Linie, damit das Baby im Bauch sich an die Stimme gewöhnt. „Sondern für die Mutter, damit sie lernt, ruhig und gelassen mit dem Baby zu sprechen. Das kann später helfen, es zu beruhigen und in den Schlaf zu bringen“, erklärt die Schlaftrainerin. 

Man macht sich zur Geisel von Geräten
Tanja Welling

Verführerisch ist es, dabei auf technische Hilfsmittel zurückzugreifen. Elektrische Wippen, die das Baby in den Schlaf wiegen, Geräte, die weißes Rauschen erzeugen. Davon rät die Schlaftrainerin ab: „Man macht sich damit zur Geisel von Geräten und das kann dann immer schlimmer werden.“ In ihrer Ausbildung habe sie die verrücktesten Geschichten gehört: Bis hin zu Kindern, die nur noch im Auto auf der Autobahn bei einer exakt eingestellten Geschwindigkeit einschlafen konnten.

Wenn Kinder sehr unruhig sind und kaum in den Schlaf finden, empfiehlt Welling, das Umfeld zu hinterfragen. Ein laufender Fernseher etwa bedeutet für Neugeborene auf jeden Fall eine Reizüberflutung, auch ein Radio kann für sensible Kinder schon zu viel sein. „Oder bin ich vielleicht doch zu viel unterwegs mit dem Baby?“

Man meine immer, wenn sie im Kinderwagen schlafen, bekommen sie nichts mit von dem Trubel im Supermarkt oder dem Café. „Das stimmt aber nicht und im Zweifelsfall kommt dann am Abend oder in der Nacht die Phase, wo sie die Reize verarbeiten müssen“, erklärt die Hebamme. 

Ein Problem sei auch, wenn Eltern ständig vom Handy abgelenkt seien und dadurch Anzeichen von Müdigkeit beim Kind nicht erkennen. „Und dann schließt sich das Schlaffenster wieder für mindestens eine Stunde“, warnt Welling. Und die Laune des Kindes ist entsprechend. Und natürlich merkt das Kind, wenn die Mutter gestresst ist. Umso weniger Hektik, umso besser für alle.

Schlafcoach kann ab dem vierten Lebensmonat helfen

Und wann ist es an der Zeit, sich mit Schlaftraining oder einem Schlafcoach zu befassen? „Wenn die Situation für die Familie sehr belastend wird“, sagt Welling. Es gibt keine Regel, wann ein Kind durchschlafen muss. „Wenn es ok für die Eltern ist, dass ihr dreijähriges Kind mit im Familienbett schläft, ist das vollkommen in Ordnung.“ Wenn Eltern aber total übermüdet und überfordert sind, muss etwas unternommen werden.

„Schlafprogramme wie »Jedes Kind kann schlafen lernen‚« werden heute nicht mehr empfohlen“, sagt Welling. Stattdessen analysiert sie dann die Situation: Wie viel Schlaf braucht das Kind? Schläft es tagsüber vielleicht zu wenig – was sich wiederum auf unruhige Nächte auswirken kann. Wird es nachts wach, weil es Essen will? Ist es gewohnt, nur an der Brust einzuschlafen? Fehlen Rituale, wie Erzählen oder Vorlesen?

Anhand eines Schlafprotokolls lassen sich die Gewohnheiten erkennen und mögliche Veränderungen einführen. Ganz wichtig: „Wenn ich etwas verändern will, dann mache ich das tagsüber. Die Nacht ist nicht die Zeit für Diskussionen.“ Denn erklären sollte man seinem Baby auf jeden Fall, was los ist. So erzählt Welling zum Beispiel von einer Mutter, die nach sechs Monaten nicht mehr stillen wollte. „Das Baby hat sich aber mit Händen und Füßen gegen die Flasche gewehrt, das war ein richtiges Schauspiel.“

Sie haben dem Baby dann gesagt, dass es Milch ab sofort beim Papa gibt und der eine Flasche hat. Nach kurzer Zeit war das Kind damit vollkommen zufrieden. „Man muss aber auch selbst davon überzeugt sein und es durchziehen“, mahnt Welling. „Kinder merken genau, wenn man es nicht ernst meint.“ 


Infoabend

„Schlaf, Kindlein, schlaf … endlich“ ist das Motto eines Infoabends zum Thema Babyschlaf in den ersten drei Lebensmonaten, den Tanja Welling am 3. Mai, 19 bis 21 Uhr in der Villa Wuppermann anbietet. Dabei geht es um etwa Informationen zum Schlafzyklus, einer optimalen Schlafumgebung und das Erkennen von Müdigkeitsanzeichen. Auch Großeltern sind willkommen. Kosten: 28 Euro pro Person, Anmeldung im Internet.

info@hebamme-welling.de