Thema ArmutFröhliches Alkenrather Kinderfest mit ernsten Gesprächen

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Gar nicht so einfach, aber lustig ist gemeinsames Seilspringen, erlebten die Kinder beim Fest in Alkenrath.

Gar nicht so einfach, aber lustig ist gemeinsames Seilspringen, erlebten die Kinder beim Fest in Alkenrath.

Leverkusen-Alkenrath – 5044 Kinder in Leverkusen haben nur das Nötigste. Sie wohnen in beengten Verhältnissen, Urlaub ist für sie eine Seltenheit. Ins Kino oder zu Sportveranstaltungen zu gehen, können sie sich mit ihrem Taschengeld nicht leisten – sofern sie denn welches bekommen. Das Geld ist für die ganze Familie knapp.

Es sind Lebensumstände, die Reiner Hilken aufschrecken lassen. „Diese Kinder sind von der Gesellschaft abgehängt“, sagte Hilken, der vor Jahren das Netzwerk Kinderarmut ins Leben rief. Als Leiter des Jugendzentrums Bunker in Wiesdorf hat er beobachten können, dass immer mehr Kinder auf staatliche Förderung angewiesen sind, wobei in Wiesdorf das Problem nicht so stark ausgeprägt ist wie in anderen Teilen Leverkusens.

In Wiesdorf, Manfort und Rheindorf liegt die Kinderarmut bei 30 bis 40 Prozent. In Alkenrath dagegen gilt statistisch gesehen sogar jedes zweite Kind im Alter  bis 15 Jahren als arm. Auf eine einzige Ursache lässt sich dieser Umstand aber nicht zurückführen.

Bemühen um Dialog

Vielmehr sei es so, dass die verschiedensten Faktoren dazu beigetragen haben, dass das Gefälle zwischen den Stadtteilen Leverkusens so groß ist. Alkenrath hat einen hohen Migrationsanteil. Die Mieten sind vergleichsweise günstig, was den Stadtteil für Menschen mit geringem Einkommen attraktiv macht. Facharbeiter dagegen, die einst hier lebten, zogen um, so Reiner Hilken. „Es hat eine Verschiebung stattgefunden.“

Die Strukturen lassen sich nicht von heute auf morgen ändern, auch die Politik habe ihres dazu beigetragen, dass sich Alkenrath so entwickelte. Reiner Hilken verwies aber auch auf die Eigenverantwortung: „Kinderarmut hat auch etwas mit Elternkompetenz zu tun. Mit jedem Hilfsangebot, das wir auf die Beine stellen, können wir für Entlastung sorgen. Die Kehrseite allerdings ist, dass mancher so die Verantwortung abgibt.“ Reiner Hilken wollte sich um einen Dialog bemühen.

Diesem Zweck diente das Kinderfest auf dem Hof der Erich-Klausener-Schule am Sonntag.  Kinder des Stadtteils konnten hier Spaß haben, sich schminken lassen, mit Stelzen laufen, Basketball spielen, Graffiti sprühen und vieles mehr. Snacks und Getränke gab es für die Jungen und Mädchen kostenfrei. Idee der Veranstaltung war es, dass die Kinder zumindest für einen Nachmittag aus den beengten Verhältnissen ihres Familienlebens hinaus können.

Wo drückt der Schuh?

Ganz nebenbei nahmen sich die Mitglieder des Netzwerkes Kinderarmut vor, aktiv in die Akquise zu gehen. Sie sprachen die Eltern an: Wo drückt der Schuh? Was fehlt in Alkenrath? Was kann man besser machen? Kritik einzuholen war der eine Zweck, einen Kontakt zu denen zu knüpfen, die auf Hilfe angewiesen sind, war der andere. Es sei ein Problem, dass viele, die Hilfsangebote in Anspruch nehmen könnten, es nicht tun – aus Scham, fehlender Motivation oder Unkenntnis. Ein Beispiel sei das Bildungs- und Teilhabegesetz. „Auch das wurde nicht genutzt. Es war einfach zu kompliziert“, so Hilken.

Das Netzwerk Kinderarmut setze dagegen auf niederschwellige Angebote, für die eben kein Antrag ausgefüllt werden muss. Hürden wolle man nicht aufbauen, betonte auch Rüdiger Porsch vom Haus der Jugend. Einige Ideen für Projekte, die man angehen könnte, liegen bereits in der Schublade. Das Netzwerk soll es richten. „Die Vernetzung an sich ist ja schon die Frage. Wie erreichen wir die Leute? Wir brauchen eine direkte Kommunikation“, sagte Rüdiger Porsch.

Das Kinderfest sah er als eine Art Versuchsballon. Es soll  womöglich im kommenden Jahr wiederholt werden, sofern die Nachbesprechungen positiv verlaufen. „Ein solches Fest ist ja auch personell eine Herausforderung.“

Rüdiger Porsch dachte da zum Beispiel an Ulrike Hector und Ingrid Baare, die an ihrem freien Sonntag auf dem Schulhof Kinder bespaßten. Die beiden Frauen arbeiten im städtischen Fachbereich Kinder und Jugend im präventiven Jugendschutz. Entsprechende Broschüren lagen auf einem Tisch griffbereit.

Ingrid Baare wollte aber nicht davon sprechen, dass Alkenrath einer der Stadtteile sei, in denen sie und ihre Kollegen besonders viel zu tun hätten. „Für mich sind alle Kinder wichtig. Ich schaue nicht regional.“ Die Zahlen rund um die Kinderarmut berührten auch sie. Leverkusen als solches sei doch wirtschaftlich gut aufgestellt. „Wir müssen uns schämen.“

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