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TrauerfeierCurrenta gedenkt der sieben Toten des großen Leverkusener Unglücks

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Currenta hatte eine Tribüne am Werkszaun aufbauen lassen. 

Leverkusen – Der Jahrestag der Explosion an der Sondermüllverbrennungsanlage war für ganz Leverkusen noch einmal ein Anlass, zurückzuschauen und auch gemeinsam zu trauern. Eine zentrale firmeninterne Feier für Angehörige der sieben Verstorbenen und für die Mitarbeiter im Chempark gab es in einer Seitenstraße an der Kaiser-Wilhelm-Allee auf einem Platz mit Blick aufs Bayer-Kreuz vor der Currenta-Zentrale.

Punkt 9.37 Uhr, dem Zeitpunkt der Explosion, begann die Feier mit einer Schweigeminute.

Stehend, die meisten mit gesenkten Köpfen, kamen die gut über 100 Teilnehmenden für einen Augenblick zur Ruhe. Einige rieben sich die ersten Tränen des Tages aus den Augenwinkeln. Der Beginn der Schweigeminute wurde an allen drei Chempark-Standorten in den Werken Leverkusen, Krefeld und Dormagen über die Notfall-Lautsprecheranlage angesagt. Unter den Gästen waren auch der ehemalige Geschäftsführer Günter Hilken und ein Vertreter des australischen Currenta-Eigentümers Macquarie.

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„Wir haben uns verändert.“

Frank Hyldmar hielt die erste Rede: „Die Explosion im Tanklager hat Spuren hinterlassen – bei uns allen.“ Er ist Geschäftsführer und sagte: „Wir tragen die Verantwortung, dass die Menschen hier wieder gesund nach Hause gehen.“ Für die Hinterbliebenen fand er tröstende Worte, einige von ihnen hat er in persönlichen Gesprächen kennen gelernt, wie er später sagte. Hyldmar sagte einen Satz, der sich dann wie ein roter Faden durch die weitere Veranstaltung zog: „Das darf sich nie wiederholen“, und: „Ein einfaches ‚Weiter so’ geht für uns nicht; Wir haben uns verändert.“ Man wünsche sich ein Stück Normalität zurück.

Trauerrednerin Carina Fritz schlug den Bogen von der Erinnerung an den Unglückstag zur Gegenwart: Die schlechten Nachrichten seien zuerst nicht abgerissen, aber der Zusammenhalt im Unternehmen sei immer groß gewesen, zuletzt seien die Nachrichten besser geworden: Antworten auf viele Fragen seien gegeben worden.

Viele Mitarbeiter in Bürrig hätten sich die Wiederinbetriebnahme der Anlage sehnlichst gewünscht, das sei jetzt geschehen: „Das vergangene Jahr war verdammt hart für euch“, richtete sie sich direkt an die Mitarbeitenden. Sie erwähnte die Nachbarn in der Stadt, deren letztes Jahr sei durch Unsicherheit geprägt gewesen. Die Angehörigen der Verstorbenen, sagte sie, hätten nach dem Verlust über sich hinauswachsen und immenses leisten müssen im letzten Jahr.

„hat uns alle mitgerissen“

Manche der Kollegen seien noch nicht so weit, dass sie wieder arbeiten können, sagte Betriebsrat Artur Oblong, der in einer anschließenden Gesprächsrunde zuerst redete. Andere Kollegen hätten das Anfahren der Anlage dagegen kaum abwarten können.

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Nicht alle der Angehörigen hätten das direkte Gesprächsangebot Currentas angenommen, sagte Hyldmar, es bestehe aber weiterhin. Hans Gennen, auch Geschäftsführer, bekannte seine Hilflosigkeit bei den Kontakten zu den Hinterbliebenen.

Oberbürgermeister Uwe Richrath saß mit auf der Tribüne und sagte, die Explosion habe alle in der Stadt mitgerissen und er habe erkannt, dass etwas besser werden müsse. Und: Man dürfe das nicht vergessen.

Zwei Gedenkstätten bleiben

Dafür steht gut sichtbar vor der Currenta-Zentrale eine von zwei Gedenkstätten, die zweite wurde später im Entsorgungszentrum eingeweiht. Es sind steinerne Stelen, bestehend aus sieben kubischen Formen, auf denen jeweils die Namen der Toten aufgedruckt sind. Über einen eingelassenen QR-Code lässt sich auf dem Smartphone eine kurze Hör-Collage mit Interview-Ausschnitten zum Verständnis abspielen, was am Unglückstag geschehen ist. Neben der Stele standen sieben Kerzen, die Hinterbliebene, der Oberbürgermeister und die Geschäftsführer entzündeten.

Hyldmar sagte zum Abschluss: „Wir werden kein Opfer vergessen, Currenta hat sich und wird sich weiter verändern, das kann ich versprechen.“

Die Musik auf der Feier lieferte der Sänger Marco Miliano. Er ist ein Kollege, der in der Sondermüllverbrennungsanlage arbeitet. Sein Schichtbeginn am 27. Juli 2021 wäre um 13 Uhr gewesen. „Aber wir sind damals natürlich nicht mehr reingekommen“, sagte er. Er hat mehrere Kollegen verloren, die er gut gekannt habe, sagte er nach der Feier im Gespräch.

Vom Neulandpark aus wanderten am Nachmittag viele der Kollegen und auch Angehörige zur Erinnerung über sieben Stationen zum Sondermüllofen zur zweiten Gedenkstätte, um sie dort einzuweihen.

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