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ChemparkWieder Ärger mit Ewigkeitschemikalien im Rhein bei Leverkusen

4 min
Currentas Kläranlage in Bürrig

Currentas Kläranlage hat nur drei Stufen. Das reicht nicht, meint Paul Kröfges, Wasserexperte des BUND. Vor allem nicht, um Ewigkeitschemikalien aus dem Sickerwasser der Sondermülldeponie zu bekommen.

Inzwischen ist klar: Das Sickerwasser aus der Bürriger Sondermülldeponie bereitet Probleme. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland fordert von Currenta Abhilfe. 

Die Belastung des Rheins mit „Ewigkeitschemikalien“ kommt größtenteils aus dem Sickerwasser der Sondermülldeponie des Chempark. Das steht in einer Antwort der Kölner Bezirksregierung an den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Dessen Wasserexperte Paul Kröfges hatte sich erneut nach der Belastung des Rheins durch per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, kurz PFAS, erkundigt. Dieses Mal ging es insbesondere um Perfluorbutansulfonsäure, PFBS oder auch Nonaflinsäure, die zur Gruppe der PFAS gehört. Im Gegensatz zu bisherigen Darstellungen enthalte das Sickerwasser der Deponie „aktuell den wesentlichen Anteil von PFBS“, schreibt Jonas Christ von der Bezirksregierung dem BUND.

Zur Herkunft der Chemikalie, die sich im Wasser nicht auflöst und auf einer Liste der „besorgniserregenden Stoffe“ steht, für deren Konzentration in der Trinkwasserverordnung eine Höchstgrenze festgelegt ist, teilt die Bezirksregierung mit: „In der stillgelegten Anlage der Lanxess Deutschland GmbH finden auch in diesem Jahr im Zuge der Anlagenstilllegung noch Spülarbeiten statt, bei denen Restmengen PFBS anfallen.“  Weiteres PFBS stamme von Momentive. Der Silikon-Spezialist im Chempark „leitet PFBS-haltiges Abwasser indirekt ein“, so Christ. Momentive arbeite in Rücksprache mit der Bezirksregierung seit etwa einem Jahr am „vollständigen Ersatz von PFBS in seiner Produktion. Bislang konnte drei Viertel der Produktion auf PFAS-freie Alternativen umgestellt werden.“ Der Hersteller gehe derzeit davon aus, „dass Ende 2026 die Umstellung abgeschlossen sein wird“, heißt es von der Kölner Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde.

Wupperverband plant vierte Reinigungsstufe, Currenta schweigt

Das mit PFBS belastete Abwasser werde vor der Einleitung in den Rhein in der zentralen Bürrriger Kläranlage behandelt, die Currenta derzeit noch gemeinsam mit dem Wupperverband betreibt. Der Verband will aber aus der Jahrzehnte geübten Zusammenarbeit aussteigen und nebenan ein eigenes, neues Klärwerk für die in der Regel weitaus unproblematischeren Siedlungsabwässer bauen. Es soll im Gegensatz zu Gemeinschaftsklärwerk eine vierte Reinigungsstufe bekommen. 

Nur eine solche vierte Reinigungsstufe bietet nach Überzeugung des BUND-Wasserexperten Paul Kröfges die Gewähr, auch mit Chemikalien belastetes Abwasser sauber zu bekommen. Das bisherige Verfahren, beschränke sich „auf Vorbehandlung, Stapelung, Vermischung der Firmenabwässer mit kommunalem Abwasser, biologischer Reinigung und Nährstoffeliminierung“. Das, so der Naturschützer, sei „absolut nicht mehr zeitgemäß und unverantwortlich“. 

Ob man aber bei Currenta über eine vierte Klärstufe nachdenkt, ließ das Unternehmen am Mittwoch offen. Auch der Bezirksregierung seien „diesbezüglich keine Planungen bekannt“, heißt es aus Köln. Auf Anfrage des „Leverkusener Anzeiger“ hieß es lediglich, das Unternehmen verfolge „natürlich das Ziel, auch diese Abwässer sicher zu klären“ – wenngleich es für die PFAS-Belastung von Gewässern nur Orientierungswerte gibt, keine Grenzwerte. Ein entscheidender Unterschied: Die Verringerung der Ewigkeitschemikalien-Last im Wasser geschieht „auf freiwilliger Basis“, sekundiert Jonas Christ von der Bezirksregierung.

Das Sickerwasser ist eine komplexe technische Herausforderung
Maximilian Laufer, Sprecher bei Currenta

Das Sickerwasser aus der seit Jahrzehnten betriebenen Bürriger Sondermülldeponie sei „jedoch eine komplexe technische Herausforderung“.  Currenta arbeite schon länger „intensiv daran, gezielte Maßnahmen und Behandlungsverfahren zu erproben, um die PFAS-Frachten (die insbesondere aus früher abgelagerten Abfällen stammen) aus dem Sickerwasser schrittweise und nachhaltig zu reduzieren“, so Maximilian Laufer, Sprecher beim Chempark-Betreiber. Dabei stehe das Unternehmen im engen Austausch mit Fachbehörden und Forschungseinrichtungen, teile seine Erkenntnisse „europaweit mit Deponiebetreibern, staatlichen Institutionen und Organisationen, um möglichst schnell eine tragfähige Grundlage für weitere Fortschritte zu schaffen“, ergänzte er. Eine zeitliche Festlegung erwartet auch die Bezirksregierung nicht.

BUND nennt Beispiele, wie es besser geht

Auch das kritisiert der BUND: Currenta müsse das Klärwerk um eine Anlage ergänzen, in der die Fracht der Ewigkeitschemikalien im Sickerwasser aus der Sondermülldeponie verringert wird, bevor es in den Klärprozess fließt. So etwas gebe es auch schon: „am Flughafen Düsseldorf oder im Umfeld der Shell Raffinerie und bei Lyondell Basell im Kölner Süden“, weiß Paul Kröfges. Um eine echte vierte Reinigungsstufe könne man außerdem nicht verzichten bei 40 Millionen Kubikmetern Abwasser im Jahr. Diese Forderung erhebt der BUND nicht nur gegenüber dem Regierungspräsidenten Thomas Wilk, sondern konfrontiert auch Landesumweltminister Oliver Krischer damit. 

Tatsächlich macht der PFBS-Eintrag in den Rhein immer wieder Probleme. Im Frühjahr hatte es zuletzt einen beträchtlichen Ausreißer gegeben. Am 6. März ergaben Messungen des Landesumweltamts umgerechnet 27 Mikrogramm pro Liter – normalerweise werden ein bis zwei Mikrogramm ermittelt. Currenta selbst habe die Bezirksregierung über den extrem hohen Wert informiert, schreibt Jonas Christ in seiner Antwort an den BUND. Recherchen seien aber erfolglos geblieben: „Der Bereich, aus dem der Eintrag resultierte, konnte eingegrenzt, aber kein Verursacher ausgemacht werden.“   


Seit gut fünf Jahren entnimmt Currenta Grundwasser ohne gültige Genehmigung: Die Erlaubnis, für die Chemparks in Leverkusen und Dormagen jährlich bis zu 350 Millionen Kubikmeter abzuzapfen, ist am 31. Mai 2020 ausgelaufen. Seitdem basiert die Entnahme auf einer Duldung der Bezirksregierung. Wann die Behörde ihre Prüfung des Bedarfs abgeschlossen hat, wird nicht beantwortet. Dafür bedürfe es komplexer Prozesse, die „weiterhin andauern: Das Verfahren wird in unserem Haus prioritär behandelt, um die Genehmigungsverfahren zügig mit einer Entscheidung abschließen zu können“, hieß es jetzt aus Köln.