Urteil im MusterprozessWarum Leverkusens Abwassergebühr um Millionen zu hoch ist

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Zu hohe Zinsen sorgen für zu hohe Kanalgebühren, hier eine Sanierung in der Lützenkirchener Straße.

Leverkusen – Karl-Heinz Balduan kennt sich aus, ist eingearbeitet und sicher: Das jüngste Abwasser-Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster wird den Leverkusenern „spürbare Entlastungen“ bringen.

Dabei ging es am höchsten Verwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens gar nicht um Leverkusen, sondern um Oer-Erkenschwick. Mit der Stadt im nördlichen Ruhrgebiet hat Leverkusen allerdings etwas gemeinsam: Wie sie die Abwassergebühr kalkuliert. Nämlich „rechtswidrig“, stellen die Münsteraner Richter fest. Und vollführen damit eine Kehrtwende. Mit dem Urteil in dem Musterverfahren habe das Gericht „seine langjährige Rechtsprechung zur Kalkulation von Abwassergebühren geändert“, heißt es in Münster.

Systemfehler in der Berechnung

Das gilt mit Blick auf die Zinsen, die in der Kalkulation der Abwassergebühr auftauchen. Oer-Erkenschwick hat 6,52 Prozent auf das Anlagevermögen aufgeschlagen – dabei werden Abwasserkanäle und alles, was dazu gehört, schon mit einem Betrag abgeschrieben, für den sich alles neu bauen lässt, wenn es verschlissen ist. Beides anzusetzen, das ist aus Sicht des Gerichts nicht zulässig, die entsprechende Gebührensatzung – sie stammt in der Ruhrgebietsstadt aus dem Jahr 2016 – ist somit rechtswidrig.

Einerseits wegen des Systemfehlers in der Berechnung, andererseits wegen des hohen Zinssatzes, der „sachlich nicht mehr gerechtfertigt“ sei, urteilen die Richter mit Blick auf die schon lange andauernde Zins-Baisse. Statt der 6,52 seien 2,42 Prozent angemessen. Mit Blick auf die Kalkulation heiße das: „Die Gebühren waren insgesamt um rund 18 Prozent überhöht.“

6,8 Millionen zu viel verlangt

In Leverkusen stehe derzeit eine Verzinsung von 5,24 Prozent in der Gebührensatzung, schreibt Karl-Heinz Balduan, der schon seit Jahren im Thema steckt und bisher mit Bürgeranträgen, die Abwasser-Gebühr zu kippen und neu zu berechnen, gescheitert ist. Er hat den von den Technischen Betrieben Leverkusen angesetzten mit dem angemessenen Zinssatz verglichen und stellt fest: Statt gut 7,9 Millionen Euro hätten die TBL nur 1,1 Millionen ansetzen dürfen. Dann müssten 6,8 Millionen an die Bürger zurück fließen.

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Ob es dazu kommt, ist aber noch völlig ungewiss: Im Rathaus und in der TBL-Zentrale an der Borsigstraße habe man das grundstürzende Urteil zwar zur Kenntnis genommen, sagt auf Anfrage Ariane Czerwon. Aber bevor man an Konsequenzen denken könne, müsse die Urteilsbegründung aus Münster abgewartet werden, so die Sprecherin in der Stadtverwaltung. Und: Ob die Stadt Oer-Erkenschwick das Urteil tatsächlich anerkennt. Eine Revision hat das OVG Münster zwar nicht zugelassen. Das könnte aber noch vom Bundesverwaltungsgericht gekippt werden. (Aktenzeichen: 9 A 1019/20)

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