BPW-Gesellschafter Michael Pfeiffer„Trump agiert leider sehr geschickt“

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„Wir stecken in einer Krise, einer Rezession“, sagt Pfeiffer.

  • Michael Pfeiffer ist geschäftsführender Gesellschafter der BPW Bergische Achsen KG und aktuell noch Vizepräsident der IHK Köln.
  • Die Politik interessiere sich nicht für die Wirtschaft, sagt er, „die mittelständischen Unternehmen werden alleingelassen“.
  • Ein Interview aus unserer Reihe „Über Wirtschaft reden“.

In unserer Reihe „Über Wirtschaft reden“ spricht Frank Klemmer mit Michael Pfeiffer, geschäftsführender Gesellschafter der BPW Bergische Achsen KG, über den Zustand seines Unternehmens mitten in der Digitalisierung.

Ihr Handy liegt auf dem Tisch. Wie oft sehen Sie tagsüber und abends im Moment drauf, um zu sehen, was in London passiert?

(lächelt) Na ja, eigentlich ständig. Es ist ja schließlich eine weitere entscheidende Woche dafür, ob es einen ungeregelten Brexit gibt oder nicht. Und es gibt ständig etwas Neues.

Wie wichtig sind der Brexit und seine Regelungen für BPW? Wie sehr hilft es, dass Sie eine britische Tochtergesellschaft haben, wenn es wirklich zu Zöllen kommt?

Enorm wichtig. Und ja, wir haben mit BPW UK eine britische Tochtergesellschaft, die mit über 60 Prozent Marktführer ist. Sie betreibt nicht nur den Handel mit den Nutzfahrzeugherstellern, sondern montiert unsere Fahrwerksysteme auch vor Ort. Außerdem gehört eine Handelsgesellschaft für Ersatzteile mit mehr als 20 Niederlassungen in Großbritannien zur BPW Gruppe, die alles besorgt, was Speditionen zum Betrieb von Truck und Trailer brauchen. Die Nähe zum Kunden hilft uns zwar, dennoch kommt vor allem BPW UK nicht ohne Importe aus. Und schon jetzt werden unsere Produkte durch das schlechte Verhältnis von Euro zu Pfund immer teurer, eventuell anfallende Zölle könnten das noch verstärken.

Ist der Brexit zurzeit Ihre einzige Sorge?

Nein, das ist nur einer von vielen Gründen für die aktuell angespannte Situation. Wir stecken in einer Krise, einer Rezession. Ich kann das so deutlich sagen, weil die Transportindustrie immer der erste Indikator ist. Bei BPW haben wir die Auftragsrückgänge schon im Dezember 2018 gemerkt. Unsere größten Kunden haben bereits Anfang des Jahres auf eine Vier-Tage-Woche umgestellt, teilweise Kurzarbeit eingeführt und lange Betriebsferien gemacht. BPW hat bisher noch nicht von der Kurzarbeitsregelung Gebrauch machen müssen, aber für mich ist absehbar, dass das auch bei uns kommen wird.

Wie ernst ist die Lage denn gerade?

Die Lage ist ernst, auch wenn das viele offenbar noch nicht verstanden haben. Wir zum Beispiel mussten im dritten Quartal in Folge einen massiven Umsatzrückgang verbuchen, allein im August 2019 minus 30 Prozent. Für das Jahr rechnen wir aktuell mit einem Rückgang von 14 Prozent. Ein zweistelliges Minus in so einem Zeitraum – das ist eine Rezession. Aktuell haben wir 1580 Mitarbeiter, zum Jahresende werden es aber leider deutlich weniger sein – allein schon durch befristete Arbeitsverhältnisse, die wir aufgrund der wirtschaftlichen Situation auslaufen lassen müssen.

Was sind die Gründe für die Krise? Und wie kommen Sie wieder heraus?

Die Gründe sind vielfältig, aber zunächst einmal ist es ein ganz normaler Prozess, der mit dem Wachstum der vergangenen Jahre zu tun hat. Denn in der zyklischen Marktentwicklung gibt es nach erfolgreichem Wachstum in der Regel eine Überhitzung des Marktes, gefolgt von einer Rezession, die dann in einer Krise endet. Das passiert in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. 2008 und 2009 war es anders: Das war ein plötzlicher Einbruch, wie wir ihn in der Nachkriegszeit noch nicht erlebt hatten. BPW hat damals einen Umsatzrückgang von fast 70 Prozent des Geschäfts hinnehmen müssen. Bei anderen Firmen, deren Schwerpunkt ausschließlich in Europa liegt, waren es bis zu 90 Prozent. Und obwohl der wirtschaftliche Abschwung dieses Mal erwartbar war, kann man nicht absehen, wie der Weg nach der Krise aussehen wird.

Warum das?

Weil wir uns gleichzeitig mitten in einem disruptiven Wandel bedingt durch die Digitalisierung befinden. In dieser Hinsicht passiert derzeit so viel, dass wir noch nicht sagen können, welchen Einfluss es auf unsere Arbeit hat. Wird die Digitalisierung Arbeitsplätze kosten? Ich gehe stark davon aus. Aber es werden auch neue Jobs entstehen. Es braucht qualifizierte Mitarbeiter, die digitalisierte Arbeitsprozesse steuern können.

Was bedeutet das mittelfristig für den Standort Wiehl?

Wiehl ist und bleibt unsere Heimat, aber unser Kundenauftrag und damit auch die Unternehmensstruktur entwickeln sich weiter. Unser angestammter Markt für Trailerachsen verändert sich nachhaltig. Große Trailerhersteller haben damit begonnen, eigene Fahrwerke zu fertigen, daher haben wir uns frühzeitig mit der Entwicklung des Unternehmens beschäftigt und 2014 eine neue Strategie eingeschlagen. IT, Telematik und Sensorik spielen dabei eine wichtige Rolle: Wir wollen den Trailer sprechend machen und so den Straßengütertransport sicherer und effizienter gestalten. Darüber hinaus denken wir nicht mehr nur in einzelnen Produkten wie dem Fahrwerk, sondern in ganzheitlichen Lösungen für Transport und Logistik. Das macht uns zu einem der Innovationsführer der Branche. Gleichzeitig bedeutet es, dass wir mehr und mehr zum Dienstleiter werden und sich der Standort mit seinen Mitarbeitern dahingehend verändern muss. Das beinhaltet auch, dass wir einen Bedarf an Mitarbeitern mit neuen Qualifikationen haben. Insgesamt kommt die Politik bei dieser wirtschaftlichen Weiterentwicklung schon seit Jahren nicht mehr mit.

Was ist denn Ihr Vorwurf?

Politik interessiert sich nicht für Wirtschaft, die mittelständischen Unternehmen werden allein gelassen. Dabei sind wir die treibende Kraft der deutschen Wirtschaft. Vor allem aber denkt die Politik nicht in wirtschaftlichen Dimensionen. Wenn die Kanzlerin fordert „Bis 2020 brauchen wir eine Million Elektroautos“, dann ist das leicht gesagt. Es mangelt an schnellen Entscheidungen und entsprechenden Förderprogrammen, damit wir aktiv werden können. So sind wir früh das Risiko eingegangen und haben zulasten von Gewinn viel Geld in die Entwicklung einer elektrischen Antriebsachse gesteckt, mit der der komplette innerstädtische Lieferverkehr emissionsfrei fahren könnte. Und das, obwohl es damals für Elektromobilität noch keinen Markt gab.

Das heißt aber auch: Die aktuelle Debatte und die politischen Vorgaben für mehr Elektromobilität helfen Ihnen jetzt, weil ein Markt entsteht, der vorher nicht da war, richtig?

Ja, das stimmt – sofern der Markt auch so kommt. Wir haben investiert – nicht aus ideologischen Gründen, sondern um mit einer Zukunftstechnologie irgendwann Geld zu verdienen. So funktioniert Wirtschaft. Und dieser Blick fehlt mir in der Politik. Trump zum Beispiel schadet uns in Europa, agiert aber leider sehr geschickt, indem er den schnellen Verhandlungserfolg sucht, um seine Versprechen einzuhalten. Hinzu kommen die Verflechtungen mit Russland und China, die weiterhin bestehenden Sanktionen und Handelszölle. Da bestehen enge und kritische Zusammenhänge, die man in Brüssel und Berlin vielleicht sieht, aber keine echte Strategie für den Umgang damit und vor allem für die Zukunft entwickelt.

Klingt nach einer düsteren Prognose . . .

Na ja, ich sehe die Krise auch als eine Chance, dass sich alle wieder auf das Grundsätzliche konzentrieren und gestärkt daraus hervorgehen. Wesentlich wäre für mich dabei, die allgegenwärtige Skepsis gegenüber der Technik in der Gesellschaft zu überwinden. In China bin ich zum Beispiel immer wieder begeistert davon, wie selbstverständlich der technische Fortschritt positiv genutzt wird, anstatt ihn ständig zu hinterfragen. Auch deshalb ist Digitalisierung dort schon viel weiter.

Sie waren bisher auch Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer. Jetzt treten Sie bei den Wahlen zur Vollversammlung nicht mehr an. Was sind die Gründe dafür?

Ich will mir treu bleiben. Vor einigen Jahren habe ich als Vorsitzender der Satzungskommission den Vorschlag vertreten, dass der Präsident nur einmal wiedergewählt werden soll, die Vize-Präsidenten höchstens zweimal. Ich denke, es bedarf immer wieder neuer Impulse. Damals bin ich mit der Idee knapp gescheitert, das ändert aber nichts daran, dass ich meinen Vorschlag für richtig halte. Nach zwölf Jahren und nachdem ich zweimal wiedergewählt wurde, trete ich nicht mehr an, um neuen Persönlichkeiten Raum zu geben.

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