Kein Weg zurückTelemedizin soll ärztliche Versorgung in Oberberg verändern

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Das  Laptop zeigt ein Livebild aus dem Rettungswagen.

Oberberg – Telemedizin und Digitalisierung werden die medizinische Versorgung schon in wenigen Jahren nicht nur verändern, sondern dominieren. Oberberg gehört zu den Regionen in NRW, die früh dabei mitmachen. „Wir wollen die Telemedizin nach Oberberg holen“, sagt Landrat Jochen Hagt.

Die Anwendung der Telemedizin in Medizin und Pflege war jetzt Thema einer Informations- und Fortbildungsveranstaltung, zu welcher der Oberbergische Kreis in seine Agewis-Pflegeakademie in Gummersbach eingeladen hatte.

Vieles wird gerade getestet, manches ist andernorts schon umgesetzt. Jetzt soll es als Regelversorgung möglichst bald in die Fläche gehen. Dr. Thomas Aßmann, Lindlarer Hausarzt und Oberbergs Telemedizin-Pionier, appelliert an seine niedergelassenen Kollegen, sich dem nicht zu verschließen: „Wer in zehn Jahren nicht dabei ist, ist weg vom Fenster.“

Vorteile von Telemedizin sind zahllos

Die Szenarien, welche Vorteile Telemedizin bringen kann, sind zahllos: Sprechstundenhilfen, die dem Patienten in dessen Wohnung ein EKG anlegen und die Daten sofort in die Praxis überspielen, von wo aus der Hausarzt via Bildschirm mit seinem Patienten spricht und beide sich gemeinsam das gerade gemachte EKG oder andere Daten in der elektronischen Krankenakte ansehen.

Notärzte, die via Bildschirm Rettungssanitätern sagen, was zu tun ist, wenn sich Krankheitsbild oder Verletzungen vor Ort als gravierender herausstellen als zuvor angenommen. Auf die Haut geklebte Sensoren übermitteln bis zu 20 Patientenwerte via Smartphone in die Patientenakte, Mediziner treffen sich via Bildschirm zu Fallbesprechungen, Hausärzte holen bei sich bei seltenen Krankheitsbildern via Bildschirm den Rat von Koryphäen auf diesem Gebiet ein.

Haus- und Facharztpraxen, Krankenhäuser, Spezialkliniken, Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste – alle kommunizieren miteinander unter höchstmöglicher Datensicherheit auf digitalen Plattformen. Bislang trennende Zuständigkeitsgrenzen sind aufgehoben.

Orts- und zeitunabhängige Behandlung

Die Resonanz auf die Veranstaltung war durchwachsen: Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste waren vertreten, niedergelassene Ärzte hatten sich kaum angemeldet. Dabei, unterstrich Dr. Edmund Heller, Staatssekretär im Landesgesundministerium, seien Telemedizin und Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten: „Bei allen Ängsten und Vorbehalten: Wohin der Weg führt, ist klar. Es wird Milliarden kosten, aber jeder Weg zurück ist abgeschnitten.“

Ziel sei, Patienten und Pflegebedürftigen orts- und zeitunabhängig die bestmögliche Behandlung und Spezialistenwissen zukommen zu lassen. Im Zentrum müsse aber weiter das Verhältnis zwischen Arzt und Patient oder Pflegebedürftigem stehen. Die Landesregierung begrüße, dass Oberberg sich unter anderem mit dem Projekt „Oberberg fairsorgt“schon früh mit auf den Weg gemacht habe.

Rainer Beckers vom Zentrum für Telematik und Telemedizin kann sich auch in Oberberg ein Telemedizinisches Zentrum vorstellen, mit dem die niedergelassenen Ärzte zusammenarbeiten. Für Günter van Aalst, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin, haben auch Roboter ihren Platz in der digitalen Medizin. Sie könnten zum Beispiel auf Intensivstationen das regelmäßige Umbetten von Patienten übernehmen und so das Personal entlasten.

Viele Fragen bleiben

Sie wären dann Teil des „virtuellen Krankenhauses“, in dessen Vorbereitung mit Hausarzt Aßmann und Sascha Klein, dem Chef des Klinikums Oberberg, zwei Oberberger eingebunden sind. Beide wurden vom Ministerium in den Gründungsausschuss berufen, um organisatorische und rechtliche Voraussetzungen zu erarbeiten. Was dort verhandelt wird, ist noch geheim, im Frühjahr sollen erste Informationen fließen.

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Viele Fragen bleiben: Der Altersdurchschnitt der niedergelassenen Ärzte in Oberberg ist hoch. Wer von ihnen wird noch zehntausende Euro in die Digitalisierung seiner Praxis stecken, wenn der Ruhestand schon in Sicht ist? Wer von den jüngeren Medizinern investiert, wenn die Technologie womöglich alle paar Jahre durch neue Entwicklungen umgekrempelt wird? Was machen die Ärzte, bei denen Telemedizin wohl nicht funktioniert – Kinderärzte etwa, die kranke Kleinkinder behandeln?

Es gilt: Telemedizin findet auch statt vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen, des demografischen Wandels mit mehr Kranken und Pflegebedürftigen, aber weniger Beitragszahlern, des Ärztemangels und Pflegenotstands. Telemedizin soll auch helfen, die Kosten im Griff zu behalten.

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