Weniger Gäste, wachsende SorgenGastronomie leidet unter Folgen des Coronavirus

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Galgenhumor in Flaschen: Das Corona-Bier war im Kunstwerk gefragt.

Galgenhumor in Flaschen: Das Corona-Bier war im Kunstwerk gefragt.

Gummersbach – Patrick Klug nippt am Corona. Wenn schon Pandemie, dann wenigstens mit dem passenden Getränk – so denken einige Oberberger, die am Wochenende ins Restaurant Kunstwerk gekommen sind und sich das Bier bestellt haben, das denselben Namen wie das Virus trägt. Galgenhumor in Zeiten einer nie dagewesenen Krise. Einigen Gastronomen in Oberberg aber ist das Lachen längst vergangen, sie bangen um ihre Existenz. So auch in der Kreisstadt. Wo sonst am Wochenende das Leben pulsiert, ist es merklich ruhiger geworden. Die Gaststätte Baumhof hat ab heute für den Rest des Monats freiwillig geschlossen.

Es ist ein Dilemma: Auf der einen Seite wollen viele Oberberger weiterhin ausgehen und damit auch Gastronomen in einer für sie zunehmend schwierigeren Zeit unterstützen – auf der anderen Seite steht der dringende Appell von Medizinern, jeglich Menschenansammlungen zu vermeiden.

Gummersbach: Restaurants mit Sorgen vor Coronavirus

Im Kunstwerk brutzeln die Burger und rollt der Rubel noch. Am Freitagabend ist der Gastraum voll besetzt. Patrick und Nina Klug aus Engelskirchen hatten Karten für Atze Schröder – nach der Absage des Comedyabends wollten sie wenigstens Essen gehen. Angst vor dem Virus haben sie nicht, sagt Nina Klug: „Wir wollen dazu beitragen, dass die Gastronomen diese schwere Zeit überstehen.“ Andere Oberberger sind da offenbar jedoch vorsichtiger.

Inhaber Frank Hewel berichtet, dass der Mittagstisch in den vergangenen Tagen weniger gefragt gewesen sei. Ob das schon ein Symptom der Corona-Sorge ist, kann Hewel nicht einschätzen. Er denkt aber bereits an den schlimmsten Fall: Was passiert, wenn wie in Italien Restaurants zwangsweise geschlossen werden? Löhne und Miete müsse er schließlich weiterhin zahlen. Er will sich nun bei den Behörden informieren, welche staatlichen Hilfen er im Ernstfall in Anspruch nehmen kann.

Die Sorge vor dem Virus macht sich auch schon im Grammophon bemerkbar.

Die Sorge vor dem Virus macht sich auch schon im Grammophon bemerkbar.

Der Ernstfall ist im Brauhaus bereits eingetreten, klagt Geschäftsführer Andreas Linneboden. Nicht nur die Übertragung des Champions-League-Spiels am Mittwoch war ungewöhnlich schlecht besucht. Auch am Freitagabend herrscht am langen Tresen eine gespenstische Leere, auch sind nur wenige Tische besetzt. Vor den Braukesseln hat Oliver Grütz aus Wenden mit Freunden Platz genommen. Sie wollten zu einem Konzert nach Köln – auch das wurde abgesagt. Die Sauerländer kommen öfters ins Gummersbacher Brauhaus. Aber so einsam wie an diesem Abend haben sie sich hier noch nie gefühlt.

Nicht nur im Schankraum fehlen Gäste, auch seien dem Brauhaus reihenweise Hotelbuchungen flöten gegangen, berichtet Linneboden. Bis vor einigen Tagen waren die acht Zimmer noch alle reserviert. Dann stornierten erst Firmen, die ihrem geplanten Geschäftsbesuch abgesagt hatten. Später auch Menschen, die eigentlich zu den Auftritten von Atze Schröder und Ralf Schmitz kommen wollten. Linneboden beklagt allein an diesem Wochenende Umsatzeinbußen zwischen 50 und 60 Prozent. Er hat aus den Dienstplänen die Hälfte des vorgesehenen Personals gestrichen. Sollte die Flaute anhalten, hätten die Aushilfen das Nachsehen, Vorrang die 13 Vollzeitbeschäftigten.

Im Brauhaus blieben viele Tische leer.

Im Brauhaus blieben viele Tische leer.

Auch die großen Hotels leiden unter den Corona-Gegenmaßnahmen. Das Victor’s Residenz etwa, in dem vor allem Geschäftsreisende übernachten, hat in diesem Monat 40 Prozent weniger Auslastung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Direktor Guido Guntermann berichtet, dass sehr viel weniger Buchungen vorgenommen und bereits reservierte Zimmer kurzfristig abbestellt werden. Noch im Februar sei alles normal gelaufen, die Misere habe mit der Absage der Kölner Eisenwarenmesse begonnen. Der Direktor rechnet mit weiteren „harten Wochen“, hofft aber auf eine Normalisierung der Lage im Mai. Bis dahin wolle er das Personal eventuell auch im benachbarten Seniorenheim beschäftigen, das zur selben Unternehmensgruppe gehört.“

Weniger Betrieb als sonst herrscht am Wochenende auch im Kinocenter Seven. Um einen Teil zum Viruskampf beizutragen, lässt das Seven pro Saal nur noch 99 Leute ein – die Menschen sollen nicht so dicht gedrängt sitzen. Am Sonntagabend hat sich diese Maßnahme eh erledigt: Ab heute muss das Kino geschlossen bleiben.

Im Irish-Pub Grammophon hat Besitzer Klaus Stange Desinfektionsmittelspender installieren lassen. Noch ist die Wirtschaft gut gefüllt – doch Stange ahnt Böses: „Ich rechne damit, dass die Behörden über kurz oder lang auch alle Gastronomiebetriebe schließen.“

Kino muss schließen, Restaurant noch nicht

In Gummersbach gilt seit Mitternacht ein Verbot öffentlicher Veranstaltungen jeder Art – bis einschließlich 19. April, also dem Ende der Osterferien. Dieses Verbot gilt auch für Gottesdienste und sonstige Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften. Das hat Bürgermeister Frank Helmenstein am Sonntagabend verfügt. Das Verbot gilt auch für „sonstige unterhaltende Darbietungen“ in Gaststätten, insbesondere in Diskotheken, Clubs und Bars. Betroffen sind zudem Theater- und musikalische Aufführungen sowie Filmvorführungen, sodass auch das Gummersbacher Kino Seven davon betroffen sein wird, wie der Bürgermeister auf Nachfrage bestätigte. Zudem dürfen Spielhallen nicht weiter betrieben werden. Der Besuch von Restaurants und Gaststätten, die der Versorgung dienen, bleibt möglich. Genau wie Veranstaltungen, die der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Daseinsvorsorge dienen, sodass etwa der Wochenmarkt weiter betrieben werden kann.

Landrat Jochen Hagt hat alle Bürgermeister aufgefordert, eine entsprechende Allgemeinverfügung zum Verbot öffentlicher Veranstaltungen auf den Weg zu bringen, wie Helmenstein weiter erläutert. Die Gummersbacher Verordnung lehnt sich dabei eng an den Mustertext an, den der Kreis den Kommunen an die Hand gegeben hat. Mit der Ausnahme, dass Helmenstein das Verbot zunächst nur auf öffentliche Veranstaltungen begrenzt. „Das ist ein drastischer Einschnitt in das öffentliche Leben und der davon Betroffenen“, sagt Helmenstein. Er betont, dass man nicht wisse, ob diese Verbote in wenigen Tagen weiter verschärft werden müssen. Die Gastronomen müssen also weiter bangen. (ar)

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