Düsteres Nazi-ErbeWaldbrölerin sagt: „Meine Familie hat von Zwangsarbeit profitiert“

Am Grabmal der Zwangsarbeiter erinnerten sich auch Waldbröler Schüler an die Schicksale.
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Waldbröl – Als Renée Bertrams zu sprechen beginnt, wird es auf dem Alten Friedhof in Waldbröl noch stiller, als es dort ohnehin schon gewesen ist. „Meine Familie gehört zu denjenigen, die von der Arbeit der Zwangsarbeiter profitiert haben“, sagt die 70-Jährige.
Heute lebt sie in Köln, aufgewachsen ist Bertrams aber in Waldbröl. Und da hatten ihre Großeltern eine Lederwarenfabrik: „72 Zwangsarbeiter waren in dieser Fabrik eingesetzt.“
Oberberger Initiative erinnert an Zwangsarbeiter
Am Dienstag hat sich der Jahrestag des deutschen Angriffs auf die frühere Sowjetunion im Zweiten Weltrkrieg zum 80. Mal gejährt.
Mit Gedenkfeiern in Waldbröl, zudem in Ründeroth und Wipperfürth hat die Initiative „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun!“ an die Schicksale jener Menschen erinnert, die nach dem 22. Juni 1941 vor den Nazis fliehen mussten oder verschleppt zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich wurden.
Unter ihnen waren sieben Frauen und neun Männer, die nach Waldbröl kamen und in Waldbröl starben.
Waldbröl: Stein erinnert an Schicksal der Zwangsarbeiter
Auf dem Alten Friedhof am Wiedenhof erinnert ein Stein an diese Menschen. „Ihre Namen sind heute bekannt, die der Täter aber nicht“, erklärt Renée Bertrams, die sich ebenso offen zur Nazi-Vergangenheit der Familie bekennt.
„Ich verstehe nicht, dass dieser Schritt auch nach 80 Jahren noch mutig genannt wird“, sagt die Kölnerin. Nach dieser Zeit endlich offen über diese „ungute Erbschaft“ zu reden, das erfülle sie mit Dankbarkeit und sogar Freude, erklärt Renée Bertrams.
Zwangsarbeit: Schüler aus Waldbröl legen rote Nelken nieder
Mit dem Schicksal und den oft kurzen Lebenswegen jener 16 Zwangsarbeiter hat sich die Jahrgangsstufe zehn der Gesamtschule mit Lehrerin Kirsten Wallbaum-Buchholz und Referendar Alexander Rogolowski intensiv im Deutsch-Unterricht befasst.
So auch Samanta Ilberz: „Ich habe mich gefragt, wie ich mir mein Leben mit 30 vorstelle“, sagt die 16-Jährige. „Ich hätte gerne eine Familie, eine schöne Wohnung.“ Zina Gauhnek blieb das verwehrt: Am 25. April 1945 starb die Zwangsarbeiterin an den Folgen einer Nierenentzündung.
Gemeinsam legen die zehn Jugendlichen am Grab der Deportierten rote Nelken nieder, für die Stadt erinnert Bürgermeisterin Larissa Weber an jene Menschen und dankt den Schülern für ihre tiefen Recherchen.
Liste von Fabriken mit Zwangsarbeitern in Oberberg erstellt
Ebenso tief in der dunklen Geschichte gegraben hat „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun!“ um den Vorsitzenden Gerhard Jenders: Die Initiative hat eine Liste mit Zwangsarbeiterlagern und den Fabriken, in denen sie arbeiteten, erstellt.
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Zuletzt, so berichtet Jenders, seien Pläne für ein Stahlwerk im Leppetal aufgetaucht: „Dort wurde ein Lager für 600 Menschen geplant.“ Dass sich Waldbröler Schüler mit den Schicksalen beschäftigten, sei besonders wertvoll: „Es ist wichtiger, dass die Jugend dies tut als ein Großvater wie ich.“