MangelFachleuten macht das Ausbleiben von Faltern und Schmetterlingen in Oberberg Sorgen

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Ein Schwalbenschwanz in Großaufnahme.

Der Schwalbenschwanz zählt zu den schönsten und größten Tagfaltern weit und breit in Oberberg.

Aufmerksamen Naturfreunden und Gartenbesitzern in Oberberg fällt auf, dass sich die Schmetterlinge, auch Sommerboten, rargemacht haben.

Immer wieder hören Insektenexperten diese Frage: „Wo bleiben die Schmetterlinge?“ Denn aufmerksamen Naturfreundinnen und Naturfreunden, Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzern in Oberberg fällt auf, dass sich die Sommerboten rargemacht haben. Es flögen nur wenige Tagfalter und selbst häufige Arten seien kaum zu sehen, ist man sich einig.

Auch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle an der Saale erhält besorgte Fragen dieser Art. Es berichtet in einem Rundschreiben zum bundesweiten Tagfalter-Monitoring, dass es zwar jedes Jahr eine typische Juni-Lücke gebe, wenn die Frühlingsarten das Ende ihrer Flugzeit erreicht haben und die Sommerarten sowie die zweiten Generationen einiger Falterarten noch nicht geschlüpft sind.

Doch in diesem Jahr sei die Situation anders, sagt das Helmholtz-Zentrum. Es stellt fest: „Diesmal gab es bereits im Frühjahr sehr wenige Falter. Typische Frühjahrsarten flogen nur in sehr geringen Individuen-Zahlen. 2023 ist bislang tatsächlich ein extrem schlechtes Falterjahr.“

Zu trockene Sommer

Warum das so ist, darüber können die Falterfachleute nur spekulieren. Sie mutmaßen, dass der sehr trockene Sommer und Herbst des vergangenen Jahres sich negativ ausgewirkt haben, auch gab es im Frühjahr einen abrupten Wechsel von sehr kühlem, nassem Wetter hin zu trocken-heißen Tagen. So bekamen die Frühjahrsarten der Schmetterlinge nur ein sehr kurzes Zeitfenster zur optimalen Entwicklung und Reproduktion.

Auch der Landesverband Nordrhein-Westfalen des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) teilt mit: „Durch die Dürre im vergangenen Sommer fehlte vermutlich vielen Raupen die Nahrungsgrundlage für eine Entwicklung bis zum ausgewachsenen Falter, die wiederum für die Nachkommen in diesem Frühsommer hätten sorgen können. Das zeige sich nun an den fehlenden Faltern.“

Ein Admiral, ein Wanderfalter, sitzt auf einer Blüte.

Der Admiral (l.), ein Wanderfalter, verweilt gewöhnlich von März bis Dezember in oberbergischen Gefilden.

Die Vorsitzende des Nabu NRW, Dr. Heide Naderer, geht sogar noch weiter. Sie sagt: „Die nur in geringer Zahl fliegenden Tag- und Nachtfalter stehen beispielhaft für den Verlust und die anhaltende Bedrohung der Artenvielfalt. Immer wieder neue Studien belegen diesen anhaltenden Trend des Biodiversitätsverlustes.“

Dies zeige eine gemeinsame Studie der Universität Osnabrück und des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (Lanuv). Die Forschungsergebnisse belegten, dass die Lebensbedingungen für Tagfalter insbesondere in den intensiv genutzten Agrar- und Siedlungslandschaften unzureichend sind. Naderer: „Seit Jahren warnen Experten vor dem Biodiversitätsverlust und trotzdem wird die Landnutzung immer weiter intensiviert.“

Ein Hauhechelbläuling sitzt auf einer Blüte.

Der Hauhechelbläuling gilt derweil als die häufigste Bläulingsart im oberbergischen Kreisgebiet.

Nach einer Langzeituntersuchung und einem Statusbericht von Professor Dr. Josef H. Reichholf im Auftrag der Deutschen Wildtierstiftung gibt es wichtige Erkenntnisse über den Rückgang der Schmetterlinge. So ist seit den frühen 1980er Jahren die Häufigkeit nachtaktiver Schmetterlinge um die Hälfte und die Anzahl der Arten sogar um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Bei den Tagfaltern ist seit Mitte der 1970er Jahre die Zahl der Wiesenarten um 73 Prozent zurückgegangen.

Der dramatische Rückgang betrifft vor allem die veränderte Agrarlandschaft. Bei den Waldarten und in den Städten gäbe es keinen vergleichbaren Rückgang, doch auch hier seien einige Arten äußerst selten geworden.

Der Zusammenhang mit der sogenannten Flurbereinigung und der Umstellung großer Teile der Landwirtschaft auf Maisanbau und, eng damit verknüpft der Stallviehhaltung mit Güllewirtschaft, sei eindeutig.

Das Spektrum von Negativfaktoren für Schmetterlinge in der Agrarlandschaft reiche, so die Untersuchungen von Reichholf, von struktureller Vereinheitlichung der Flurstücke über große Monokulturen bis hin zu großflächigem Maisanbau. Hinzukomme eine massive Überdüngung mit der Folge, dass die meisten Raupenfutterpflanzen ausfallen würden. Die übermäßige Behandlung mit Herbiziden bewirke überdies, dass Wildpflanzen fast vollständig beseitigt und durch das Spritzen von Insektiziden die Falter vernichtet würden.

Die Expertinnen und Experten haben aber eine vage Hoffnung: Die Faltersaison für dieses Jahr sei noch nicht vorbei und sie hoffen auf eine starke Sommergeneration. Mit den jetzt erfolgten Regenfällen könnten sich noch stärkere Folgegenerationen bei manchen Arten entwickeln.

In den Jahren von 2003 bis 2020 wurden im Rahmen des bundesweit ausgeführten Tagfalter-Monitorings in einem Naturschutzgebiet der Gemeinde Morsbach bei 187 Kontrollgängen 31 Falterarten nachgewiesen. Die Auswertung von 18 Jahren ergab einen Rückgang der Biomasse der Tagfalter bei gleichbleibender Struktur des Gebietes um rund 54 Prozent.


Rückgang der Falter in Morsbach

Wurden dort von 2003 bis 2006 bei den regelmäßigen Kontrollgängen im Schnitt noch 297 Falter pro Jahr erfasst, so hatte sich die Zahl der Falter von 2018 bis 2020 bereits auf 137 Individuen pro Jahr reduziert. 

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