Gastwirte in Wipperfürth und Lindlar„Gegen Fake-Bewertungen bist du machtlos“

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Ist die Bedienung freundlich und schnell? Die Service-Qualität spielt bei Online-Bewertungen eine große Rolle (Symbolfoto). 

  • Wer sich über Restaurants und Hotels in Wipperfürth oder Lindlar informieren will, tut das immer öfter online.
  • Doch die Qualität der Bewertungen ist nicht selten zweifelhaft.
  • Wie Gastronomen im Oberbergischen mit gezielt falschen Bewertungen umgehen: eine Umfrage.

Lindlar/'Wipperfürth – Der aktuelle Notenstand wird sofort mitgeliefert, ob man will oder nicht. Wer Restaurants und Hotels aus der Region über eine der großen Internet-Suchmaschinen ausfindig macht, bekommt die Bewertungen der letzten Gäste automatisch angezeigt. Und kann nach wenigen Klicks gleich selbst mitreden.

Unter dem Titel „Stress mit Online-Bewertungen“ hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein (Dehoga) jetzt die Zunahme ungerechtfertigter Online-Bewertungen seiner Mitglieder kritisiert.

„Verbreiteter und anhaltender Missbrauch“

Missbrauch der Internet-Bewertungen befürchtet die Interessenvertretung der Gastronomie, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga mit Sitz in Köln. Der Verband Dehoga spricht von verbreitetem und anhaltendem Missbrauch bei der Punktevergabe durch die Gäste, auch zulasten oberbergischer Häuser.

Mehrere hundert NRW-Gastwirte habe man zuletzt befragt, knapp 80 Prozent hätten angegeben, bereits ungerechtfertigte Bewertungen erhalten zu haben. Ein Drittel davon schon mehrfach.

Als ungerechtfertigt qualifiziert der Dehoga zweierlei: Die Äußerungen sogenannter „Fake-Gäste“, die Bewertungen abgeben, ohne das betreffende Haus jemals von innen gesehen zu haben. Und schlechte Bewertungen aus Rache, zum Beispiel, weil die Gastronomen zuvor keine Vergünstigungen gewähren wollten. (sfl)  

Einig sind sich der Dehoga und die bergischen Gastwirte darin, dass die Online-Benotung durch die Gäste eine gewichtige Rolle für das Geschäft spielt. „Natürlich schaut jeder, was über ihn geschrieben wird“, ist Jürgen Tönnes vom gleichnamigen Landgasthof in Niedergaul sicher.

Regelmäßig verfolgt er, wie seine Übernachtungsgäste noch am Frühstückstisch das Zeugnis ins Smartphone tippen. Wenn Tönnes in Urlaub fährt, orientiert er sich selbst an Bewertungen – und schreibt anschließend auch eigene. „Negative Anmerkungen sollte jeder Kollege als Ansporn nehmen“, findet Tönnes.  Allerdings: Die Kritik müsse nachvollziehbar sein.

Im Wipperfelder „Haus Hembach“ sieht der Chef eine „klassische Stadt-Land-Angelegenheit“. In der Region seien die vom Verband bemängelten Umstände kein Thema, sagt Udo Hembach. „Aber für die Ballungszentren, wo die Häuser oft direkt nebeneinander stehen, kann ich mir gut vorstellen, dass der ein oder andere Kollege mit unsauberen Mitteln arbeitet und zum Fake-Gast der eigenen Konkurrenz wird“, so Hembach.

Blickt man auf die Bewertungen, erhalten sämtliche Gastronomen in Wipperfürth und Lindlar derzeit eine klare Empfehlung durch die Kundschaft. Dabei achten die Gäste auf die Details.

Fotos von Rumpsteaks

Sie laden Fotos von Rumpsteak und Champignonpfännchen hoch, äußern sich zum Zustand der Zimmer, zur Barrierefreiheit der Toiletten, der WLAN-Versorgung und vor allem zur Freundlichkeit des Personals. Andere machen es sich einfach. „Nun ja…“ schreibt die Nutzerin „Thunderbiene“ und vergibt einen von fünf Sternen ohne weitere Begründung.

Einen der aktuellen Spitzenplätze der Rangliste belegt das Lindlarer Restaurant und Hotel „Zum Holländer“. „Wenn einmal etwas nicht passt, wollen wir sofort darauf reagieren können. Die Gäste sollen sich melden statt später negativ zu bewerten“, appelliert Mariella Hartkopf.

Ohnehin hält sie den direkten Kontakt für weit wichtiger als die Online-Bewertung. „Wer eine negative Benotung liest, sollte sich seine eigene Meinung dazu bilden.“ Eines hat Hartkopf jedenfalls festgestellt: Aufregen bringt nichts. „Eine Frau hat sich einmal darüber beschwert, dass das Steak zu sehr nach Fleisch schmeckt – da fällt dir auch nichts mehr ein.“

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Besonders eifrig bewertet die Internetgemeinde den australischen Pub „Outback“ in Klause. Die Inhaber nutzen die sozialen Medien seit langem intensiv, um ihre Angebote und Veranstaltungen zu bewerben.

„Zeitweise hatten wir bei Facebook die Kommentarfunktion deaktiviert“, berichtet Betreiber Pierre Grau. Vorangegangen waren miese Bewertungen durch Fake-Profile, so Grau.

„Diese Menschen gibt es gar nicht und sie waren nie bei uns.“ Der virtuelle Gegenangriff durch das Outback sei jedenfalls gründlich nach hinten losgegangen. „Wir haben einen ordentlichen Shitstorm geerntet. Seither nehmen wir Kritik zur Kenntnis, beantworten sie aber nicht mehr.“

Fakes wollten sich einen Spaß aus der entstehenden Aufregung machen, ist Grau sicher. „Dagegen bist du als Gastronom weitgehend machtlos.“

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