Über die Angst sprechenWie Schüler in Oberberg mit dem Ukraine-Krieg umgehen

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Etwas tun wollen die Schüler der Waldbröler Gesamtschule. Das hilft nicht nur ihnen, hoffen sie.

Waldbröl/Engelskirchen – Die Stimmung ist gedrückt in der SV-Projektgruppe Ukrainehilfe der Gesamtschule Waldbröl. Spontan sind zwei Mitglieder der Schülervertretung des benachbarten Hollenberg-Gymnasiums dazu gekommen, gemeinsam wollen sie überlegen, was sie tun können anstatt in Angststarre auf immer neue Horrornachrichten warten.

Angst ist ein häufig gebrauchtes Wort an diesem Tag. „Ich habe Angst, dass der Krieg sich in ganz Europa ausbreitet, auch in Deutschland“, sagt Pauline (14). Sie weiß, dass es auch anderen so geht in ihrer Klasse. „Ich hab das immer noch nicht richtig realisiert. Krieg – das gehörte bisher in die Vergangenheit, von der Eltern und Großeltern erzählt haben.“ Die 16-jährige Luisa schüttelt – noch immer fassungslos – den Kopf. „Obwohl es sich schon länger angebahnt hat, kam es doch völlig überraschend. Ich hätte das nie für möglich gehalten“, pflichtet Jannis (16 ) ihr bei.

Nicht zu begreifen

Sie alle wollen über das sprechen, was sie nicht richtig begreifen. „Ich bin froh, dass unsere Lehrer schon die ganze Woche eine große Bereitschaft haben, uns Hintergründe zu erklären, uns zu helfen, alles einzuordnen“, sagt Jannis. Sie reden im Unterricht über wirtschaftliche Folgen, über gezielte Falschinformationen der russischen Medien, über Gerüchte. „Was ist wahr und was ist falsch?“ fragt Evelyn (13) und hat erlebt, dass andere alles für Panikmache halten. Jonas berichtet von einem Mitschüler, der herumposaune, Russland werde von Europa unterdrückt. „Der versteht das nicht, was Putin macht, und glaubt unserem Lehrer nicht.“ Jannis vermutet: „Für manche Mitschüler, deren Familien aus Russland gekommen sind, ist das ein großes Dilemma.“

Friedenszeichen

Intensiv setzten sich unter anderem die Schüler der Wiehler Sekundarschule in den ersten Unterrichtsstunden am Mittwoch mit der völlig veränderten Welt auseinander. „Einige von ihnen haben selbst Flucht und Vertreibung erlebt, andere haben Verwandte in der Ukraine“, heißt es in einer Mitteilung. Mit dem Kollegium versammelten sich die Kinder und Jugendlichen auf dem Schulhof zu einer Schweigeminute und stellten sich zu einem Peace-Zeichen auf.

Auch an der Gesamtschule Marienheide gab es am Mittwoch Aktionen gegen den Krieg der Solidarität mit der Ukraine. Viele Schüler und Lehrer waren in Kleidung in den Farben der Ukraine in den Unterricht gekommen und stellten sich zu einer blau-gelben Flagge auf. Auch hier war ein riesiges Peace-Zeichen zu sehen. (ms)

Andere Mitschüler würden schweigen, berichten die Jugendlichen. „Manche machen einfach zu, als wären sie nicht betroffen“, bestätigt Schulleiterin Kirsten Wallbaum-Buchholz. „Nach zwei Corona-Jahren haben sie gedacht, am 20. März beginne das normale Leben. Und jetzt kommen sie emotional einfach nicht damit klar, dass nun auch noch das passiert.“ Ist darüber reden für die jüngeren Kinder überhaupt gut?, überlegt der zwölfjährige Benedikt. Können die das schon verstehen? Ein Mitschüler habe gefragt: Warum gibt es überhaupt Krieg?

Thema wird nicht angesprochen

In der Grundschule Engelskirchen habe man sich entschieden, das Thema Krieg zurzeit nicht im Unterricht nicht anzusprechen, um keine Ängste zu schüren, so Schulleiterin Sabine Kremer. Einige Eltern hätten darum gebeten. „Schule soll ja ein Schutzraum sein.“ Wenn aber Kinder mit Fragen kommen, versuche man die so gut wie möglich zu beantworten: „Wobei das auch uns Erwachsenen zurzeit manchmal schwer fällt.“

An der Waldbröler Gesamtschule war sich die SV in zwei Minuten einig, dass es helfen kann zu handeln. Deshalb haben sie sich wie auch hier zu einem Peace-Zeichen aufgestellt, eine Klasse hat Friedenstauben mit Wünschen und Hoffnungen an ein Plakat der Friedensmauer geheftet. Sie sammeln vor dem Unterricht und in den Pausen Spenden und wollen mit dem Hollenberg-Gymnasium einen coronagerechten Spendenlauf organisieren. „Helfen ist doch völlig normal“, sagt Luisa. Und Leonie stellt fest, dass es auch ihr hilft, „was zu tun, damit es den Menschen dort wenigstens ein bisschen besser geht“.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Ich wünschte, alle Kinder aus der Ukraine könnten zu uns kommen!“, fügt sie hinzu. Schon überlegen sie, wie sie in ihren Klassen den Kindern, die kommen werden, einen herzlichen Empfang bereiten. Schulleiterin Wallbaum-Buchholz prüft, wo in den Klassen es noch Platz gibt. Denn die internationale Klasse wurde gerade aufgelöst, weil kein Bedarf mehr bestand.

KStA abonnieren