Mit der Eröffnung eines KMVZ möchte der Oberbergische Kreis dem akuten Ärztemangel im Kreissüden entgegensteuern. Doch wurden schon Ärzte gefunden?
Ärzte gesuchtFragen und Antworten zum Kommunalen Medizinischen Versorgungszentrum in Waldbröl

Im geplanten KMVZ in Waldbröl könnten auch Weiterbildungsärzte tätig sein, unter Anleitung eines Facharztes der Allgemeinmedizin.
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Mit der Eröffnung eines Kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums (KMVZ) im Oktober in Waldbröl möchte der Oberbergische Kreis dem akuten Ärztemangel im Kreissüden entgegensteuern. Denn mit rund 75 Prozent hat der Bereich Waldbröl/Nümbrecht/Morsbach aktuell den niedrigsten Versorgungsgrad in NRW. Die Pläne klingen in der Theorie gut. Doch wie soll das Vorhaben in der Praxis umgesetzt werden? Und wurden schon Ärzte gefunden? Wir stellen Fragen und geben Antworten.
Wer ist der Träger der neuen Einrichtung in Waldbröl?
Träger soll die MVZ Oberberg GmbH sein. Der Oberbergische Kreises ist im vergangenen Jahr als Mitgesellschafter eingestiegen. Über die Klinikum Oberberg GmbH hatte der Kreis aber auch vorher schon mittelbaren Einfluss. Die Nachricht von der Eröffnung am 1. Oktober hatten Kreisdirektor Klaus Grootens und Sascha Klein, zugleich Geschäftsführer des Klinikums Oberberg und der MVZ Oberberg GmbH, Mitte Mai im Kreisgesundheitsausschuss bekanntgegeben. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KNVO) will Fördergelder zur Verfügung stellen.
Wo entsteht das neue KMVZ in Waldbröl?
Untergebracht werden soll die neue Praxis in einem Anbau des Waldbröler Krankenhauses. Neben Behandlungszimmern entstehen dort ein EKG-Bereich, Räume für Ultraschalluntersuchungen sowie ein großer Wartebereich. Alle Räume sind barrierefrei erreichbar. „Die Praxisräume werden zum 1. Oktober fertig sein. Das ist vor allem deshalb wichtig, um Interessenten ihren künftigen Arbeitsplatz zeigen zu können. Die Praxis wird am 1. Oktober aber noch nicht den Betrieb aufnehmen“, berichtet Sascha Klein.
Wie viele Mediziner sollen im neuen KMVZ arbeiten?
Bis zu vier Ärzte sollen im KMVZ in Waldbröl arbeiten. Darunter können auch Ärzte in Weiterbildung sein, die unter Leitung eines Facharztes für Allgemeinmedizin arbeiten. „Wir wollen erstmal klein anfangen, den Start gut hinbekommen und dann weiter wachsen“, sagt Sascha Klein. Und der Klinikum-Chef weist auf einen Pluspunkt hin: Dank einer Weiterbildungsbefugnis für Allgemeinmedizin, die für den Waldbröler und den Gummersbacher Krankenhausstandort gilt, könnten junge Ärzte sich vor Ort zu Fachärzten ausbilden lassen.
Woher sollen die Ärzte, die im KMVZ arbeiten, kommen?
Derzeit werden laut Sascha Klein die ersten Gespräche mit Bewerbern geführt. Wie weit fortgeschritten und wie vielversprechend diese sind, dazu kann er noch nichts sagen. „Vielleicht finden sich auch Hausärzte, die in den Ruhestand gehen wollten, aber bereit wären als Angestellte im KMVZ noch einige Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie könnten Mentoren für junge Ärzte sein. Auch solche Modelle wären denkbar“, sagt Klein.
Und dann ist da noch die viel diskutierte Landarztquote (LAQ). Wie Marie Brück, Sprecherin der Grünen Oberberg, mitteilt, könne diese jedoch frühestens ab 2031 richtig wirken. Sie hatte sich an das NRW-Gesundheitsministerium gewendet und sich nach der Zuweisung von Ärzten aus diesem Programm erkundigt. „Neben der bereits bekannten Unterversorgung in Waldbröl, Morsbach und Nümbrecht ging es dabei auch um die spürbare Überlastung der dort niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte“, sagt Brück. Sie habe wissen wollen, ob das Landarztquotenkontingent in Oberberg überhaupt gezielt helfen kann.
Kommen Ärzte aus der Landarztquote nach Waldbröl?
Der Mittelbereich Waldbröl wird laut Prognose der Kassenärztlichen Vereinigung bis 2034 noch weiter auf einen Versorgungsgrad von nur noch 67,3 Prozent absinken. Erst 2031 beenden jedoch die ersten LAQ-Absolventen ihre Weiterbildung und könnten hausärztlich tätig werden. Die fertig ausgebildeten Hausärzte werden zudem keiner festen, unterversorgten Region zugewiesen. Das Ministerium schreibt hierzu: „Aus den dann aktuell unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen kann die Ärztin oder der Arzt eigenständig wählen, auf welchen Vertragsarztsitz sie bzw. er sich bewirbt. Es wird also keine Region vorgegeben.“ Eine Garantie, dass diese Ärzte nach Waldbröl kommen, gibt es also nicht. Und auch in der Weiterbildung dürfen die Studierenden frei entscheiden, wo sie tätig werden.
Kreisgesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach und Klinikum-Chef Sascha Klein setzen dennoch auf das Programm, denn in Waldbröl könnten die jungen Ärzte bereits als Weiterbildungsärzte tätig sein. Wichtig wäre dann ein im KMVZ angestellter Facharzt der Allgemeinmedizin, der als Weiterbilder tätig sein darf. „Die Assistenzärzte haben bei uns zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten. Da sie sich freiwillig für eine Region entscheiden können, ist es also unsere Aufgabe, ihnen einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten. Fühlen sie sich in Oberberg wohl, dann bleiben sie bestenfalls hier“, sagt Klein.
Die Aussicht auf junge Ärztinnen und Ärzte lässt sich der Kreis dank eines Stipendienprogramms auch etwas kosten: Das klassische Modell bietet Studierenden ab dem Physikum eine Förderung von 600 Euro pro Monat und für acht Semester. Damit verbunden ist die Verpflichtung, die hausärztliche Famulatur und Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner im Weiterbildungsverbund von Kliniken und Hausärzten des Oberbergischen Kreises, unterstützt durch die Ärztekammer Nordrhein, zu absolvieren.
Sind die Pläne des Kreises für das KMVZ also umsetzbar?
Es ist nicht sicher, ob sich die Situation verbessern wird. Allgemeinmediziner zu finden, ist schwierig, und die Entscheidung angehender Ärzte aus der LAQ über Einsatzorte basiert auf Freiwilligkeit. „Das LAQ-Programm NRW ist nur Wunschdenken. Zudem hat es mit der Versorgung bis 2034 hier im Kreis gar nichts zu tun“, kritisiert Marie Brück, die neben dem KMVZ auch auf die niedergelassenen Ärzte blickt, von denen viele keinen Nachwuchs für ihre Praxen finden. Dort werde es künftig zusätzliche Versorgungslücken geben, sagt Brück.
Auf diese Sorgen angesprochen, meint Ralf Schmallenbach: „Wir sehen unserem Vorhaben positiv entgegen. Am Ende stehen wir doch alle auf derselben Seite, wir wollen die medizinische Versorgung sicherstellen und einer Unterversorgung entgegenwirken. Die schwierige Suche nach Nachfolgern für Hausarztpraxen sehen wir natürlich auch. Aber das liegt auch am System selbst, weil sich die Bereitschaft, eine eigene Praxis in Vollzeit zu führen, einfach verändert hat.“ Und Klein ergänzt: „Der gegenseitige Austausch ist und bleibt wichtig.“
Dass einzelne Kommunen bereits am Aufbau eines eigenen kommunalen medizinischen Gesundheitszentrums gescheitert sind, weil sie keine Ärzte gefunden haben, macht Schmallenbach und Klein nicht nervös. Klein: „Wir haben andere Rahmenbedingungen dadurch, dass das Klinikum involviert ist. Die Ausgangssituation ist eine andere.“
Was steckt hinter der Landarztquote?
Das Land Nordrhein-Westfalen hat 2018 als erstes Land die Landarztquote (LAQ) eingeführt. Mit dem Landarztgesetz hat der Landtag die Möglichkeit geschaffen, Medizinstudienplätze im Rahmen einer Vorabquote an Bewerber zu vergeben, die als Hausärzte in unterversorgten Regionen tätig sein wollen. Dazu müssen sie einen Vertrag mit dem Land abschließen.
Laut dem NRW-Gesundheitsministerium werden pro Semester 7,8 Prozent der Medizinstudienplätze an den staatlichen Hochschulen für die Zulassung nach dem Landarztgesetz reserviert. Zum Wintersemester 2019/20 wurden, laut Antwort des Gesundheitsministeriums auf die Anfrage der oberbergischen Grünen, 145 und zum Sommersemester 2020 25 Studienplätze im Rahmen der LAQ vergeben.
Voraussichtlich 152 Studierende werden in diesem Herbst ihr Medizinstudium abschließen und im Januar 2026 den dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung ablegen. Danach können sie bei der zuständigen Bezirksregierung ihre Approbation beantragen und müssen dann eine Weiterbildung für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin in NRW absolvieren. Im Anschluss daran verpflichten sie sich, zehn Jahre in einer Region in NRW zu arbeiten, für die eine (drohende) Unterversorgung gilt.