Politikerin im Visier türkischer MedienBerivan Aymaz will „kein Wort weniger sagen“

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Berivan Aymaz

Köln – Berivan Aymaz trägt eine Sonnenbrille, die ihr halbes Gesicht versteckt, als sie zum Treffpunkt vor einem Kölner Eiscafé kommt. Die Landtagsabgeordnete der Grünen, war kürzlich von zwei türkischen Zeitungen als „Feindin der Türkei“ und „PKK-Sympathisantin“ diffamiert worden, nachdem sie kritisiert hatte, dass die Landesregierung bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts nach einigen Jahren der Distanz wieder auf den türkischen Moscheeverband Ditib zugegangen war.

Enger Kontakt mit dem Staatsschutz

Wer als „Feindin der Türkei“ gilt, muss in der Folge um sein Leben fürchten – auch in Deutschland gab es schon Anschläge auf Kritikerinnen des Regimes von Präsident Erdogan. So überlebte die Reformmuslimin Seyran Ates einen Anschlag nur knapp. Aymaz, selbst kurdischer Herkunft, die sich auch für die Rechte von Minderheiten in der Türkei einsetzt, wird im Internet angefeindet, seit sie Politik macht – „von türkischen Nationalisten genauso wie von deutschen Rechtsextremen, weil ich mich beispielsweise für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik einsetze“. Sie hat gelernt, dass Bedrohungen dabei nicht ausbleiben. Die Stigmatisierung seitens der Zeitungen bedeutete aber eine neue Dimension für sie.

Seit den Artikeln in der Erdogan-nahen „Sabah“ und der islamistischen  „Yeni Akit“ ist sie im Austausch mit dem Staatsschutz. In einem ersten Artikel im „Kölner Stadt-Anzeiger“ bekundete NRW-Innenminister Herbert Reul seine Solidarität und verurteilte die Kampagne gegen Aymaz – Meinungsverschiedenheiten in Fragen von Integrationspolitik und Ditib zum Trotz.

Breite Solidarität

Inzwischen haben die Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD im Landtag die Drohungen seitens der türkischen Zeitungen in einer Erklärung als „ungeheuerlich und nicht akzeptabel“ verurteilt. Verschärft hat die Lage ein weiterer Bericht der „Sabah“, in der Aymaz mit der Überschrift „Wir kennen Dich, Berivan“ gedroht wird.

„Solche Kampagnen sind darauf ausgelegt, Politikerinnen und Politiker einzuschüchtern, in vielen Fällen ist das bekanntlich gelungen, auch nach Bedrohungen aus der deutschen rechtsradikalen Szene“, sagt die 48-Jährige bei Kaffee und Zigarette im Schatten einer Kirche. Nachvollziehen könne sie solche Rückzüge jetzt besser. „Aber genau das werde ich nicht tun. Ich fühle mich gut geschützt und werde keinen Millimeter zurückweichen, kein Wort weniger sagen. Demokratie lebt von Kritik, Dialog, aber auch von Widerspruch und Kritik – wer sie nicht aushalten kann, demaskiert sich selbst.“

Aymaz wiederholt Kritik an Kooperation mit Ditib

Berivan Aymaz sagt also weiter, dass „der Flüchtlingsdeal mit der Türkei schon deswegen nicht akzeptabel ist, weil er einen Autokraten zum mächtigsten Türsteher Europas macht“. Sie wiederholt ihre Kritik daran, dass die Ditib in NRW wieder in einer Kommission mitreden darf, die Religionslehrer auswählt oder Schulbücher prüft. „Die beratenden Islamverbände sollen staatsfern sein, so steht es im Gesetz – genau das ist die Ditib nicht“. 2017 hatte die rot-grüne Landesregierung die Zusammenarbeit mit der Ditib auf Eis gelegt, nachdem Imame Gläubige bespitzelt hatten. Die Ditib untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet, „und die ist Präsident Erdogan unterstellt“, sagt Aymaz. „Es darf nicht sein, dass Lehrer in Deutschland Repressalien befürchten müssen, weil sie der türkischen Regierung kritisch gegenüber stehen.“ Von Ministerpräsident Armin Laschet erwarte sie „eine Erklärung dazu, warum Ditib  in NRW erneut zusätzliche Einflussmöglichkeiten erhält“.

Berivan Aymaz ist in der Landtagsfraktion der Grünen zuständig für Integration, Flüchtlingspolitik, Internationales, Eine-Welt und Inneres, sie gilt als sehr ambitioniert. „In keiner Sekunde“ habe sie an einen Rückzug gedacht, sagt sie, räumt aber ein, dass „Hetze und Anfeindungen, die durch die sozialen Medien befeuert werden, nicht spurlos an einem vorrübergehen“.

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Durch die Diffamierungen seitens der türkischen Zeitungen gegen sie sei „hoffentlich ein Wendepunkt erreicht. Es muss künftig selbstverständlich sein, dass es auch bei staatlich gesteuerten Hetzkampagnen eine breite öffentliche Solidarität mit den Betroffenen gibt.“

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