LuftaufnahmenVorher-Nachher-Vergleich zeigt dramatische Klima-Folgen in der Region um Köln

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Tote Bäume stehen und liegen im Königsforst.

Die Folgen des Klimawandels sind auch im Königsforst offensichtlich. (Archivbild)

Zwischen den Luftaufnahmen aus der Region Köln/Bonn liegen nur wenige Jahre, dennoch sind die Zerstörungen nicht zu übersehen.

Kaum ein Thema scheint auf den ersten Blick so abstrakt wie der Klimawandel. Steigende Temperaturen in der Antarktis, ein zunehmend mäandernder Jetstream oder steigende Meeresspiegel – das alles ist für viele kaum greifbar. Dabei sind die Folgen des Klimawandels inzwischen gravierend und nicht mehr zu übersehen. Direkt hier bei uns vor der Haustür.

Luftaufnahmen aus der Region Köln/Bonn und Umgebung zeigen eine dramatische Entwicklung, die inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass ganze Landschaften für immer verloren gegangen sind. Auf drastische Weise wird dabei deutlich: Die Wälder sind am stärksten von der Klimakrise betroffen.

Region um Köln: Vorher-Nachher-Vergleich zeigt Ausmaß der Zerstörung

Kaum zu fassen, doch zwischen den folgenden Aufnahmen liegen nur wenige Jahre. Nur ein paar Grad mehr haben gereicht, um riesige Löcher in die Natur zu schlagen.

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Zur Verdeutlichung der Schäden ist die Kalamität des entsprechenden Waldabschnitts vom Königsforst hier auf der Luftaufnahme rot markiert:

Dunkelrote Bereiche: Tote Bäume, bereits gefällt und komplett abgeräumt; hellrote Bereiche: Abgestorbene Fichten.

Dunkelrote Bereiche: Tote Bäume, bereits gefällt und komplett abgeräumt; hellrote Bereiche: Abgestorbene Fichten.

Info: In der Forstwirtschaft spricht man von Waldkalamität, wenn es zu großflächigen Schäden oder Massenerkrankungen in Waldbeständen kommt.

Wie groß das Ausmaß der Zerstörung wirklich ist, erklärt Stephan Schütte im Gespräch mit dieser Zeitung. Schütte ist Leiter des Regionalforstamts Rhein-Sieg-Erft. Seinen Angaben zufolge haben wir 140.000 Hektar Fichtenwälder an die Folgen des Klimawandels verloren. Allein in Nordrhein-Westfalen. Ursprünglich waren es mal 250.000 Hektar Fichte.

Fichten im Großraum Köln/Bonn nicht mehr zu retten

Im Großraum Köln/Bonn sind Schüttes Einschätzungen nach keine Fichten mehr zu retten. Doch das große Fichtensterben ist wohl nur der Beginn der katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Natur. Verdeutlicht wird das durch einen Vergleich zum Hochsauerlandkreis. Denn dort ist das Fichtensterben noch im vollen Gange, doch mit noch viel extensiveren Ausmaßen.

Wer derzeit mit dem Auto durch das Sauerland oder den Hochsauerlandkreis fährt, fühlt sich wie in eine dystopische Mondlandschaft versetzt. Das Fichtensterben hat dort aufgrund der kühleren Temperaturen später als in Rhein-Sieg-Erft begonnen. Die Folgen schlagen nun aufgrund der Monokulturen ungleich härter durch. 80 Prozent des Waldes besteht dort aus Fichte. Ein Drittel davon ist bereits zerstört.

Ähnliche Bilder gibt es auch aus dem Rhein-Sieg-Kreis, etwa in der Region Aegidienberg in Bad Honnef oder im Bereich der Tomburg bei Bonn. Dort überkommt einen ein ähnlich bedrückendes Gefühl wie im Sauerland. Denn hier war der Fichtenanteil ähnlich hoch.

Zur Verdeutlichung der Schäden ist die Kalamität des entsprechenden Waldabschnitts aus der Region Tomburg hier auf der Luftaufnahme rot markiert:

Dunkelrote Bereiche: Tote Bäume, bereits gefällt und komplett abgeräumt; hellrote Bereiche: Abgestorbene Fichten.

Dunkelrote Bereiche: Tote Bäume, bereits gefällt und komplett abgeräumt; hellrote Bereiche: Abgestorbene Fichten.

Eine Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten ist, bestätigt Regionalforstamtsleiter Schütte: „Grundsätzlich kann man sagen, dass aufgrund des Klimawandels der über 200 Jahre laufende Fichtenanbau nicht mehr möglich ist.“

Vorher-Nachher-Vergleich vom Zustand der Wälder in Windeck schockiert

Auch Stefan Meisberger, Leiter der Biologischen Station im Kreis Euskirchen, berichtet vom Fichtensterben, das sich inzwischen vom Flachland in die kühleren Hochlagen durchgesetzt hat. „Aktuell blicken wir mit Sorge auf die Fichtenwälder in Blankenheim, auch hier ist der Käferbefall extrem“, so Meisberger gegenüber dieser Zeitung.

Zur Verdeutlichung der Schäden ist die Kalamität des entsprechenden Waldabschnitts aus Windeck hier auf der Luftaufnahme rot markiert:

Dunkelrote Bereiche: Tote Bäume, bereits gefällt und komplett abgeräumt; hellrote Bereiche: Abgestorbene Fichten.

Dunkelrote Bereiche: Tote Bäume, bereits gefällt und komplett abgeräumt; hellrote Bereiche: Abgestorbene Fichten.

Die Verknüpfung zum Klimawandel liegt dabei auf der Hand. Forstamtsleiter Stephan Schütte weist in diesem Zusammenhang auf die steigende Kurve der Jahresdurchschnittstemperaturen von 1918 bis heute hin. Ab 1980 schießt diese nämlich steil in die Höhe. Die Folge ist eine fatale Korrelation einiger weniger Faktoren, die in einem ersten Schritt das Fichtensterben verursachen.

Diese Faktoren verursachen das Fichtensterben in der Region Köln/Bonn

Vom berühmt-berüchtigten Borkenkäfer werden viele schon gehört haben. Dabei gehört das Insekt zu den natürlichen Begleitern der Fichtenwälder. „Der ist schon immer da gewesen, wo die Fichte war“, erklärt Schütte. Doch das immer mildere Klima der vergangenen Jahre habe dafür gesorgt, dass die Käfer nicht mehr nur eine oder zwei Generationen pro Jahr produzieren, sondern vier. Jedes Käferpärchen habe im Schnitt 60 Nachkommen, aus denen sich wieder 30 Pärchen ergeben. „Die Zunahme ist also exponentiell und liegt inzwischen bei einem Pärchen mit einer Million Nachkommen pro Jahr“, rechnet der Regionalforstamtsleiter Rhein-Sieg-Erft vor.

Der zweite klimabedingte Faktor, der sich nun neben den steigenden Temperaturen auf diese Entwicklung auswirke, sei die zunehmende Trockenheit. Die führe dazu, dass die Fichten den Borkenkäfern schutzlos ausgeliefert seien. Denn die Insekten fliegen die Bäume an, bohren sich in den Stamm und bilden im Inneren eine Paarungskammer. Die schlüpfenden Larven fressen sich anschließend durch den gesamten Baum und die Fichte stirbt.

Regionalforstamtsleiter Stephan Schütte: „Dann explodierte das alles“

„Wenn es nur wenige Käfer gibt, kann die Fichte die Insekten durch eine gesteigerte Harzproduktion abwehren, indem das Borkenkäferpärchen in der Paarungskammer durch eine Harzschicht eingeschlossen und erstickt wird“, erläutert Schütte. „Wenn aber die Fichte aufgrund von Trockenheit keinen Harz mehr bilden kann und es kommen gleichzeitig Tausende von den Viechern angeflogen, hat der Baum keine Chance.“

Das Resümee des Regionalforstamtsleiters: „Jetzt hatten wir drei Jahre hintereinander dieses trockene Wetter – und dann explodierte das alles.“

Fichtensterben in der Region Köln/Bonn nur der Beginn der Klima-Folgen

Doch das Fichtensterben markiert wohl nur den Beginn der klimabedingten Entwicklung. Denn auch an Laubbäumen machen sich inzwischen existenzielle Probleme bemerkbar. Etwa an der Buche. „Die Buche ist bei uns mit die Hauptbaumart“, so Schütte. „Das Charakteristische an der Buche ist zugleich auch ihre Schwachstelle: Sie hat eine sehr dünne und empfindliche Rinde.“

Zudem habe die Buche einen hohen Wasserbedarf. Aufgrund der Trockenheit könne der Baum kein Wasser mehr ziehen, die dadurch entstehende Saugspannung führe zur Embolie und die Wasserversorgung werde immer schlechter. Als Folge werfe die Buche immer mehr Blätter ab, weil sie sie nicht mehr versorgen könne.

„Für den Baum endet das tödlich“, weiß der Regionalforstamtsleiter. Denn mit ihren Blättern werfe die Buche gleichzeitig auch ihren Sonnenschirm ab. „Nun können die Sonnenstrahlen ungehindert und mit voller Intensität auf die Buchenrinde scheinen und die dünne und glatte Runde verbrennt.“ Für Schütte ist klar: „Auch die Buche ist vom Klimawandel betroffen. Abgestorbene Buchen in weiten Bereichen kennen wir auch hier bei uns in der Region.“

Das langsame Buchensterben in der Region Köln/Bonn

Ein Phänomen, welches auch andere Expertinnen und Experten mit Sorge beobachten. Larissa Richter von der Biologischen Station Leverkusen berichtet von Buchen in der Wupper-Schleife, die trotz der Nähe zum Gewässer im vergangenen Sommer erhebliche Anzeichen von Trockenstress gezeigt hätten. „Die oberen Bereiche der Kronen waren komplett vertrocknet“, berichtet Richter auf Anfrage dieser Zeitung. „Bei einem Baum, der für das hiesige Klima eigentlich optimal ist, ist das in unserem Bereich eine neue Erscheinung.“

Der Unterschied zum Fichtensterben sei dabei eher graduell. Denn bisher seien die Buchen eher einzeln betroffen und noch nicht so flächendeckend wie die Fichten. Doch die Entwicklung zeige, wie der Trend des Blatt- und Nadelverlusts immer weiter zunehme. Regionalforstamtsleiter Schütte: „Die Bäume sind dann noch nicht tot, aber geschwächt, krank.“

Hinzu komme das Problem der immer heißeren Trocken- und Hitzeperioden. In einem Winter könne sich ein Baum nur bedingt wieder davon erholen. „Ist eine Buche schon krank und geschwächt, wird sie in einem solchen Hitzesommer weiter absterben und geschwächt werden“, so Schütte weiter.

Die Folgen des Klimawandels seien bei Eiche und Buche also langfristiger als bei den Fichten. Doch sie könnten das Ausmaß des Waldsterbens bei uns in der Region Köln/Bonn bereits in den kommenden Monaten dramatisch zuspitzen.

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