Dauermagnete der Baermann GmbHDie unscheinbaren Lebensretter

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Höchste Präzision ist bei der Fertigung gefordert, das Bergisch Gladbacher Unternehmen stellt auch die Werkzeuge selbst her.

Höchste Präzision ist bei der Fertigung gefordert, das Bergisch Gladbacher Unternehmen stellt auch die Werkzeuge selbst her.

Bergisch Gladbach – Für den Betrachter sind es unscheinbare kleine, schwarze Plastikdinger, die die Maschine in der Produktionshalle der Max Baermann GmbH auswirft. Doch ihr Innenleben ist ein physikalisches Universum höchster Komplexität. Die kunststoffgebundenen Dauermagnete aus dem Bergisch Gladbacher Freudenthal stecken in Kühlschränken und Waschmaschinen, hauptsächlich aber in Autos – bis zu 220 Stück in einem Oberklassewagen.„Der Mensch neigt dazu, immer fauler zu werden. Er will nur noch Knöpfchen drücken“, sagt Geschäftsführer Holger Baermann.

Doch eine Knöpfchen-Fensterscheibe kann Kinderfinger einklemmen. Dafür, dass sie das nicht tut, sorgt ein Magnet. Laienhaft erklärt funktioniert das so: Der Magnet baut Pole auf, zählt die Impulse, die er erhält und gibt sie an ein Steuergerät weiter. Werden Impulse gemeldet, die nicht dort hingehören, stoppt das Herauffahren der Scheibe automatisch.

„Alles, was sich im Auto bewegen kann, ist mit Magneten vollgestopft“, sagt Holger Baermann. Sie stecken in den Motoren für Sitzverstellung, Klimaanlage, Schiebedach und Scheibenwischer. Sie sitzen unterm Gaspedal, sorgen im Display für die Anzeige von Tempo und Tankstand, rotieren in Kühlwasserpumpen und melden an die elektrisch angetriebene Servolenkung.

„Das ist nicht einfach nur ein Stahlblock“

Bis zu 32 Millionen Magnete allein für Fensterheber produziert die Firma Baermann jährlich. Sie gehen an alle großen Autohersteller. Ein Garant für gute Auftragslage in guten Zeiten. Die Wirtschaftskrise 2008 traf Baermann jedoch mit voller Härte.

Heute sind die Auftragsbücher wieder voll. Die Abhängigkeit ist groß – beiderseits. „Wir könnten die Produktion bei großen Herstellern lahmlegen“, sagt Baermann. Kann er die unscheinbaren magnetischen Teilchen indes nicht liefern, drohen ruinöse Vertragsstrafen. Dazu kommt ein weiteres Risiko: Versagt der Magnet, fährt das Auto im Extremfall an die Wand. Den Anforderungen an höchste Präzision, Güte und Lieferfähigkeit begegnet das Unternehmen mit hoher Automatisierung, penibler Qualitätssicherung, einer eigenen Werkzeugmacherei und der gezielten Auswahl und eigenen Herstellung der Ausgangsmaterialien.

Dazu gehören etwa austenitische Stähle; Stähle, die nicht magnetisch sind. „Allein das ist eine Wissenschaft für sich“, sagt Holger Baermann. „Das ist nicht einfach nur ein Stahlblock, das ist der Hammer.“ 120 Mitarbeiter hat die Baermann GmbH in Bergisch Gladbach. Zur Holding gehören weitere Werke in Neunkirchen, Lindlar und China.

Das Erfinden hat Tradition

In einem neuen Magneten stecken bis zu fünf Jahre Entwicklungsarbeit. Ein Großteil davon geht auf das Konto von Thomas Schliesch. „Unser Einstein“, nennt ihn sein Chef. „Der Magnetpapst. Er hält auf der ganzen Welt Vorträge.“ Schliesch nimmt es bescheiden. Eigentlich habe er Musikwissenschaften studieren wollen, dann wurde es halt Physik. Seit vielen Jahren berechnet er für Baermann, wie es im Inneren eines Magneten aussieht. „Eine Million Gleichungen mit einer Million Unbekannten, und das 50 mal“, sagt der Gladbacher „Einstein“ achselzuckend und zeigt auf ein Schaubild, das in knalligen Farben Wirbelströme in Eisen sichtbar macht.

Das Erfinden hat Tradition im Familienunternehmen. Holger Baermanns Großvater Max gründete es 1935. „Er hat sich einfach hingesetzt und Ideen entwickelt“, sagt Holger Baermann. 876 Patente ließ sich der Gründer eintragen. In den 1930er-Jahren steckten seine Magnete in jedem Volksempfänger, ab Mitte der 50er in jeder Kühlschranktür. „Laut Statistik erstickten vorher jährlich rund 30 Kinder, weil sie sich eingeschlossen hatten“, sagt Baermann.

Die Patente sind längst abgelaufen, die Technik bis heute die aus dem Bergischen. Laut Holger Baermann beschäftigen sich inzwischen weltweit 32 000 Menschen nur mit der Herstellung magnetischer Kühlschrankdichtungen.

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