Großes Stühlerücken in RathäusernVerwaltungen kämpfen mit hoher Personalfluktuation

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Neue Wege geht die Personalabteilung im Kreishaus: Vormals dustere Großraumbüros wurden neu gestaltet, die Arbeitsplätze dort konzentriert, wo es Tageslicht gibt.

Neue Wege geht die Personalabteilung im Kreishaus: Vormals dustere Großraumbüros wurden neu gestaltet, die Arbeitsplätze dort konzentriert, wo es Tageslicht gibt.

Rhein-Berg – Dass der demografische Wandel mit großer Wucht kommt, ist bekannt, aber es ist ähnlich wie mit dem Klimawandel: Wissen ist das eine, Handeln das andere. Der Mangel an Fachpersonal trifft zusehends auch die öffentlichen Verwaltungen.

Personalfluktuation wird zu einem zunehmenden Problem

Zwar ist laut einer Umfrage dieser Redaktion zuletzt die Zahl der Stellen in den Rathäusern im Südkreis sowie im Kreishaus fast überall gestiegen. Aber zugleich sagen immer öfter Mitarbeiter laut oder leise „Servus“ – für den eigentlich sehr bodenständigen öffentlichen Dienst ungewohnt.

„Personalfluktuation“ heißt das Stichwort. Fluktuationsraten, die die Zahl der Wechsler ins Verhältnis zur Gesamtzahl setzen, machen Entwicklungen in unterschiedlichen Häusern vergleichbarer. Die Redaktion hat die entsprechenden Daten in den Rathäusern im Südkreis sowie im Kreishaus abgefragt.

„mobiles und flexibles Arbeiten“ ist das Stichwort

In Zeiten wie diesen freuen sich Verwaltungs- und Personalchefs über niedrige Quoten. Sie sind auch bereit, einiges zu tun, sofern ihre „Aufsichtsräte“, die Politiker, die über das Geld bestimmen, sie lassen. Bei der Kreisverwaltung etwa macht man sich viele Gedanken um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

„Mofa“ (kurz für „mobiles und flexibles Arbeiten“) ist dort schon 2018 ein Stichwort gewesen. Dazu gehört die „Telearbeit“ von Zuhause aus, aber auch das Projekt „Moderne Arbeitswelten“, bei dem bis dahin dustere Großraumbüros menschenfreundlicher umgestaltet wurden. Und siehe da: Die Fluktuationsrate bei der Kreisverwaltung lag in den vergangenen drei Jahren stets unter sieben Prozent.

Stadt Overath ragt heraus

Uneinheitlich ist das Bild in den Rathäusern. Nicht von den Zahlen, sondern von den politischen Diskussionen her ragt Overath heraus, denn hier gibt es mit Jörg Weigt einen SPD-Bürgermeister bei schwarzer Dominanz im Rat.

Uneinheitlich sind die Fluktuationsraten in den verschiedenen Rathäusern und im Kreishaus (linke Grafik). Die mit Abstand höchste Wechselquote gab es zuletzt in Rösrath. In unterschiedlichem Maß gestiegen ist zuletzt die Zahl der Stellen. Hier steht der Kreis an der Spitze.

Uneinheitlich sind die Fluktuationsraten in den verschiedenen Rathäusern und im Kreishaus (linke Grafik). Die mit Abstand höchste Wechselquote gab es zuletzt in Rösrath. In unterschiedlichem Maß gestiegen ist zuletzt die Zahl der Stellen. Hier steht der Kreis an der Spitze.

Und außerdem noch diverse Wechsel bei Führungspositionen: Die Chefin des Planungsamtes, ihr Nachfolger und die alte Kämmerin haben sich wegbeworben, die alte Leiterin des Haupt- und Personalamtes ist im Ruhestand, wohin auch einer der beiden Beigeordneten zum Jahresende geht.

CDU-Personalexperte spricht von 28 Mitarbeitern, die die Stadt verlassen haben sollen

Aber ist die hohe Fluktuation bei den Leitungspositionen ein Symptom auch für das Mannschaftsdeck? Im Overather Rat hat es jüngst richtig Krach deswegen gegeben. CDU-Personalexperte Jörg Schiefer sprach im Hauptausschuss unwidersprochen von einem „Exodus“.

Auf Nachfrage sagt Schiefer, nach seinen Informationen hätten letztes Jahr 28 Mitarbeiter die Stadt verlassen. Dem widersprechen, ebenfalls auf Nachfrage, Bürgermeister Jörg Weigt und die neue Personalchefin Katrin Gramer: 2018 seien von rund 200 Beschäftigten 17 gegangen, 22 wurden neu eingestellt.

Kein „Exodus“ in Overath

Einen „Exodus“ belegt die aktuelle Overather Quote (8,61 Prozent) im Vergleich zu den anderen Südkreis-Verwaltungen nicht. Die höchste Wechselquote (siehe Grafik) hatte 2018 Rösrath mit fast 12 Prozent. Dagegen gab es in der Verwaltung von Odenthal nicht einen Wechsel.

Der Rösrather Bürgermeister Marcus Mombauer hat im Februar eine „Kannibalisierung“ beklagt: Großstädte würben gute Leute bei den Gemeinden ab. Ihre eigenen Leute verlören sie an die Landschaftsverbände.

Guter Rat ist teuer

In Overath will Personalchefin Katrin Gramer jetzt gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung ein Personalentwicklungskonzept erarbeiten. Wie können die Mitarbeiter ans Rathaus gebunden und geführt werden? Was für Fort- und Weiterbildungsangebote soll es geben?

Andere Branchen

Das Branchenranking des Instituts der deutschen Wirtschaft (IDW) sieht den öffentlichen Dienst (zusammen mit Verteidigung und Sozialversicherung) bei einer Fluktuationsquote von 13,3 Prozent im Jahre 2017 an letzter Stelle. An der Spitze steht die Arbeitnehmerüberlassung (119,6 Prozent), gefolgt von Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (69,6) und Gastgewerbe (66,0). Heime und Sozialwesen kommen auf 28,8 Prozent, das Gesundheitswesen auf 22,7 Prozent.

Rechnerisch mussten laut IDW gut 32 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Stellen in Deutschland neu besetzt werden. (sb)

Im Hauptausschuss erinnerte die junge Expertin die Politiker an ihre Mitverantwortung: „Am Ende werden die Maßnahmen möglich sein, für die wir auch die personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen.“ Guter Rat von außen wäre zweckmäßig, aber der koste Geld, rund 15 000 Euro. Dazu CDU-Fraktions-Vize Johannes Deppe: „Bei uns sperrt sich keiner gegen eine Unterstützung von außen.“ Erste Ergebnisse für Overath werden jetzt für Oktober erwartet.

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