Gegen den Stau im Bergischen LandMitfahrer-App soll Straßen entlasten

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Stau Holzbachtalbrücke

Stau auf der A4 - Fahrgemeinschaften können ihn vermeiden helfen.

  • Ein Overather Unternehmensberater und ein Arzt möchten den Verkehr im Bergischen Land revolutionieren.
  • Die App der Firma „Goflux“ soll das Mitfahrerprinzip auf eine ganz neue Ebene stellen.
  • Anfang März geht die App in Düsseldorf an den Start.

Overath – Deutschland um kurz nach zehn Uhr: Zwei Herren sitzen im Büro eines Einfamilienhauses in Marialinden zusammen und starren auf ihre Smartphones. „So kann das nicht funktionieren, für das System bin ich ja schon losgefahren“, sagt der eine der jugendlichen Ü-60er, und der andere gibt ihm einen Tipp: „Versuch es mal mit der Abfahrtzeit 10.45 Uhr.“

Das klingt erst einmal ziemlich banal. Tatsächlich aber schicken sich der Overather Unternehmensberater Gerd Baumeister und sein Besucher Manfred Uerlich an, den Verkehr im Bergischen Land und weit darüber hinaus zu revolutionieren. Baumeister ist der Mann, der das Carsharing für Marialinden auf den Weg gebracht hat. Das Projekt strahlt längst nach Engelskirchen und Much aus: Jeweils etwa ein Dutzend Bürger teilt sich ein E-Auto und kann damit den Familienzweitwagen zum Einkaufen abschaffen. Das ist aus Sicht der Umwelt und der verstopften Straßen und Parkplätze schon ganz gut, aber noch nicht revolutionär.

„Ridesharing“

Bei der nächsten Stufe, dem „Ridesharing“, wird das schon anders: Das ist zwar auch erst einmal nur ein neudeutsches Wort für Fahrgemeinschaft. Doch die Digitalisierung eröffnet ganz neue Möglichkeiten.

Hier kommt Baumeisters Besucher Manfred Uerlich ins Spiel. Der ist eigentlich Arzt, doch jetzt ist er im Unternehmen seines Sohnes Wolfram in Köln aktiv. „Goflux“ heißt die Firma, ein mittlerweile um einen potenten Finanzier ergänztes Start-up-Unternehmen junger Leute, die die immensen Pendlerströme menschen- und umweltverträglicher gestalten wollen. Funktionieren soll das mit einer selbst entwickelten Mitfahrer-App, die Anfang März in Düsseldorf ans Netz geht.

Einfache Bedienung

Im Prinzip funktioniert die App simpel: Man meldet sich als Fahrtenanbieter an, beispielsweise: „Ich fahre immer montags um acht Uhr von Overath-Marialinden nach Gummersbach und suche Mitfahrer.“ Das geht mit oder ohne Fahrkostenbeteiligung. Das Ganze funktioniert, indem man die entsprechende Stelle im Navi markiert. Die Navi-Funktion der App zeigt einen oder mehrere mögliche Wege, die Fahrt wird online angeboten, und die App lotst Fahrer und Mitfahrer an einen Treffpunkt.

Beide Seiten müssen sich vorher registrieren, ihre persönlichen Daten hinterlegen: Das dient der Sicherheit der Beteiligten. Zudem sind auch Bewertungen der Fahrer möglich – so ist es durchaus nicht jedermanns Sache, bei verhinderten Formel-1-Piloten mitzureisen, die sich vielleicht auch noch für unwiderstehlich halten. Frauen können angeben, nur mit Frauen reisen zu wollen.

Bereits mehrere Firmen interessiert

In der Landeshauptstadt Düsseldorf haben die Kölner Goflux-Macher bereits mehrere Firmen gefunden, die sich an der neuen Fahrgemeinschaftsbörse beteiligen wollen: allen voran die Stadtwerke Düsseldorf, die Messe und der Düsseldorfer Flughafen, insgesamt immerhin mehr als 10 000 Beschäftigte. „Rund 500 000 Pendler-Pkw sind werktäglich in Düsseldorf unterwegs – oft nur mit der Fahrerin oder dem Fahrer selbst.

Die Folgen sind eine hohe Feinstaubbelastung, Dauerstaus, erschwerte Parkplatzsuche, Lärm und wenig Platz für Fußgänger und Radfahrer. Fahrgemeinschaften können maßgeblich dazu beitragen, den PKW-Individualverkehr zu verringern“, bewerben die Stadtwerke das neue Angebot und haben eine Kurzformel kreiert: „Happy3 statt CO2“. Für die beteiligten Unternehmen ist das attraktiv: Nicht nur, weil sie sich mit den vermiedenen Schadstoffemissionen schmücken und zeigen können, dass sie von Umweltschutz nicht nur reden, sondern auch, weil sie beispielsweise weniger Mitarbeiterparkplätze brauchen.

Lokale Partner

Wenn das System Anfang März startet, soll es einen „Big Bang“ geben: „Viele Leute müssen auf einmal beginnen, sonst setzt der Frust ein“, sagt Uerlich. Das System ist nicht auf Düsseldorf beschränkt. Mit jeweils lokalen Kooperationspartnern soll es deutschlandweit zum Einsatz kommen. Auch zwischen Marialinden und Gummersbach: Denn für den hiesigen ländlichen Raum ist die Marialindener Genossenschaft, die „Car&Ride Sharing Community eG“ von Gerd Baumeister und Co, der Kooperationspartner.

Hier vor Ort geht es erst einmal um die Strecken von Overath nach Engelskirchen und Gummersbach, doch Weiterungen sind denkbar und erwünscht. 

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Auch denken Baumeister und Co noch weiter: Das Dorf besitzt bereits seit Mai 2018 eine Mitfahrbank, die das Bürgerkomitee Marialinden angeschafft hat. Allerdings krankt das System daran, dass es wenig zuverlässig und wenig eindeutig ist: „Der Autofahrer erkennt nicht unbedingt, ob die Person auf der Bank wirklich mitgenommen werden möchte oder sich einfach nur ausruht.“ Mit moderner Technik könnten die Bänke soweit aufgetunt werden, dass jeder seine Mitfahrgelegenheit findet, auch ohne wie früher üblich, am Straßenrand zu stehen und den Daumen hochzuhalten.

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