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Explodierende Kosten160 Millionen für Neubau der Gesamtschule in Bergisch Gladbach irritieren die Politik

Lesezeit 5 Minuten
Der Raum und die Ränge sind voll besetzt mit Schülern.

Das Herz der Integrierten Gesamtschule Paffrath in Bergisch Gladbach klopft im Forum. Diesen Treffpunkt zu verlieren, tut allen weh. 

Die Integrierte Gesamtschule Paffrath ist nicht zu retten. Die Politik tut sich trotzdem schwer mit der Entscheidung für einen Neubau.  

Die Zeichen für die Integrierte Gesamtschule Paffrath stehen auf Neubau. Die Politik tut sich sehr schwer mit dieser Entscheidung: Denn es wird mit 160 Millionen Euro, Stand jetzt, die teuerste Schule, die Bergisch Gladbach je gebaut hat. Eine Zahl, die alle Fraktionen bei der Sondersitzung im Ratssaal schockiert, zumal zahlreiche weitere Mammutprojekte in ähnlichen Sphären schweben. Sogar Schulleiterin Angelika Wollny verabschiedet sich in einer emotionalen Rede von dem geschätzten alten Gebäude.

„Was passiert mit den Menschen, das ist für mich erstmal die entscheidende Frage, nicht das Geld“, sagt Wollny in der Sitzung am Dienstagabend. Denn die Kernsanierung des Bestandsgebäudes, geschätzte Kosten gigantische 272 Millionen Euro, würde zwingend bedeuten, dass die Schulgemeinde zehn Jahre lang in einen Interimsbau ausquartiert wird: „Unser eigentliches Schulleben, die Gemeinschaft, würde kaputtgehen.“ Eine ganze Generation von Schülern müsste in dem Containerbau groß werden, ohne Abschiedsfeiern und Feste.

Wir brauchen unsere Schule, damit wir unser Leben weiterführen können
Angelika Wollny, IGP-Schulleiterin

Das ist der Punkt, der bei ihr und der Lehrerschaft für einen Stimmungsumschwung gesorgt habe. „Schweren Herzens stimmen wir für einen Neubau“, sagt Wollny. Es ist das Forum als Treffpunkt, das die Schulgemeinschaft so ungern aufgibt, denn hier pocht das Herz der Schule. Die Neubau-Variante auf dem Nachbargrundstück bietet den Vorteil, dass die alte IGP selbst zum Interim in der Bauzeit wird. „Wir brauchen unsere Schule, damit wir unser Leben weiterführen können“, betont Wollny.

Das bestehende Gebäude gleicht laut Gutachten einer Ruine. Nicht nur bei den Kosten, sondern in allen anderen Punkten schneidet die Variante Neubau besser ab als eine Kernsanierung des Bestandsgebäudes: in puncto Nachhaltigkeit, Projektlaufzeit, Herstellungskosten, Barrierefreiheit, Gestaltung der Räumlichkeiten, die eine Differenzierung ermöglichen.

Dass die Kosten für einen Neubau geringer ausfallen, ist insbesondere der Tatsache geschuldet, dass kein zusätzlicher Interimsbau für 34 Millionen Euro notwendig sei. Die Kalkulation von 160 Millionen Euro für einen Neubau, Stand heute, sei realistisch. Angela Brock, Gutachterin   des Fachbüros Ernst & Young, beruft sich dabei auf konkrete Erfahrungswerte von Projekten in der gleichen Größenordnung, die ihr Büro selbst begleitet habe.

Die Fassade, erst vor zehn Jahren saniert, ist schon wieder fällig

Helga Kivilip (CDU) bringt ihr „Unbehagen“ vor: „Erst vor zehn Jahren ist das Gebäude teil saniert worden. Warum heißt es jetzt, die Schule ist Schrott?“, fragt sie. Fachbereichsleiterin Alexandra Meuthen erklärt, dies sei gar nicht so selten: „Wir sprechen da von Pinselsanierungen.“ Tiefgreifende Probleme wie Schadstoffbeseitigung oder die Schaffung von technischen Voraussetzungen für naturwissenschaftliche Räume seien nicht berücksichtigt worden. Die Fassade der IGP sei zwar gemacht worden. „Aber sobald wir jetzt einen Bauantrag stellen, müssen wir uns nach den energetischen Werten richten, die heute gelten.“ Dann sei die Fassade wieder fällig.

Willy Bartz von der Freien Wählergemeinschaft ist es wichtig, zu betonen: „Wir müssen auch auf die anderen Schulen ein Auge haben. Ich weiß nicht, wo wir das Geld hernehmen sollen?“ Bekanntlich sind alle 34 Schulen im Stadtgebiet sanierungsbedürftig, müssen schlimmstenfalls abgerissen werden oder benötigen Erweiterungsbauten.

„Die Frage, wo das Geld herkommt, werden wir uns ab jetzt fortwährend stellen müssen“, antwortet Meuthen. Die Stadt sei an dem Punkt angekommen, wo sie viel Geld brauche. „Hinter dieser Tatsache können wir uns nicht verstecken. Wir müssen die Probleme lösen und darum kämpfen, die Schulen offen zu halten.“

Ungeklärt ist, ob im Neubau Veranstaltungen stattfinden können

„Baulich und finanziell ist das eine Riesenaufgabe für viele Jahre“, sagt Thore Eggert, Kämmerer und Schulbau-Dezernent. Er wirbt dafür, dass die Politik bereits in der laufenden Sitzung eine Richtungsentscheidung trifft, damit sichergestellt werden könne, ob das Nachbargrundstück als neuer Standort überhaupt geeignet sei. Infrage kommt die Wiese zwischen Parkplatz am Kombibad und IGP – das sogenannte IGp-chen, Schulcontainer, in denen die Fünftklässler unterrichtet werden.

Aber dafür müssen noch einige Fragen geklärt werden. Es fehlt noch ein Bebauungsplan sowie ein Bodengutachten. Es gehe jetzt erst einmal darum, grünes Licht zu geben, die Option Neubau weiter zu untersuchen. Eine endgültige Entscheidung sei damit noch nicht getroffen, erklärt Eggert. Über Standards und Gestaltung des Gebäudes könne man sich später unterhalten.

Robert-Martin Kraus (CDU) möchte wissen, ob in der künftigen IGP wie bisher Kultur- und Karnevalsveranstaltungen möglich seien? „Auch das müssen wir sehr zeitnah erst klären, ob dort kommerzielle Veranstaltungen stattfinden können“, antwortet Meuthen.

Jan Lobermeier, Grüne, hat die Hoffnung, dass sich das Altgebäude als Rotationsschule eignen könnte, in das Schulen, die saniert werden, vorübergehend einziehen könnten. Doch auch daraus wird nichts. „Ich kann das nicht leider nicht mit Ja beantworten“ bedauert Meuthen. Als Hauptgrund nennt sie das Interims-Brandschutzkonzept, das ein Ablaufdatum habe.

Andreas Ebert legt sich für die SPD fest, klar die Neubauvariante zu favorisieren. „Ohne Interimsschule zu bauen, das ist ein großer Vorteil." Rainer Dettmar (Grüne) sieht das ebenso: „Wir sind so weit und können dem Monsterprojekt zustimmen.“

Die CDU jedoch hat angesichts der neuen Informationen noch Beratungsbedarf. Die Entscheidung wird einstimmig in die nächste Sitzung des Schulausschusses am 18. Juni vertagt. Auf Anregung von Helga Kivilip soll dann aufgrund der Tragweite der Entscheidung der Stadtrat das letzte Wort haben.


Woher das Geld kommt

Kämmerer Thore Eggert erklärt, wie die hundert Millionen schwere Schulbauoffensive finanziert werden soll. Als Erstes stellt Eggert klar, dass Schulen über einen Zeitraum von bis zu 80 Jahren abgeschrieben werden dürfen. Das bedeutet, die Schule müsse erstmal fertiggestellt sein. Erst dann werden die Investitionskosten über die Abschreibungsjahre heruntergebrochen und lösen die Belastung des Ergebnishaushaltes aus – wenn die Rückzahlung der Kassenkredite in Raten beginnt.

Im Fall des Neubaus der IGP wäre das in zehn Jahren, so lange wird aktuell die Projektdauer geschätzt. Je mehr Schulen aktiviert sind, desto höher wird aber die Belastung für die Stadt. Teilkosten, wie Rechnungen von Handwerkern, müssen allerdings vorfinanziert werden. Die große Hoffnung sei, dass von dem 500 Milliarden-Infrastruktur-Topf des Bundes auch für den Schulbau etwas verwendet werden dürfe. „Das aus eigener Kraft zu schaffen, ist schwer bis unmöglich“, meint Eggert.

Normalerweise könnte man sagen, wenn gerade so viel aufläuft, verschieben wir einfach einige Projekte in die Zukunft. Dies sei aber laut Eggert auch keine Lösung. Denn dann werde alles viel teurer, weil die Baukosten steigen. Beeinflussen könne man die Höhe der Kosten in Bezug auf die Qualität. Das preisgünstigste Angebot, sei aber oft nicht das wirtschaftlichste, dies müsse bedacht werden. (ub)