Zu Gast im Kreishaus war der NRW-Innenminister bei einer Demokratieveranstaltung für Lehrkräfte aus der Region.
„Wir streiten zu viel“Herbert Reul (CDU) fordert mehr Engagement für die Demokratie bei Fachtag in Gladbach

Den Fragen von Schülerinnen und Schüler aus Rhein-Berg stellte sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU, r.) beim Fachtag.
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Polarisierung, Desinformation, Radikalisierung – es sind Worte wie diese, die viele der großen Debatten unserer Zeit prägen. Die Sorge, dass antidemokratische Kräfte in Deutschland an Macht gewinnen, dass ihre Akteure insbesondere auch Jugendliche über das Internet und Soziale Medien erreichen und beeinflussen, macht auch vor der Schule, vor Lehrkräften nicht halt. Um ihnen Wissen und Werkzeuge an die Hand zu geben, Demokratiebildung stärker in den Schulalltag zu integrieren, hat das Bildungsnetzwerk für den Rheinisch-Bergischen Kreis im Kreishaus den Fachtag „Demokratieförderung in Schulen“ veranstaltet.
Mehr als 130 Personen nahmen an dem Fachtag teil, den der Landrat des Kreises, Arne von Boetticher (CDU), eröffnete: „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“, betonte er. „Wir stemmen uns dagegen, dass die Demokratie ausgehebelt wird.“
Reul sprach über Demokratie und den Rechtsstaat
Auch sein Parteikollege, NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), gesellte sich mit ins Kreishaus und stellte sich einem Interview mit Schülerinnen und Schülern der AG Rechtsextremismus des Gymnasiums Odenthal sowie des Leistungskurses Sozialwissenschaften der Nelson-Mandela-Gesamtschule Bergisch Gladbach. Das Thema: Bedrohungen für Demokratie und Rechtsstaat.
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Auf die Frage, ob und was ihn an der aktuellen Situation besorge, sagte Reul, er empfinde „ein bisschen Unruhe. Die Menschen fangen an, komische Parteien zu wählen.“ Und in Bezug auf Jugendliche, die sich radikalisieren? „Ich glaube, dass junge Leute ein Gefühl dafür brauchen, wie toll unser Rechtsstaat eigentlich ist und wie selten das ist“, so der Innenminister, der im Großen Sitzungssaal zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen stand und von beiden Seiten mit Fragen bombardiert wurde.
Strengere Regulierung im Netz forderte Reul beim Fachtag
Was Reul als Mittel gegen das Erstarken der Rechten sieht? Aufklärung, besonders online. „Je kritischer sich Menschen im Netz bewegen, desto geringer ist die Chance, auf Leute hereinzufallen, die dir Hundefutter verkaufen, obwohl du keinen Hund hast“, führte er weiter aus. Eine etwas wirre Metapher darüber, wie rechte Akteure im Internet agieren, die jedoch zu Applaus seitens der Lehrkräfte im Publikum führte.
Außerdem betonte der Innenminister, dass er es für richtig halte, das Internet stärker zu regulieren und eine Altersbeschränkung umzusetzen. Und er forderte die Anwesenden auf, „nicht alles, was im Netz steht“ zu glauben. Misstrauisch zu sein also.
Wir streiten zu viel über Kleinscheiß. Es braucht kleine Schritte statt dicker Sprüche
Letzteres ließen die Schülerinnen und Schüler jedoch nicht so einfach stehen und hakten noch einmal nach, ob der Politiker nicht vielleicht eine andere Perspektive einnehmen wolle: Misstrauen in Institutionen spalte die Gesellschaft. „Das stimmt, da habt ihr recht. Jetzt muss ich noch mal die Kurve kriegen, habe ja selbst gerade für Misstrauen geworben“, antwortete Reul und überlegte einen kurzen Moment. „Misstrauen ist vielleicht das falsche Wort, aber man sollte hinterfragen. Das ist wichtig.“

Für Demokratie warb auch Landrat Arne von Boetticher (CDU, M.).
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Was die Politik tun kann, um Menschen, die misstrauisch sind und nicht an den Rechtsstaat glauben, wieder von ihm zu überzeugen, wollten die Jugendlichen wissen. „Wir streiten zu viel über Kleinscheiß“, so der Innenminister des Landes NRW. Die Parteien hätten ihre Wählerinnen und Wähler enttäuscht, an vielen Stellen hätten, auch medial, die falschen Diskussionen stattgefunden. „Es braucht kleine Schritte statt dicker Sprüche“, sagte Reul. Probleme konkret benennen und dann in Aktion treten – das gelte nicht nur für die Politik, sondern auch für die Zivilgesellschaft. „Die Menschen müssen auch selbst tätig werden“ und sollten sich für den Rechtsstaat einsetzen.
In Arbeitsforen lernten die Lehrkräfte praktische Beispiele kennen
Neben dem angeregten Gespräch mit dem NRW-Innenminister gab es für die Lehrkräfte aus der Region auch Input in Form einer „Keynote“, also eines Vortrags, von Wolfgang Beutel vom Institut für Didaktik der Demokratie der Leibniz Universität Hannover.
Im Anschluss teilten sich die Teilnehmenden in fünf Arbeitsforen auf. Einige von ihnen sprachen über eine konstruktive Debattenkultur, um die Demokratiekompetenz zu fördern. Andere diskutierten weitere praktische Beispiele, die den Erwerb von Demokratiekompetenzen im Schulalltag fördern sollen. Wieder andere tauschten sich über das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ oder über eine zeitgemäße Erinnerungskultur aus.
Auch Deepfakes und Desinformation waren Thema bei der Veranstaltung
Hinzu kam in einem weiteren Arbeitsforum das Thema Deepfakes und Desinformation. Zwei Mitarbeitende von der Arbeitsgruppe Medienkompetenzrahmen der Medienberatung NRW klärten etwa über gefälschte Videos auf und darüber, was Menschen tun können, wenn sie im Netz auf Desinformationen stoßen. Letztere könnten beispielsweise bei der Medienanstalt des Landes gemeldet werden. Wer unsicher sei, ob eine Aussage im Netz korrekt ist, könne sie außerdem bei vertrauenswürdigen Faktencheck-Websites überprüfen.
„Das heute ist eine wichtige Veranstaltung“, betonte von Boetticher mit Blick auf den Fachtag. Schulen sollen junge Menschen ausbilden, sie zu kritischem Denken ermutigen, ihnen politische Zusammenhänge erklären und eine demokratische Kultur fördern. Demokratie beginnt im Klassenzimmer.
