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Zum Verwechseln ähnlichBergisch Gladbacher Zwillinge feiern ihren 140. Geburtstag

6 min
Zwillingsschwestern Wilma Borghoff und Dr. Renate Vorwerk liegen als Jugendliche am Strand.

Zwillingsschwestern Wilma Borghoff und Dr. Renate Vorwerk feiern ihren 140. Geburtstag und blicken auf ein bewegtes Leben zurück.

Die Zwillingsschwestern Wilma Borghoff und Dr. Renate Vorwerk gleichen sich nicht nur äußerlich. Auch ihre Lebenswege ähneln sich auf faszinierende Weise.

Ein Zwilling kommt selten allein – viele Wendungen im Leben Zwillingsschwestern Wilma Borghoff und Dr. Renate Vorwerk zeigen, dass an dieser Redewendung tatsächlich etwas dran ist.

Ihre Verbindung sei bis heute sehr eng und auch ihre Kinder und Enkel stünden sich nah. Deswegen hätten sie vor ein paar Wochen auch ihren runden Geburtstag mit allen zusammen gefeiert. Die Zwillinge sind zusammen 140 Jahre alt geworden. „Wir haben ein großes Fest im Garten gefeiert. Leider hat es den ganzen Tag geregnet, aber wir hatten Pavillons, damit war es halb so schlimm“, berichtet Borghoff. Nur ein Gruppenfoto mit der „Großfamilie“, wie sie sie nennen, hätten sie bei dem Wetter nicht aufnehmen können.

Die Zwillingsschwestern Wilma Borghoff (l.) und Dr. Renate Vorwerk blicken auf ein bewegtes Leben zurück.

Die Zwillingsschwestern Wilma Borghoff (l.) und Dr. Renate Vorwerk blicken auf ein bewegtes Leben zurück.

Im Gespräch mit dieser Zeitung blicken die Zwillinge auf ein bewegtes Leben zurück und berichten von Plänen und Projekten, die sie auch in Zukunft noch umsetzen möchten.

Sie sahen sich als Kinder und Jugendliche so ähnlich, dass sie „permanent verwechselt“ wurden. Das lag auch daran, dass die Familie nicht so viel Geld hatte und wenn sie Kleidung im Angebot gefunden haben, diese gleich doppelt kauften, berichtet Vorwerk. „Deswegen hatten wir eigentlich immer das gleiche an“, erinnert sie sich.

Obwohl die beiden mittlerweile unterschiedliche Frisuren und Kleidung tragen, werden sie noch heute regelmäßig verwechselt: „Ich werde oft von Menschen gegrüßt, die ich eigentlich nicht kenne. Ich bin dann immer freundlich, damit kein schlechtes Licht auf meine Schwester fällt“, schildert Borghoff.

Bergisch Gladbacher Zwillinge ähneln sich in vielen Bereichen

Doch die beiden gleichen sich nicht nur äußerlich – auch ihre Lebenswege verliefen ähnlich: Nach dem Schulabschluss habe für beide schnell festgestanden, dass sie Physik studieren wollen. „Wir waren gut in Mathe, aber damit hätte eine Laufbahn in der Versicherungsbranche am nächsten gelegen. Darauf hatten wir nicht so viel Lust“, sagt Vorwerk. Borghoff ergänzt, dass sie als Jugendliche oft bei Versicherungen gejobbt und durch diese Erfahrungen einen Beruf in dem Bereich für sich ausgeschlossen hätten.

Also sei es die Physik geworden. Für beide habe es überhaupt nicht zur Debatte gestanden, ein Studium ohne ihren Zwilling anzufangen. „Es war ganz klar, dass wir das zusammen machen“, schildert Vorwerk.

Auf einem Kinderfoto tragen die Zwillinge jeweils einen Blumenkranz und ein weißes Kleid.

Die Zwillinge waren als Kinder und Jugendliche immer gleich angezogen.

Das sei gleich aus mehreren Gründen die richtige Entscheidung gewesen. Zum einen stammten sie aus einer Arbeiterfamilie und konnten sich gemeinsam in der neuen Welt der Akademiker orientieren. „Das Interesse an Physik ist uns nicht in die Wiege gelegt worden. Unser Vater war Dreher. Aber er hat uns immer unterstützt und gesagt, dass wir alles studieren können, was wir wollen“, sagt Borghoff.

Zum anderen sei der Studiengang sehr Männer lästig gewesen. Andere Frauen hätte es kaum gegeben und so seien sie froh gewesen, dass sie wenigstens zu zweit waren.

Bergisch Gladbacher Zwillinge bekommen zweimal Kinder im gleichen Jahr

Besonders wichtig sei ihnen die Unterstützung der Schwester aber in einem Punkt gewesen: Beide sind während des Studiums schwanger geworden. „Damals gab es kaum Betreuungsangebote. Wir konnten uns zum Glück gegenseitig gut helfen“, sagt Borghoff. Das faszinierende: Beide haben 1978 einen Sohn zur Welt gebracht. Und 1980 eine Tochter. „Nur beim dritten Kind hat meine Schwester dann nicht mehr mitgemacht“, sagt Vorwerk und lacht. Die Familie sei mittlerweile ziemlich groß geworden. Zu dieser gehörten sieben oder acht Nationalitäten und auch ihre Enkelkinder seien alle in einem ähnlichen Alter.

Auch im Urlaub in den Bergen gingen sie im Partnerlook.

Auch im Urlaub in den Bergen gingen sie im Partnerlook.

Nach dem Studium hätten sie Führungspositionen ausgeübt. Vorwerk bei der Telekom und Borghoff in der IT bei Ford. Auch in ihrem Berufsleben sahen beide sich wieder mit einem „Männerladen“ konfrontiert. Um dem etwas entgegenzusetzen, hätten sie sich eine Zeit lang in einem Netzwerk für Frauen in Führungspositionen engagiert. Irgendwann seien sie beruflich und privat allerdings so eingespannt gewesen, dass sie die Arbeit für das Netzwerk nicht mehr mit ihren anderen Aufgaben unter einen Hut bringen konnten.

Mittlerweile sind die Schwestern im Ruhestand. Zeit haben sie nun wieder und die nutzen sie für Engagement und neue Projekte: „Meine Freunde hätten sich nicht vorstellen können, dass ich jetzt nur noch in der Ecke sitze und stricke“, meint Borghoff. Sie lerne zwar gerade zu stricken, aber nicht einmal sie trage die Sachen gerne, die sie fertig gestrickt hat.

Kinderfoto der Zwillinge an einem Hügel.

Als Kinder haben die Zwillinge zusammen viele Abenteuer erlebt.

Ihre Tage verbringe sie auch eh viel lieber mit dem Schreiben. Borghoff sitzt aktuell an ihrem achten Buch, sieben hat sie bereits veröffentlicht. Ein Schicksalsschlag führte sie zum Schreiben. „2019 ist mein Schwiegersohn gestorben. Er hatte einen Hirntumor“, berichtet sie. Zu diesem Zeitpunkt seien ihre Enkel neun und zwölf Jahre alt gewesen.

„Ich wollte etwas für sie tun und habe angefangen, ein Buch zu schreiben, in dem es auch um den Tod eines Vaters geht. Seine Tochter trauert sehr, trifft dann aber eine Elfe, die ihr in dieser schwierigen Zeit hilft“, berichtet sie. Das Schreiben habe als Trauerbewältigung angefangen und sie habe bemerkt, dass es ihr auch darüber hinaus Spaß macht. „Ich kann damit meine Kreativität ausüben“, sagt sie. Ihre Bücher hätten alle einen autobiographischen Anteil. Die Ideen dafür schöpfe sie aus ihren Erlebnissen und aus dem, was in ihrer großen Familie so passiert.

Die Zwillinge stehen vor einer Brücke und tragen beige Röcke und rosa Blusen.

Sie reisten als Teenies und junge Erwachsene zusammen - weiterhin gleich gekleidet.

Sie veröffentlicht alle Bücher selbst, ohne Verlag. „Dadurch mache ich auch alles drumherum. Das macht mir großen Spaß“, sagt sie. Geld verdiene sie mit ihren Büchern nicht, das sei auch nicht ihr Ziel gewesen. Die Online-Rezensionen seien größtenteils positiv, trotzdem verkauften ihre Bücher sich nicht so gut. „Das ist schon enttäuschend“, findet sie. Davon lasse sie sich aber nicht entmutigen und schreibe einfach weiter. „Es ist ein tolles Hobby“, meint sie.

Vorwerk sei auf eine andere Weise kreativ, als ihre Schwester. „Ich wollte in meinem Ruhestand gerne noch etwas machen“, sagt sie. Also engagiert sie sich seit sechs Jahren bei der Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes. Dort organisiert sie Veranstaltungen wie Quiz- und Konzertabende, den Kunstbasar, Nachmittage mit einem Zauberer oder Infoveranstaltungen zu Kinderrechten und Rassismus oder die Gefahren der Loverboy-Masche.

Bergisch Gladbacherin will Kindern aktiv helfen

„Ich kann bei der Organisation mitgestalten. Nur Spendensammeln reicht nicht aus. Es muss sich grundsätzlich etwas ändern“, findet sie. Außerdem macht ihr die Arbeit für die Organisation Spaß: „Man trifft viele Leute mit unterschiedlichen Hintergründen. So bekomme ich neue Perspektiven mit und entstehen auch tolle Freundschaften daraus“, sagt sie. Ihr sei es wichtig, dass sowohl die neun aktiven Mitglieder, als auch die Gäste nach einer Veranstaltung nach Hause gehen und sich denken: „Ich habe eine gute Zeit gehabt.“

Neben den Veranstaltungen setze sich Terre des Hommes auch bei der Politik für Kinderrechte ein. „Wir haben an alle demokratischen Parteien einen Appell geschickt, mit der Bitte, in ihren Programmen auch an die Kinder zu denken. Da haben sich dann zehn Organisationen aus Gladbach angeschlossen. Damit hatten wir gar nicht gerechnet und wir haben uns sehr darüber gefreut“, berichtet sie.

Zusammen haben die Zwillinge 140 Jahre voller schöner Erinnerungen, Engagement und Schicksalsschläge erlebt. Und wenn es nach ihnen geht, werden auch die kommenden Jahre nicht langweilig.