Wieder OperationenKrankenhäuser in Rhein Berg fahren Betrieb hoch

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Prostataoperation mit Hilfe eines neuen Verfahrens am Marien-Krankenhaus Anfang des Jahres.

Prostataoperation mit Hilfe eines neuen Verfahrens am Marien-Krankenhaus Anfang des Jahres.

Bergisch Gladbach – Aus der Übung ist Dr. Gideon Schiffer nicht, davon kann keine Rede sein. Denn der Chefarzt der Unfall- und Handchirurgie am Vinzenz-Pallotti-Hospital hat auch in den vielen Wochen immer wieder Notfälle behandelt und operiert. Doch als Ärztlicher Direktor der Klinik ist er froh, dass jetzt auch das „normale“ elektive Programm wieder anläuft. „Wir haben 200 bis 300 Patienten in der Warteschleife, die auf Eingriffe warten“, sagt Schiffer. „Auch Menschen mit Hüft- oder Kniedefekten, mit Karpaltunnelsyndrom, Schäden an der Wirbelsäule oder Leistenbruch haben Schmerzen und warten darauf, dass ihnen geholfen wird. Tumorpatienten haben wir bereits vorher operiert. “

Abgespecktes Programm

Deshalb haben Mitarbeiter der Klinik Patienten, deren Operation aufgrund der Freihaltepflicht für Corona-Fälle verschoben worden war, angerufen. „Viele waren froh, dass wir uns melden, dass wir auf sie zukommen“, berichtet Schiffer.

„Sie hätten vermutlich nicht von sich aus angefragt.“ Andere seien dann doch noch eher vorsichtig gewesen. „Mit gebremstem Schaum“, so drückt es Schiffer aus, werden jetzt in den beiden OP-Sälen hauptsächlich Patienten mit „hohem Leidensdruck“ operiert.

Die Herausforderung ist groß

Es ist im stationären Bereich etwa ein Drittel dessen, was sonst an chirurgischen Eingriffen erfolgt. Ähnliches gilt für den ambulanten OP-Bereich; finden dort normalerweise pro Woche etwa 75 Eingriffe statt, sind es momentan nur 30. „Da ist es einfacher, weil viel mit Regionalanästhesie gearbeitet wird“, sagt Schiffer. „Eine Vollnarkose ist eine größere Herausforderung, weil bei der Inkubation Tröpfchen frei werden, die ja der wichtigste Überträger der Corona-Infektion sind. Dabei müssen die Narkoseärzte besondere Schutzmaßnahmen ergreifen.“

Viel weiter hochfahren möchten die Kliniken das Programm derzeit nicht mehr. Die Herausforderung ist groß. Es muss abgewogen werden. Denn es sollen möglichst keine Patienten die Intensivstationen blockieren, die weiterhin für mögliche Covid-19-Infizierte zur Verfügung stehen müssen. „Wir haben es bis jetzt geschafft, das Virus gut herauszuhalten“, sagt Schiffer. Das gelte für Personal und Patienten. „Das soll auch so bleiben.“

Die Patienten wollen, dass es losgeht

Sichtlich erleichtert über das Anlaufen des Normalbetriebs ist auch Dr. Andreas Hecker, Chefarzt und Ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses (EVK). Seit Inkrafttreten des Ministeriumserlasses letzte Woche sind jene Patienten informiert worden, die auf den Wartelisten beispielsweise für chirurgische, kardiologische oder Magen-Darm-Eingriffe standen.

Auch die Haus- und Fachärzte schreiben wieder Überweisungen. „Man merkt, dass viele Patienten mit den Hufen scharren und endlich wollen, dass es losgeht“, sagt Hecker. Bei manchen merke man auch, dass es „allerhöchste Eisenbahn ist, weil sie lange gewartet haben“. Anfangs sei noch eine gewisse Ängstlichkeit spürbar gewesen, nach dem Motto „Passiert denn auch wirklich nichts?“. Aber jetzt ziehe die Nachfrage deutlich an. Dennoch: Nach wie vor bleiben zwei Stationen im EVK komplett gesperrt für eventuelle Covid-19-Infizierte. Hecker: „Das entspricht auch den ministerialen Auflagen.“

Knappheit an Schutzkleidung hat sich gelegt

Das heißt konkret: Zehn Prozent im Intensivbereich der Kliniken muss weiterhin reserviert sein, zehn Prozent innerhalb von 24 Stunden, weitere zehn Prozent innerhalb von 48 Stunden zur Verfügung stehen, sollte es die berühmte zweite Welle geben. Das Krankenhaus sieht sich gerüstet für diesen Fall. „Wir haben ja eine immense Aufstockung des Personals im Intensivbereich vorgenommen“, erklärt Hecker.

„Die Patienten, die jetzt zu uns kommen, haben glaube ich ein ganz gutes Gefühl“, meint der Chefarzt. Die Knappheit an Schutzkleidung habe sich gelegt, und die Maßnahmen vor der Aufnahme – Interview, Screening, eventuell Abstrich – seien mittlerweile eingespielt. Während andere Krankenhäuser auf ein engmaschiges Testsystem setzen, hält Gereon Schiffer davon eher nichts. Die Tests seien insgesamt zu unzuverlässig, findet er. „Sie wiegen uns in falscher Sicherheit.“ In den GFO-Kliniken, zu denen in Bergisch Gladbach neben dem VPH das Marienkrankenhaus gehört, „zäumen wir das Pferd von hinten auf“, beschreibt der Chefarzt die Strategie. „Wir gehen davon aus, dass jeder infektiös sein kann, und so verhalten wir uns.“ Das Wichtigste seien die konsequente Einhaltung der Hygienerichtlinien und der Abstandsregel.

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Das alles hat mit Normalbetrieb noch nicht viel zu tun. Von den Schlagzahlen vor der Krise ist man weit entfernt. Damit steht auch die finanzielle Zukunft in den Sternen. „Wir wissen ja überhaupt nicht, wie lange uns dieses Virus noch kritisch begleiten wird“, gibt Gereon Schiffer zu bedenken.

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