„Cold case“-Mordprozess vor dem Landgericht Paderborn: Ex-Partnerinnen beschreiben 57-jährigen Angeklagten aus Kürten.
„Ein verschlossener Mensch“Ex-Partnerinnen sagen über wegen Mordes angeklagten Kürtener aus

Der angeklagte Kürtener im Fall um den Mord an Tino W. verbarg sein Gesicht beim Prozessauftakt mit einem Aktendeckel.
Copyright: Ulrich Pfaff
Ein 22 Jahre alter Kriminalfall ist wieder top-aktuell: Vor dem Paderborner Schwurgericht geht es in dem Mordprozess gegen einen 57-Jährigen aus Kürten in der Beweisaufnahme vorrangig um zwei Personen: den Angeklagten und den Toten.
Wie berichtet, steht der Handwerker seit Anfang November in der Domstadt vor Gericht: Er soll im November 2003 in Bad Driburg (Kreis Höxter) seinen Nachbarn ermordet haben – um Tino W. (29) Geld zu stehlen und aus einer feindseligen Haltung gegenüber Homosexuellen. Etliche Zeugen zu dem Vorfall damals hat das Schwurgericht bereits befragt, am vierten Prozesstag sind es frühere Bekannte des Getöteten wie des Angeklagten, auf dessen Spur Anfang diesen Jahres ein erneuter DNA-Test geführt hatte.
Gen-Analyse brachte Kürtener zurück ins Visier der Mordermittler
Seinerzeit war er kurzzeitig in den Fokus der Ermittler geraten, aber diese hatte sich zunächst auf einen Tatverdächtigen „eingeschossen“, der möglicherweise das Produkt überbordender Fantasie oder Eitelkeit war: einen Mann Mitte 30, mit Irokesenschnitt und Nasenring. Den wollte eine Nachbarin im Opel von Tino W. gesehen haben, am Abend bevor die Leiche in W.s Wohnung entdeckt wurde.
Alles zum Thema Cold Case Köln
- Prozess in Dresden Anwältin vor Zschäpe-Aussage: Opferfamilien wollen Antworten
- „Ein verschlossener Mensch“ Ex-Partnerinnen sagen über wegen Mordes angeklagten Kürtener aus
- Gibt es die Licht-Sekte aus dem Frankfurter „Tatort“ wirklich?
- Cold Case Ungeklärter Kindermord - viele Hinweise nach TV-Sendung
- Mord von 1989 Soldat getötet – DNA-Untersuchung in Cold Case
- 35 Jahre nach Mord in Kaserne Polizei Köln bittet ehemalige Bundeswehrangehörige zum DNA-Test
- Mordfall Zeynep I. „Aktenzeichen XY“ erhält spannenden Hinweis zu 39 Jahre altem Kindermord aus NRW
Das auf ihre Angaben hin angefertigte Phantombild war eines, das in keinster Weise W.s Präferenzen entsprochen haben dürfte, wie dessen früherer Arbeitgeber, ein Hotelier aus Brakel, im Zeugenstand berichtete: „So einen Typen hätte Tino nie an sich herangelassen.“ Die Kammer vermutet anhand der gesamten, eher unklaren Aussage der damaligen Nachbarin, dass diese sich nur wichtig machen wollte. Ganz anders die Freunde, die wegen Tino W.s untypischem Verschwinden besorgt in seiner Wohnung nachschauten – und dort ebenso untypische Beobachtungen machten: Diese schilderten dem Gericht, das Bett sei nicht in der gewohnten Weise gemacht gewesen, auch Utensilien in der Wohnung hätten sich nicht an ihrem üblichen Platz befunden – und die W. so wichtigen Haustiere seien unversorgt gewesen. Ebenso auffällig: Auf dem Schrank im Schlafzimmer hätten sich zwei Koffer befunden, obwohl W. angeblich eine Kurzreise angetreten habe – wie es eben jener Nachbar, der jetzt auf der Anklagebank sitzt, damals gegenüber Polizeibeamten geäußert hatte.
Während alle Bekannten von Tino W. diesen als einen liebenswerten, ordentlichen und zuverlässigen Menschen schildern, kommt der 57-Jährige aus Kürten nicht ganz so gut weg. Schon seine damalige Lebensgefährtin, mit der er für einige Monate gemeinsam in der Wohnung über Tino W. gelebt hatte, berichtete an einem vorhergehenden Prozesstag von Misstrauen ihm gegenüber, das schließlich zur Trennung geführt hatte. Auch eine andere Partnerin beschreibt ihn als einen Mann, der während der Beziehung Probleme mit der Wahrheit und der Treue gehabt habe – auch wenn sich der Kürtener nie homophob geäußert habe und ein liebevoller Partner gewesen sei. Seine Ex-Frau, mit der er vier Jahre lang verheiratet war, nennt den 57-Jährigen einen „stillen, verschlossenen Menschen“, der nie über seine Vergangenheit gesprochen, und der sich zum Zeitpunkt des Kennenlernens finanziell in Schwierigkeiten befunden habe.
Der Prozess wird fortgesetzt.

