Willy Fleckhaus, vor 100 Jahren geboren, prägte mit seinem Design eine ganze Generation. Eine nach ihm benannte Straße sucht man vergeblich.
DesigngeschichteErster Art Director Deutschlands lebte mit seiner Familie in Odenthal

Nelly Fleckhaus vor ihrem Elternhaus in Odenthal-Erberich. Das Gebäude ist ein Werk des bekannten Schweizer Architekten Max Bill.
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Manchmal kommen Architekturstudenten vorbei und suchen „Das Fleckhaus“. Denn hier, in einer schmalen, ruhigen Sackgasse in Erberich steht eine Rarität, die gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist. „Das Fleckhaus“ ist eines von nur vier Häusern in ganz Deutschland, die der bekannte Schweizer Architekt und Bauhaus-Schüler Max Bill entworfen hat.
Zudem war es lange das Zuhause des bekannten Grafikers und Designers Willy Fleckhaus, der mit seinem gestalterischen Werk, mit neuen Standards für Layout, Typografie und Fotografie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts neue Maßstäbe setzte. Fleckhaus wäre am 21. Dezember 100 Jahre alt geworden.
„Das Fleckhaus“ wurde behutsam vom neuen Eigentümer modernisiert
Über die Jahrzehnte hat „Das Fleckhaus“ seine ursprüngliche Form weitgehend bewahrt. „Wegen dieser besonderen Gestaltung sind wir überhaupt nur auf das Haus gestoßen“, berichtet der jetzige Bewohner, der sich, wie er sagt, sehr für Grafik und Design interessiert. Entsprechend behutsam habe er das Gebäude modernisiert.
„Die Dämmung haben wir ausschließlich von innen vorgenommen, um das äußere Erscheinungsbild zu bewahren, und die Solarmodule auf dem Dach sieht man nicht“, erklärt er. So sei das Haus, das er in der Bauhaus-Tradition sieht, in der Moderne angekommen. Andere - wie der Fleckhaus-Experte Carsten Wolff – erkennen wegen der Sichtachsen und der Einbettung des Gebäudes in die Natur eher eine konzeptionelle Nähe zu Arbeiten des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright.
Willy Fleckhaus gilt als erster Art Director Deutschlands
Die unbestritten geometrische Dominanz soll dem Haus in Erberich auch schon mal den Namen „Der Schuhkarton“ eingebracht haben. Ob dies beim Erbauer Willy Fleckhaus Freude ausgelöst hätte, darf bezweifelt werden, liebte er doch auch das Üppige. Sicher ist jedoch, dass er sehr bewusst diese Art der Architektur als Zuhause für sich und seine Familie wählte.
Willy Fleckhaus, bis zu seinem Tod mit Max Bill befreundet, war nicht nur gelernter Journalist, sondern vor allem auch ein herausragender Grafiker und Designer und gilt als Deutschlands erster Art Director. Sein gestalterisches Werk ab den späten 1950er Jahren prägte eine ganze Nachkriegsgeneration.
Mit Regenbogenfarben prägte er das Gesicht der Suhrkamp-Edition
Bis heute steckt in manchen Designs noch „Fleckhaus“ drin, manches hat längst Kultstatus. Der Messeauftritt der Photokina erhielt seine Handschrift, auch das damalige WDR-Logo oder das der Aktion „Ein Herz für Kinder“. Zeitungs- und Zeitschriftenverlage griffen auf seine Ideen zurück und der Jahreszeiten-Verlag in Hamburg nutze bis heute den von Fleckhaus gestalteten Schriftzug, so Wolff.

Mit Buchumschlägen in den Farben des Regenbogens prägte Willy Fleckhaus den optischen Auftritt der Suhrkamp-Edition.
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Auch entwarf Fleckhaus die regenbogenbunten Buchumschläge für den Suhrkamp-Verlag. Vom Honorar für dieses unverwechselbare, minimalistische und ausdrucksstarke Design, das lange in jedem Buchladen aus den Regalen leuchtete, baute er „Das Fleckhaus“ in Erberich, erzählt seine Tochter Nelly Fleckhaus.
Der „teuerste Bleistift Deutschlands“ war im Bergischen verwurzelt
Der Mann, der mal als „teuerster Bleistift Deutschlands“ bezeichnet wurde, war im Bergischen tief verwurzelt. 1925 im niederbergischen Velbert geboren, lebte er mit seiner Frau und den vier Kindern ab 1960 in Odenthal. „Altenberg kannte er schon von seiner Zeit in der Katholischen Jugend“, sagt Nelly Fleckhaus.
Beeindruckt habe ihn besonders der Altenberger Dom, allerdings weniger aus religiösen Gründen. „Er war fasziniert davon, dass der Dom genau im Schnittpunkt zweier Täler steht“, erinnert sie sich. Ein Beispiel für die starke visuelle Wahrnehmung ihres Vaters. So wie manchem Komponisten das „totale Gehör“ attestiert wird, so wurde Willy Fleckhaus das „totale Auge“ nachgesagt.
Fleckhaus hatte stets „Bilder im Kopf“
Auch beruflich habe er stets „Bilder im Kopf“ gehabt. „Er sah sofort, welches Foto das beste war und dann ging er keinerlei Kompromisse ein“, erinnert sich seine Tochter, die im Fleckhaus aufgewachsen ist und noch bis 2011, lange nach dem Tod des Vaters 1983, hier gelebt hat. In Haus und Garten betrieb sie lange ein kleines bergisches Kulturzentrum. Heute lebt sie in Freiburg.
Willy Fleckhaus, der Ästhet, habe die Emotion, die Dramatik geliebt, Inhalt und Verpackung hätten aber harmonieren müssen. „Man kann keine Gestaltung unabhängig vom Inhalt machen“, sagt Carsten Wolff, der über Fleckhaus promoviert und bereits 1997 eine Monografie über ihn herausgebracht hat, weil es bis dato keine Publikation über den Gestalter gab.
Der Gestalter verband Rationales mit Sinnlichem
„Fleckhaus war ein Geschichtenerzähler – und er wollte sie mit Bildern erzählen“, erklärt Wolff. „Bilder waren ihm das Wichtigste.“ Sie sollten Gefühle vermitteln, packend sein. Deswegen konnten sie ihm gar nicht groß genug sein. „Er zog sie gerne über Doppelseiten“, so Wolff. Dazu kurze Headlines. Die Verknüpfung von Sinnlichem mit Rationalem.

Willy Fleckhaus gilt als erster Art Director Deutschlands. Lange lebte er mit seiner Familie in Odenthal. Hier ist er auch begraben.
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Als Kinder hätten sie viele Freiheiten gehabt, auch wenn der vielbeschäftigte Vater immer etwas fremd geblieben sei, so die Tochter bei ihrem Besuch in Odenthal. „Er hätte gerne gehabt, dass ich Journalistin geworden wäre, nur nicht Lehrerin“, lächelt Nelly Fleckhaus, die unter anderem als Ausstellungs- und Veranstaltungsberaterin tätig war. Denn Lehrer, die habe er gehasst, sagt sie.
Als Grafiker war Fleckhaus Autodidakt
Und doch wurde Willy Fleckhaus, der nie ein Abitur machte und als Grafiker Autodidakt war, am Ende doch selbst ein Lehrer. Als Professor an der Folkwang-Schule in Essen und an der Bergischen Universität Wuppertal lehrte er im Fachbereich Kommunikationsdesign. Streng wie als Vater soll er auch als Dozent gewesen sein, doch wenn er von einer Person überzeugt war, so Tochter Nelly, dann habe er sich sehr für sie eingesetzt und sie stark gefördert.
Seit er als junger Soldat Italien kennengelernt hatte, liebte er dieses Land. In einem Kloster untergebracht, „hat er den Nonnen eine Druckmaschine gebaut“, berichtet Nelly Fleckhaus. „Wie er das geschafft hat, weiß ich nicht“, sagt sie nicht ohne Bewunderung, aber das Gerät habe getaugt, um eine kirchliche Zeitung zu drucken.
Jahre nach dem Krieg kehrte er zurück und erwarb ein Feriendomizil in der Toskana. Dort erlitt er bei einem Abendspaziergang einen Herzinfarkt und starb im Alter von nur 57 Jahren. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem kleinen Friedhof in Altenberg, hoch oben am Waldrand, wo sich die Natur das Grab nun langsam zurückerobert. Weder in Odenthal noch in seiner Heimatstadt Velbert erinnert bisher eine Straße an Willy Fleckhaus.