Kleine Veränderung, großer EffektRVK rüstet Busflotte neu auf – Urkunde vom Minister

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Ein Blick genügt: Zwischen den Spiegeln ist der Bildschirm, auf den das Bild der Kamera aus dem Toten Winkel übertragen wird.

Ein Blick genügt: Zwischen den Spiegeln ist der Bildschirm, auf den das Bild der Kamera aus dem Toten Winkel übertragen wird.

  • In Eigenproduktion hat der RVK Abbiegeassistenten für seine Busflotte entwickelt.
  • Ein weiterer Schritt im langen Kampf für Technik zur Vermeidung von Unfällen im Toten Winkel.
  • Dafür gab es Post aus Berlin.

Rhein-Berg – Der Blick in die beiden Außenspiegel trügt: alles frei. Wenn Günter Henn jetzt mit dem Linienbus abbiegen würde, könnte das lebensgefährlich werden. Für seinen Kollegen und Leiter der Gladbacher RVK-Niederlassung, Gregor Mauel. Denn der steht im „toten Winkel“, der von beiden Außenspiegeln nicht erfasst wird. Zum Glück und zur Sicherheit hat der Bus der Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) jedoch neben den beiden Spiegeln einen Bildschirm, der via Außenkamera auch den kompletten „Toten Winkel“ erfasst und dem Busfahrer deutlich zeigt, das ein Mensch direkt neben dem Bus steht.

Tödliche Unfälle im Toten Winkel

Etwa ein Drittel der jährlich im Straßenverkehr tödlich verunglückten Radfahrer sind von abbiegenden Fahrzeugen über- oder angefahren worden. Das hat eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bensberg ergeben. Fazit: Das Problem sei hauptsächlich der oft nicht einsehbare „Tote Winkel“.

Erst am 28. Februar war ein Fahrradfahrer in Schildgen ums Leben gekommen, nachdem er von einem abbiegenden Lastwagen erfasst worden war. In den Gremien des Kreises hatten Politiker danach Abbiegeassistenten für Busse gefordert. Die RVK hatte da ihre Nachrüstung bereits abgeschlossen. (wg)

Ein selbst entwickelter Abbiegeassistent, mit dem die RVK als Vorreiter im Land ihre Busflotte nachrüsten ließ und damit sogar gerade zum Sicherheitspartner des Bundesverkehrsministeriums ernannt worden ist. Denn die RVK hat noch weit vor dem bundesweiten Förderprogramm für Abbiegeassistenten an Lastwagen und Bussen in Eigeninitiative mit der Entwicklung der Sicherheitstechnik begonnen – und mittlerweile laut Geschäftsführer Eugen Puderbach rund 300 Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten ausgerüstet.

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Technik zur Vermeidung von Unfällen

„Vor anderthalb Jahren hat sich der ADFC (Allgemeine Deutsche Fahrradclub) an uns gewandt“, erinnert sich RVK-Geschäftsführer Eugen Puderbach. Der Verband kämpft schon seit langem für Technik zur Vermeidung von Unfällen im Toten Winkel, wie er jüngst erst einen Radfahrer in Schildgen beim Unfall mit einem Lastwagen das Leben gekostet hat (siehe „Tödliche Unfälle im Toten Winkel“).

Eine kleine Kamera an der Buslängsseite zeigt den Toten Winkel.

Eine kleine Kamera an der Buslängsseite zeigt den Toten Winkel.

„Wir haben mit unseren Technikern und den Busfahrern gesprochen und aus handelsüblichen Bauteilen einen eigenen Abbiegeassistenten entwickelt“, sagt Puderbach. „Es kommt ja darauf an, dass man auch was Vernünftiges hat, mit dem man arbeiten kann“, so der RVK-Geschäftsführer. „Wir haben das in Meckenheim ausprobiert, bis dat Dingen ordentlich war.“ Dazu gehört auch, dass der Monitor der kleinen Außenkamera, die draußen an der Längsseite des Busses montiert wird, direkt bei den Spiegeln angebracht wird. So kann die Busfahrerin oder der Busfahrer beides gleichzeitig im Blick haben.

Urkunde und Projektaufkleber aus Berlin

In den eigenen RVK-Werkstätten wurden daraufhin laut Puderbach sämtliche Busse ab Baujahr 2011 nachgerüstet. „Neue Fahrzeuge, wie die Wasserstoffbusse, sind ja ohnehin schon seit 2018 immer gleich mit Abbiegeassistent bestellt worden“, erläutert Puderbach. „Anfang Oktober waren wir auch mit den Nachrüstungen durch.“ Auf die Zuschüsse des neu aufgelegten bundesweiten Förderprogramms brauchten sie gar nicht mehr zu warten. Erstens war die Eigenkonstruktion mit knapp 600 Euro pro Fahrzeug günstiger, und zweitens hätte man bei Nutzung des Förderprogramms nur eine begrenzte Menge Busse pro Jahr nachrüsten können.

Wupsi rüstet ebenfalls schrittweise um

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der rund 170 Linienbusse der Wupsi, des zweiten Verkehrsunternehmens mit rheinisch-bergischer Beteiligung, sind ebenfalls bereits mit Abbiegeassistenten unterwegs. Das hat Wupsi-Sprecherin Kristin Menzel auf Nachfrage mitgeteilt.

In den Wupsi-Gremien sei die Beschlusslage aktuell so, dass alle Neufahrzeuge sofort mit Abbiegeassistenten bestellt und über das bundesweite Förderprogramm Fahrzeuge aus dem Bestand nachgerüstet würden, so die Wupsi-Sprecherin. Zehn Nachrüstungen werden so pro Jahr gefördert. Zehn der 34 Wupsi-Busse mit Abbiegeassistenten wurden auf diese Weise nachgerüstet. 2019 begann die Wupsi mit der Ausrüstung ihrer Busse. „Demnach benötigen wir noch fünf bis sechs Jahre, bis alle Busse ausgestattet sind“, erläutert die Wupsi-Sprecherin.

Wenn entsprechende politische Beschlüsse bei den Eigentümern der Wupsi gefasst würden (neben dem Rheinisch-Bergischen Kreis gehört auch die Stadt Leverkusen dazu, d. R.), könne die komplette Nachrüstung mit Abbiegeassistenten auch in kürzerer Zeit umgesetzt werden, so die Wupsi-Sprecherin. (wh)

Post aus Berlin gab’s jetzt trotzdem. Von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Dem war die Eigeninitiative im Rheinland nämlich nicht verborgen geblieben. Daher zeichnete er die RVK als Sicherheitspartner des Bundesverkehrsministeriums aus. Neben einer Urkunde gab’s auch Projektaufkleber für die Busse – Aufschrift: „#Ich hab den Assi“.

Auch andere will die RVK von Abbiegeassistenten überzeugen.

Auch andere will die RVK von Abbiegeassistenten überzeugen.

Es gehe vor allem auch darum, Nachahmer zu finden

Für RVK-Geschäftsführer Puderbach eine gute Gelegenheit, Flagge zu zeigen. Für ihn gehe es vor allem auch darum, Nachahmer zu finden, sagt er. „Als kommunales Unternehmen hat man auch eine Vorbildfunktion“, so Puderbach. „Und wir sind in sechs Landkreisen unterwegs.“ Auch Speditionen und andere Fuhrparkbetreiber könnten ihre Fahrzeuge leicht nachrüsten, ist der RVK-Geschäftsführer überzeugt. Bereits seit Ende 2013 hat die RVK zudem vorbeifahrende Radfahrer auf den Toten Winkel von großen Fahrzeugen aufmerksam gemacht: mit einem farbigem Piktogramm „Achtung: Toter Winkel“ am Heck ihrer Linienbusse.

Auf dem Bildschirm des Abbiegeassistenten (rechts) sieht der Busfahrer den Menschen im Toten Winkel, den seine Spiegel (links) nicht abdecken.

Auf dem Bildschirm des Abbiegeassistenten (rechts) sieht der Busfahrer den Menschen im Toten Winkel, den seine Spiegel (links) nicht abdecken.

Auch die Änderung der Straßenverkehrsordnung, der zufolge alle Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen innerorts seit der vergangenen Woche nur noch in Schrittgeschwindigkeit rechts abbiegen dürfen, soll dazu beitragen, Unfälle im Toten Winkel zu reduzieren. Einen wirklichen Blick in den Toten Winkel allerdings können wohl nur technische Lösungen wie Abbiegeassistenten ermöglichen. Und der komme auch bei den Fahrern gut an, weiß RVK-Disponent Günter Henn am Bussteuer und winkt RVK-Niederlassungsleiter Gregor Mauel neben dem Bus zu. Dank Kamera und Monitor kann er sich dort nicht im Toten Winkel verstecken.

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