StatistikSo hoch sind die Schulden der Bürger in Rhein-Berg

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Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler 2013.

Ein historisches Foto: Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler 2013. Das NRW-Landesamt hat die aktuellen Schulden der Kommunen ausgerechnet.

Die Statistik des Landesamts ist mit Vorsichtig zu genießen. Wir erklären, was sie aussagt – und was nicht.

Vom Statistischen Landesamt in Düsseldorf gibt es fast täglich aktuelle Zahlen zu allen denkbaren Themen. Wie viele Scheidungen gibt es, wie viele Kühe, wie viele Geburten – das Spektrum ist riesig. Und es gibt auch Zahlen zu den Schulden der Kommunen und Kreise in Nordrhein-Westfalen. Die Statistiker haben ausgerechnet, dass sich Ende 2022 in allen Kernhaushalten zusammen 47,6 Milliarden Euro Schulden angesammelt haben. Das seien 1,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Rein rechnerisch beträgt die Verschuldung durch diese Schulden pro Kopf 2636 Euro – 2021 waren es 2623 Euro. Für jede Kommune wird die Entwicklung einzeln ausgewiesen. Aber die Zahlen sind erklärungsbedürftig.

Wie sieht es im Rheinisch-Bergischen Kreis aus?

Mit Blick auf die Kreisverwaltung erst einmal glänzend. 4,3 Millionen Euro Schulden werden ausgewiesen – das sind 15 Euro pro Einwohner. Der Kreis ist praktisch schuldenfrei. Die Stadt Bergisch Gladbach hat laut den Düsseldorfern Statistikern 315 Millionen Euro Schulden. Jeder Gladbacher hat über den Haushalt 2801 Euro Schulden.

Ist das viel?

Durchschnittlich sind es in NRW ja 2636 Euro. Da liegen die Menschen in Bergisch Gladbach also darüber. Aber im Vergleich zu Oberhausen (9336 Euro) ist es relativ wenig. Im Rheinisch-Bergischen Kreis hat die Stadt Overath mit 4917 Euro die höchste Verschuldung pro Kopf. In Kürten liegt die Verschuldung pro Kopf bei 900 Euro. In Rösrath – einwohnerzahlmäßig auf Augenhöhe mit Overath – sind es nur 2 540 Euro.

Wie aussagekräftig sind diese Zahlen?

Je kleiner eine Kommune, desto niedriger das Haushaltsvolumen und dementsprechend niedrig fällt die pro Kopf Verschuldung aus. Also Kürten mit Gladbach zu vergleichen macht keinen Sinn. Die Unterschiede zwischen Rösrath und Overath sind auffallend.

Wird also in Rösrath besser mit dem Geld umgegangen?

Das sieht erst mal so aus. Muss aber nicht so sein. Wir kommen jetzt zu den Schwächen der Statistik aus Düsseldorf. Wir wissen ja nicht, wie die Zahlen erhoben wurden. Und schauen wir noch einmal nach Bergisch Gladbach. Da sticht eine Zahl heraus. Gegenüber dem Vorjahr ist das Kreditvolumen um stolze 132 Prozent angestiegen. Ein absoluter Spitzenwert. Den sich Gladbachs Kämmerer Thore Eggert nur dadurch erklären kann, dass der städtische Immobilienbetrieb in den Kernhaushalt überführt worden ist. Alle Kredite für Schulsanierungen und -neubauten werden jetzt im Kernhaushalt abgebucht. Es ist also die Art und Weise der Buchung, die eine Veränderung ausmachen kann. Und die niedrige Verschuldung des Kreises hängt zum Beispiel damit zusammen, dass sich der Kreis über Umlagen finanziert – wenn er Geld braucht, muss er keine Schulden aufnehmen, sondern holt es sich über die Umlage von den Kommunen. Kreis und Kommunen kann man nicht vergleichen.

Gibt es noch weitere Schwächen?

Ja. Und auch die hat etwas mit der Erfassung zu tun, die hinter den Zahlen steht. Wenn eine Kommune eine Immobilie kauft, dann kommt es darauf an, wie das gebucht wird. Schauen wir mal auf Zanders. Die Stadt hat die gesamte Immobilie für einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag gekauft. Und das in der Niedrigzinsphase. Gegenüber den Aufsichtsbehörden war der Kauf „sofort rentierlich“. Es wurde zwar ein Kredit aufgenommen, aber in den Büchern steht dem ein viel höherer Wert gegenüber. Platt ausgedrückt, hat die Stadt ein gutes Geschäft gemacht und ihre Schuldenlast gesenkt. So ähnlich war das übrigens auch beim Kauf der Belkaw-Anteile. Durch den Kauf – so die Rechnung der Stadt – fließt mehr Geld in den Haushalt, als für Zins und Tilgung ausgegeben werden muss.

Was ist denn mit dem in Bergisch Gladbach praktizierten Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren?

Auch so eine Buchungsgeschichte. Faktisch fließt kein einziger Cent zusätzlich in die Stadtkasse. Aber durch das Hin und Her zwischen eigenständigen Gesellschaften und Stadt erhöht sich dessen Vermögen – zumindest auf dem Papier. Und als Folge steht mehr Geld zur Verfügung. Wie das die Statistiker in Düsseldorf berücksichtigt haben, ist nicht klar.

Welchen Wert haben denn dann die Finanz-Statistiken aus Düsseldorf?

Sie sind auf jeden Fall mit Vorsicht zu genießen. Es gibt übrigens auch andere Portale, die die Finanzen der Kommunen vergleichen. Etwa „Wegweiser Kommune“. Dort werden sehr benutzerfreundlich die Zahlenkolonnen ordnen. Dumm nur, dass sich die Zahlen unterscheiden. Denn im Wegweiser beträgt die Verschuldung pro Kopf in Bergisch Gladbach nur 1205 Euro – bei den Düsseldorfer Statistikern sind es 2801 Euro.

Völlig unklar, wie dieser erhebliche Unterschied bei den Zahlen zustande kommt, mit welchen Zahlen gerechnet wurde. Es ist wahrscheinlich tatsächlich so, wie es Gladbachs Kämmerer Eggert sagt: „Die Zahlen sind alle sehr interessant und zeigen sicher eine Tendenz, aber entscheidend ist für mich erst einmal der Abschluss meines Haushaltes. Wie hoch ist das Defizit, das es auszugleichen gilt?“

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