„Noch einmal etwas Neues machen“Was Rhein-Bergs Landrat Stephan Santelmann bestärkt hat, aufhören zu wollen

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Landrat Stephan Santelmann sitzt an einem Tisch im Kreishaus am Rübezahlwald in Bergisch Gladbach und spricht.

Wie er die Reaktionen auf seine Rückzugsankündigung erlebt hat und was er bis zur Kommunalwahl 2025 noch auf der Agenda hat, sagt Landrat Stephan Santelmann (58) im Interview.

Was will er bis zu seinem Abschied 2025 noch machen? Darüber spricht Rhein-Bergs Landrat Stephan Santelmann (CDU) im Interview.

Stephan Santelmann ist seit  2017 Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises. Über seine Entscheidung, nicht erneut kandidieren zu wollen, und das, was bis dahin noch ansteht, hat Guido Wagner mit dem 58-Jährigen gesprochen.

Mit Ihrer Ankündigung, 2025 nicht erneut als Landrat zu kandidieren, haben Sie viele Menschen überrascht. Wie lange haben Sie sich diesen Schritt überlegt?

Stephan Santelmann: Im Herbst hatte ich ja angekündigt, mich Anfang des Jahres zu der Frage zu erklären. Der Entschluss ist schon über einige Wochen gereift. Für mich ist das die Gelegenheit, noch einmal etwas Neues zu machen, das kann ich mir gut vorstellen. Und ich fühle mich in den letzten Wochen auch bestärkt darin, dass es der richtige Schritt ist und eine gute Entscheidung war.

Wie waren die Reaktionen?

Viel Anerkennung, Dank, auch Bedauern. Das ändert aber nichts daran, dass mich das in meiner Entscheidung nochmal bestärkt hat. Aber jetzt geht es erstmal darum, das anzugehen, was wir noch zu tun haben. Ich bin keiner, der jetzt die Hände in den Schoß legt. Und wir haben da eine ganze Menge vor der Brust und ich habe weiterhin Freude an meiner Aufgabe als Landrat

Welche Rolle hat für Ihre Entscheidung die   von CDU und Grünen am Ende zurückgezogene Abschaffung des Kreisdirektor-Postens gespielt?

Die Frage des Kreisdirektors war eine politische Fragestellung, in der ich mich zurückgehalten habe. Das war ein Anliegen der Koalition von CDU und Grünen. Ich wäre ins Spiel gekommen, wenn es um die Frage eines Allgemeinen Vertreters gegangen wäre. Es ist gut, dass jetzt zu vielen Fragen Klarheit besteht und frühzeitig Entscheidungen getroffen wurden.

Inwiefern?

Wir wissen wie die Verwaltungsspitze aufgestellt ist und auch die Führung der CDU-Kreistagsfraktion. Im Übrigen war die Einführung des Querschnittsdezernats, mit Markus Fischer als Dezernent an der Spitze, eine wichtige Voraussetzung, um die Leistungsfähigkeit der Kreisverwaltung zu erhalten, ganz losgelöst von der Frage des Kreisdirektors. Diese Umstrukturierung haben wir in einem Organisationsprozess mit der gesamten Verwaltungsspitze erarbeitet, um die Themen von Personal, IT, Vergaben, Gebäuden und Räumen in einem Dezernat zu bündeln.

In der „kommunalen Familie“ hat es aber ja auch heftig gekracht. Dass Kommunen eine Rechtsanwaltskanzlei einschalten, um die Frage der Aufstellung des Kreishaushalts mit der von den Kommunen zu tragenden Kreisumlage klären zu lassen, gab's jedenfalls bislang noch nicht.

Die Fragestellung, die die Kommunen mit juristischer Beratung aufgeworfen haben, nämlich in welchem Verfahren die Aufstellung eines Kreishaushalts mit den Städten und Gemeinden abgestimmt wird, ist in Nordrhein-Westfalen nicht juristisch geklärt. Das ist eine Frage, die meines Erachtens geklärt werden muss. Daran haben wir als Kreis auch ein Interesse. Im Verfahren haben die Kommunen weitreichende Beteiligungs- und Informationsrechte, denen wir vollständig nachkommen.

Eine neue Aufgabe, die der Kreis für die Kommunen übernommen hat, war die Übernahme der Berufskollegs. War das notwendig?

Ja, mit der Auflösung des Berufsschulzweckverbands fiel dem Kreis die gesetzliche Aufgabe der Schulträgerschaft für die Berufskollegs zu.

Luftbild aus 300 bis 400 Metern Höhe von den Berufskollegs und der umgebenden Bebauung in Bergisch Gladbach-Heidkamp.

Das kaufmännische Berufskolleg (oben) und das gewerbliche Berufskolleg Bergisch Gladbach liegen beiderseits der Bensberger Straße in Bergisch Gladbach-Heidkamp.

Da gibt's ja aber auch einigen Sanierungsstau bei den Berufskolleg, ist das nicht eine enorme zusätzliche Belastung?

Da sind wir mit der Stadt Bergisch Gladbach dran. Ziel ist es ja, einen Standort auf dem Zanders-Gelände zu realisieren, was natürlich auch für die Belebung dieses neu entstehenden Stadtteils sehr positive Auswirkungen haben dürfte. Das ist ja auch ein Zeichen an die Wirtschaft für den ortsnahen Standort des Berufskollegs. Dasselbe gilt übrigens für die Sanierung und Erweiterung der Förderschulen in unserer Trägerschaft – da sind wir auch dran. Der Bedarf hat da unheimlich zugenommen.

Was sind Ziele, die Sie in diesem Jahr und Ihrer Amtszeit bis 2025 noch umsetzen möchten?

Die Regionale 2025 eröffnet noch große Chancen, wenn Sie sich nur allein mal das Zanders-Areal ansehen, den größten Konversionsprozess, also die neue Nutzung eines vormaligen Industriegeländes, in ganz Nordrhein-Westfalen. Das wird auch noch weit über 2025 hinaus wirken: ob es die Entstehung eines Bürgerzentrums, eines Bildungscampus oder einer ganzen „neuen Altstadt“ ist. Sie brauchen immer so ein kleines Feuer wie die Regionale, das in der Region wirkt.

„Das betrifft ja dann auch das Projekt der Bergischen Wasserkompetenzregion Aqualon, oder?“

Sicher, das ist eins meiner wichtigsten Anliegen. Denn Wasser ist ein ganz zentrales Thema hier. Und es wäre gut, wenn die Expertise, die wir hier haben, auch landesweit genutzt werden könnte, beispielsweise als Landeswasserkompetenzzentrum. Wupperverband und Kreis haben das Projekt gerade auch personell aufgestockt. Seit dem 1. März gibt es jetzt auch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, die den Qualifizierungsprozess zu Aqualon 2.0 mit vorantreibt.

Zwei Frauen stehen an einem interaktiven Modell in der Wasserausstellung des Vereins Aqualon an der Großen Dhünn-Talsperre.

Die interaktive Ausstellung an der Großen Dhünn-Talsperre ist eines der jüngsten Projekte des Vereins Wasserkompetenzregion Aqualon.

Gute Kontakte ins Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz dürften Sie ja jetzt haben, seitdem Ihre Umweltdezernentin Elke Reichert an die Spitze des Lanuv gewechselt ist, oder?

(lächelt) Ja, sicher. Für die kommunale Ebene ist es natürlich Gold wert, dass eine Präsidentin dort arbeitet, die die Sichtweise und Probleme der Kommunen ganz genau kennt. Sie kennt Aqualon natürlich auch aus dem Effeff, aber auch Staatssekretär Viktor Haase und NRW-Umweltminister Oliver Krischer sind schon hier gewesen. Doch, wir hoffen schon, dass wir mit dem Projekt auch beim Land bekannt sind und noch mehr Verantwortung übernehmen können.

Der Wechsel von Elke Reichert zum Lanuv ist aber auch ein Verlust für die Kreisverwaltung und nicht der einzige Wechsel...

Ja, sicher, das reißt ein Loch, aber gerade auch die schnelle Nachbesetzung anderer Stellen zeigt doch auch, dass es doch gar nicht so schlecht sein kann, bei der Kreisverwaltung zu arbeiten, wir finden immer noch schnell neue und fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber der Fachkräftemangel ist natürlich auch bei uns ein Problem, wie überall in Deutschland. Das stimmt.

Was haben Sie sich für 2024 vorgenommen?

Die Quartierstagung, bei der wir die Kommunen bei ihrer Aufgabe der Quartiersentwicklung unterstützen, hat ja bereits stattgefunden. Wir haben uns da gemeinsam auf den Weg gemacht, die Quartiere und die Versorgung vor Ort zu stärken, weil das ein wichtiger Punkt ist auch für den sozialen Zusammenhalt. Dann wird die Pflege weiterhin ein wichtiges Thema sein. Wir haben in Abstimmung mit den Kommunen eine Seniorenbefragung durchgeführt, aus der wir uns wichtige Erkenntnisse zu den Bedürfnissen von Wohnen bis Versorgung versprechen. Wir sind eben einer der ältesten Kreise im Land. Da ist die Versorgung wichtig, aber auch die Unterstützung der Familien, die ihre Angehörigen pflegen. Und dann wollen wir nochmal verstärkt auf die neuen Angebote im ÖPNV aufmerksam machen. Schließlich bleibt die Verkehrssituation weiter sehr angespannt. Ob Ausbau des Busverkehrs, Mobilstationen oder andere neue Angebote – es ist viel passiert in den vergangenen Jahren, aber wir müssen die Menschen noch stärker auf die neuen Angebote hinweisen.

Der Gesamtzuschussbedarf im ÖPNV durch den Kreis liegt mittlerweile bei über 20 Millionen Euro pro Jahr. Kritiker sagen, das ist zu viel oder zumindest, dann muss es auch angenommen werden . . .

Sicher werden wir auch auf die Fahrgastzahlen schauen müssen. Und wir werden künftig natürlich nicht nur auf Busse setzen, sondern auch Auf-Abruf-Verkehrsmittel wie das „Efi“, das heute schon in Odenthal, Bechen, Dabringhausen und Teilen von Leverkusen im Einsatz ist, stärker als Zubringer einsteuern. Die Frage ist immer: Was brauchen die Menschen?

Und die Frage: Was können die Städte und Gemeinden über die Kreisumlage finanzieren?

Da sprechen Sie die Frage an, mit der wir uns ja jetzt auch noch einmal intensiver als je zuvor auseinandersetzen.

Landrat Stephan Santelmann sitzt an einem Tisch im Kreishaus am Rübezahlwald in Bergisch Gladbach und lächelt in die Kamera.

Was er nach seiner Amtszeit als Landrat machen möchte, lässt Stephan Santelmann (58) noch offen.

Welche Aufgabe würde Sie denn nach der Zeit als Landrat noch einmal reizen?

Dazu können wir uns gerne bei der nächsten Gelegenheit noch einmal unterhalten. Ich bin ja erst einmal noch einige Zeit da, und da werde ich mich mit ganzer Kraft meiner Aufgabe als Landrat widmen.

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