AusstellungGesellschaftskritik mit der Nähnadel

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Karen Farmer aus London hat für ihren Quilt „Blues Festival“ selbst Farben gemischt. So ist jedes Stück Stoff einmalig.

Karen Farmer aus London hat für ihren Quilt „Blues Festival“ selbst Farben gemischt. So ist jedes Stück Stoff einmalig.

Dormagen-Zons – Quilt-Decken bestehen aus vielen kleinen Stofffetzen, die ordentlich und mit viel Arbeit durch Steppstiche aneinandergenäht werden. Doch Quilts sind nicht nur schöne Wohnungs-Accessoires – sie können auch Kunst sein. Im Kreismuseum Zons ist zurzeit eine Quilt-Ausstellung zu sehen. Die gezeigten Kunstwerke sind Teil eines Wettbewerbs, der fünften Europäischen Quilt-Triennale, die alle drei Jahre in Heidelberg stattfindet und danach als Wanderausstellung nach Zons kommt. „Die Triennale ist der einzige Jury-Wettbewerb in Europa, der mit Preisgeldern versehen ist“, erklärt Angelika Riemann, Leiterin des Museums.

Den größten mit 5000 Euro dotierten Doris-Winter-Gedächtnis-Preis hat in diesem Jahr die Berlinerin Rosa Dames gewonnen. Sie hat aus weißem Stoff einen beinahe unscheinbaren Quilt geschaffen. Auf Seide hat sie per Zufall verschiedene Fäden verstreut, die sie später mit Steppstichen befestigt hat. „Diese Arbeit ist sehr provozierend“, erklärt Riemann. Quilten sei eine sehr reglementierte Kunstrichtung. Die Künstler müssten zunächst alle Techniken beherrschen, bevor sie überhaupt den Sprung zur Kunst machen könnten. Dass Dames bei ihrem Werk zwar den Steppstich einsetze, sich jedoch nicht verschiedener Stoffstücke bediene, empfindet Riemann als „künstlerische Freiheit“.

Insgesamt sind 42 Arbeiten aus 14 europäischen Nationen zu sehen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Von fast schon traditionellen Quilts in klaren Mustern und bunten Farben bis hin zu eher expressionistischen Kunstwerken wie dem Gewinnerquilt reicht die Spannbreite. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie eine Aussage vermitteln. „Das ist Kunst, die berührt“, findet Riemann. Jutta Kohlbeck etwa thematisiert mit ihrem Quilt den deutschen Überwachungsstaat. Auf einem schön gemusterten schwarz-weißen Hintergrund sind unendlich viele Augen zu sehen, die einen aus allen Blickwinkeln zu betrachten scheinen. Cas Holmes zeigt einen auf den ersten Blick typisch britischen Quilt im Landhausstil, auf dem jedoch bei genauerem Hinsehen eingesteppte Bienen und Straßenkarten auffallen. Mit ihrem Werk „Vermessung der Bienen“ kritisiert sie das Bienensterben in Großbritannien. Und Brigitte Kopp zeigt einen aufrüttelnden Quilt in 3D, der von vorne ein idyllisches Traumhaus mit roten Rosen vor dem Fenster zu sein scheint. Beim Blick in das „Haus“ hinein offenbaren sich jedoch Szenen des häuslichen Missbrauchs. Alle Werke erhalten durch die Zusammensetzung der Stoffe und das beabsichtigte Setzen der Steppstiche eine individuelle Struktur.

Das Zonser Museum entführt auf ganz wunderbare Weise in eine Sparte der modernen Textilkunst, die häufig in Vergessenheit gerät. Auch Kinder haben hier definitiv ihren Spaß: Gemeinsam mit „Felix Faden“ können sie eine Rallye durch die Ausstellung machen – und sogar etwas gewinnen. Die Ausstellung ist noch bis zum 7. April geöffnet, immer dienstags bis freitags, 14 bis 18 Uhr, samstags und sonntags, 11 bis 18 Uhr. Öffentliche Führungen: Sonntag, 24. Februar, 11.15 Uhr; Mittwoch, 13. März, 14.30 Uhr. Kreismuseum Zons, Schlossstraße 1 ☎02133/53020

www.kreismuseumzons.de

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