Beschlossene Umbauten werden Menschen mit Rollstuhl ermöglichen, von einem Gleis zum anderen kommen. Aber es gibt Kritik.
Kritik der SHG HandicapBarrierefreiheit des Bergheimer Bahnhofs lässt auch nach Umbau Wünsche offen

Die Visualisierung der Stadtwerke zeigt, wie der Bahnhof nach den Maßnahmen aussehen könnte.
Copyright: Stadtwerke Bergheim
Der Bahnhof in Bergheim sorgt schon seit Jahren für Debatten über mangelnde Barrierefreiheit. Doch auch jetzt, nachdem die Deutsche Bahn nach langen Verzögerungen grünes Licht für Umbaumaßnahmen gab, ebben die Diskussionen nicht ab.
Bisher ist der Weg von einem Gleis zum anderen nur über eine wenig einladende Treppe zu erreichen. Jetzt will die Kreisstadt neue Treppen und zwei barrierefreie Aufzüge bauen, um von einer Seite zur anderen zu kommen. Wer aber weder Treppe noch Aufzug nutzen kann, wird nur eine Alternative haben: Eine ebenfalls neu zu errichtende Rampe, die nach bisheriger Planung eine Steigung von 12,6 Prozent haben wird. Barrierefrei wäre diese erst, wenn sie höchstens sechs Prozent Steigung hätte.
Bergheim: SHG Handicap kritisiert zu steile Rampe
Dabei hatte das Ingenieursbüro Schwietering noch zwei Varianten geprüft. Ein Vorschlag des Grünen Fraktionsvorsitzenden Peter Hirseler hätte eine Rampe vorgesehen, die mit sechs bis acht Prozent Steigung ausgekommen und damit auch für Menschen mit Rollstuhl oder Rollator besser zu bewältigen gewesen wäre.
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Bisher führt der Weg von einem Gleis auf das anderen nur über eine Treppe. Aufzüge und eine Unterführung sollen Abhilfe schaffen.
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Dieser Vorschlag wäre zwar auch nicht barrierefrei gewesen, war aber die klare Präferenz der SHG Handicap, einem Verein, der sich in Bergheim für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzt. „Ich habe damals allen zuständigen Leuten gesagt: Ich wäre auch mit sieben Prozent zufrieden“, sagt Stefanos Dulgerakis von der SHG Handicap. „Schlimmstenfalls acht, wenn es nicht anders geht.“
Weniger steile Rampe hätte mehr Grundstück der DB beansprucht
Warum entschied sich die Stadt also gegen diese Variante? Mit weniger Steigung hätte die Rampe mehr Platz gebraucht. Laut einem Dokument des Ingenieursbüros Schwietering hätte sie den Mindestabstand zu Leitungen der DB stärker unterschritten als mit der gewählten Variante, und hätte auch mehr Bahngrundstück, nämlich 60 statt 30 Quadratmeter beansprucht.
Der Integrationsrat und der Planungsausschuss hätten die Varianten diskutiert und sich im November 2022 für die städtische Planung entschieden, so Bürgermeister Volker Mießeler zu der Kritik des Grünen Fraktionsvorsitzenden Hirseler. „Zu meinem Demokratieverständnis gehört auch, dass derart demokratisch getroffene Entscheidungen akzeptiert werden und nicht ständig infrage gestellt werden, selbst wenn sie nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen“, so Mießeler.
Auch Chrisoph Schwietering, Geschäftsführender Gesellschafter des zuständigen Ingenieursbüros, erklärte auf Anfrage dieser Redaktion, dass andere Varianten zu deutlich mehr Inanspruchnahme des Bahngeländes geführt hätten. „Die richtlinienkonforme, barrierefreie Erschließung ist über die Aufzüge gewährleistet.“ Mit dem zweiten Aufzug sei die Richtlinie sogar übererfüllt.
Peter Hirseler verteidigt seine Variante
Weitere Argumente gegen Hirselers Vorschlag waren, dass seine Variante einen Angstraum produziert hätte und die Rampe ebenfalls nicht barrierefrei gewesen wäre. Peter Hirseler hielt dem in einer Stellungnahme entgegen, dass auch die geplante Unterführung mit den Aufzügen ein Angstraum darstelle. Zudem sei eine Steigung von durchschnittlich 7,4 Prozent immer noch besser als 12,6 Prozent.

Die Umbaumaßnahmen beziehen sich auf die zum Intro gelegene Seite, in Fahrtrichtung Bedburg.
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Im Dokument des Ingenieursbüros ist auch festgehalten, dass die nun gewählte Variante bereits durchgeplant war, Hirselers Vorschlag dagegen sechs weitere Monate für die Entwurfsplanung in Anspruch genommen hätte. Angesichts der langen Verzögerungen durch die Bahn kein gewichtiges Argument: „Sie (Anmerkung der Redaktion: Die Planung) wäre dann vor zwei Jahren fertig gewesen und hätte genauso spät umgesetzt werden können wie die nicht nutzbare 12,6 Prozent Rampe von Herrn Mießeler“, so Hirseler.
SHG Handicap befürchtet, die Aufzüge könnten kaputtgehen
Doch was spricht denn überhaupt dagegen, einfach die Aufzüge zu nutzen? Hannelore Weiland, Rollstuhlfahrerin und wie ihr Mann Stefanos Dulgerakis in der SHG Handicap aktiv, setzt in diese Lösung wenig Hoffnung. „Wir sehen in Köln und Horrem, dass die Aufzüge ständig defekt sind“. Sie würden auch nicht schnell repariert. Bürgermeister Volker Mießeler teilte die Befürchtung nicht, wie er auf Nachfrage erklärt, dafür habe man ja dann zwei Aufzüge: „Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Aufzüge über einen längeren Zeitpunkt gleichzeitig kaputt sind, ist sehr, sehr gering“, so der Bürgermeister.
Auch die schlechte Hygiene besorgt Weiland. Aufzüge werden immer wieder als Urinal zweckentfremdet, Weiland muss aber mit dem gleichen Rollstuhl, mit dem sie in einen verdreckten Aufzug steigt, auch in ihrer Wohnung fahren. Stefanos Dulgerakis weist zudem darauf hin, dass Menschen mit Platzangst die Aufzüge nicht nutzen können. „Der sicherste Weg für uns ist immer noch eine Rampe“, sagt Weiland.
Baumaßnahmen sollen circa März 2026 fertig werden
Wie geht es nun weiter? Laut der Pressestelle der Stadt gehen die Stadtwerke Bergheim in die Detailplanung und schreiben dann den Auftrag aus, da die Genehmigung der DB jetzt vorliegen. „Parallel zur Ausschreibung wird mit ersten vorbereitenden baulichen Maßnahmen begonnen.“ Die Arbeiten sollen nach der Auftragsvergabe beginnen. „Die Hauptarbeiten (Einbau der zwei Aufzüge, Herrichtung der Rampe sowie der neuen Treppenanlage) werden circa vier Monate in Anspruch nehmen. Mit der Fertigstellung der Gesamtmaßnahme ist circa im März 2026 zu rechnen.“ Die Kosten belaufen sich laut Volker Mießeler auf etwas mehr als zwei Millionen Euro, wobei die Stadt eine Förderung von 90 Prozent erhalte.

Da das Gleisbett zu niedrig ist, müssen sich Reisende mit Rollstuhl vorher bei der Bahn anmelden, um in Bergheim mitfahren zu können.
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Ob Menschen mit Rollstuhl dann aber in die Bahn einsteigen können, hängt noch von einem anderen Faktor ab: Aktuell ist der Bahnstieg zu niedrig und damit die Lücke zwischen dem Zug und dem Bahnsteig noch zu groß für die fahrzeuggebundene Einstieghilfe. DB Regio hält auf einer ihrer Websiten Kriterien für einen weitreichend barrierefreien Bahnhof fest, dazu zählt auch eine Bahnsteighöhe von mindestens 55 Zentimetern. Bahnhof.de gibt für Bergheim einen Wert von 38 Zentimetern an.
Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer müssen sich also vorher bei der Bahn anmelden, wenn sie mitfahren wollen – laut Empfehlung der DB am besten bis spätestens 20 Uhr am Vortag der Reise. In Fahrtrichtung Bedburg sollen die Rahmenbedingungen für diese Rampen verbessert werden, da mit den Umbauten auf einer Länge von rund 50 Metern mehr Fläche zur Verfügung steht, sagt die Pressestelle der Stadt. „Der restliche Bereich des Bahnsteigs sowie der Bahnsteig in Fahrtrichtung Horrem bleiben unverändert, da diese Bereiche nicht durch die Maßnahme tangiert werden.“
Volker Mießeler ergänzte dazu auf Nachfrage: „Nach letzter Auskunft der Bahn soll diese bauliche Anpassung im Zuge des S-Bahn-Umbaus erfolgen.“ Er setze sich momentan dafür ein, diese Anpassung bereits frühzeitiger umzusetzen.