RWE kann alte Kraftwerksblöcke den Winter über nutzen, aber danach werden sie endgültig stillgelegt. Was denken die Menschen in der Region?
Reaktivierung im WinterStillgelegte Kraftwerke in Rhein-Erft sollen wieder von RWE genutzt werden können
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat nun auch Auswirkungen auf die Kraftwerke Bergheim-Niederaußem und Grevenbroich-Neurath – unweit der Bedburger Stadtgrenze. Wie in Berlin bekannt wurde, sollen die Blöcke E und F in Niederaußem und der Block C in Neurath aus der Versorgungsreserve herausgeholt und in diesem Winter wieder von RWE genutzt werden können. Bei allen drei Blöcken handelt es sich um zurzeit bereits stillgelegte, ältere Kraftwerksteile mit einer Kapazität von je 300 Megawatt pro Block – die sogenannte Kaltreserve, wie RWE-Mitarbeiter sie nennen.
Zurzeit werden in Niederaußem und Neurath nur noch stärkere Blöcke mit Kapazitäten von 600 oder knapp 1000 Megawatt betrieben. Grund für die Wiederaktivierung der alten und kalten Kraftwerksblöcke, die aufgrund des hohen Ausstoßes an dem Klimagas Kohlendioxid abgeschaltet worden waren, ist die mögliche Gasknappheit im Winter. Das Bundeskabinett erlaubt Versorgern befristet bis Ende März 2024 die Reaktivierung von stillgelegten Kohlekraftwerken zur Stromerzeugung, um so Gas einzusparen.
Wirtschaftsministerium prüft, wieviel Kohlendioxid zusätzlich entsteht
Mit der Änderung dieser sogenannten „Versorgungsreserveabrufverordnung“ des Bundeswirtschaftsministeriums wird damit die Versorgungsreserve, die bereits bis Ende Juni 2023 aktiv war, befristet von Anfang Oktober 2023 an reaktiviert. Die Versorgungsreserve werde reaktiviert, um Gas in der Stromerzeugung einzusparen und dadurch „Versorgungsengpässen mit Gas in der Heizperiode 2023/2024 vorzubeugen“, so das Bundeswirtschaftsministerium. Das Ziel des Kohleausstiegs bis 2030 bleibe ebenso wie die Klimaziele davon unberührt.
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Das Bundeswirtschaftsministerium will prüfen, ob und wie viele zusätzliche Treibhausgasemissionen im Rahmen der Gesetzesanwendung ausgestoßen wurden. Anschließend will das Ministerium Vorschläge machen, wie diese Extraemissionen ausgeglichen werden können. RWE betonte in einer knappen Pressemitteilung, dass es nicht vorgesehen sei, die Kraftwerksblöcke länger zu nutzen. Ende März 2024 sei endgültig Schluss.
Auf Anfrage schreibt RWE: „Die Bundesregierung hat eine Verordnung im Rahmen des Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetzes erlassen, nach der die in Sicherheitsbereitschaft stehenden Kraftwerksblöcke temporär an den Strommarkt zurückkehren. Der marktgerechte Einsatz der Anlagen obliegt, wie bei allen anderen Kraftwerken auch, dem Betreiber. Die drei Braunkohlenblöcke verfügen über eine Leistung von jeweils 300 Megawatt. Mit ihrem Einsatz tragen sie im kommenden Winter dazu bei, die Versorgungssicherheit in Deutschland zu stärken. Ihr Einsatz ist befristet bis zum 31. März 2024. Anschließend werden die Blöcke stillgelegt.“
RWE kann also die eigenen Alt-Blöcke nutzen, um Strom zu produzieren, muss es aber nicht. Sollten sich günstigere Wege finden oder etwa der Winter sehr mild werden, müssen die drei Blöcke im Rheinland und dazu noch die beiden je 500 Megawatt starken Blöcke E und F des Energieunternehmens Leag in Jänschwalde in der Lausitz, für die die gleiche Regelung gilt wie für Niederaußem und Neurath, nicht in Betrieb genommen werden.
Ortsvorsteher findet die Berliner Entscheidung „weise“
Bundestagabgeordneter Georg Kippels (CDU) aus Bedburg begrüßt den Beschluss des Wirtschaftsministeriums grundsätzlich: „Vorsorge ist besser als Bohren, hat man früher beim Zahnarzt gesagt. Die Blöcke einzusetzen hilft dabei, die preisliche Situation abzumildern. Aber es war ein Fehler, die Atomkraftwerke abzuschalten, der uns zu diesem Zickzackkurs gebracht hat.“
Antje Grothus, Landtagsabgeordnete der Grünen, appelliert an die Sparsamkeit der Bürger: „Russlands Angriffskrieg hat uns unsere Abhängigkeiten vom Öl und Gas der Diktatoren schmerzhaft deutlich gemacht. Dafür benötigen wir die Unterstützung aller.“ Im letzten Winter hätten Verbraucher, Wirtschaft und Industrie solidarisch gezeigt, wie viel Strom und Gas eingespart werden könne, so Grothus: „Mit diesem bewussten Verhalten können wir auch in diesem Winter dafür sorgen, dass die Kohlekraftversorgungsreserve möglichst wenig oder gar nicht laufen muss.“
Ganz pragmatisch sieht Niederaußems Ortsbürgermeister Frank Zimmermann die Entscheidung: „Ich finde die Berliner Entscheidung weise. Zum einen aus Gründen der Versorgungssicherheit, aber auch, weil sie die Arbeitsplätze von vielen Leuten in Niederaußem länger sichert.“