Ein Stück Bayern in BrühlPingsdorfer Verein pflegt besonderes Brauchtum

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In Trachten gekleidet nahmen die Mitglieder des Bayern-Vereins am Umzug anlässlich der Brühler 700-Jahr-Feier teil.

In Trachten gekleidet nahmen die Mitglieder des Bayern-Vereins am Umzug anlässlich der Brühler 700-Jahr-Feier teil.

Brühl-Pingsdorf – Ein wenig Wehmut schwingt mit, wenn Christian Weber von den vielen Feiern seines Vereins und dessen langer Geschichte berichtet. Der 74-Jährige ist seit 1977 Vorsitzender des Pingsdorfer Bayern-Vereins und er ahnt, dass die großen Zeiten vorüber sind. „Wir sind einer der letzten Bayern-Vereine in der Region. Und genau wie vielen anderen Klubs fehlt es an Nachwuchs“, sagt er. Ob es den Zusammenschluss in 20 Jahren noch gibt? Weber macht ein nachdenkliches Gesicht. „Ich glaube es eher nicht.“

Dabei hat der Bayern- und Gebirgs-Trachten-Erhaltungs-Verein „Gemütliche Waldler“ Pingsdorf – so der offizielle Name – Tradition und er ist gleichsam das Zeugnis eines besonderen Kapitels in der Historie der Stadt Brühl.

Bayern kamen nach Brühl

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lockte die Aussicht auf auskömmliche Arbeit in den Kohlegruben Menschen aus unterschiedlichen Landesteilen ins prosperierende Rheinische Revier. Forstarbeiter, die im Bayerischen Wald nur ein klägliches Einkommen erwirtschaften konnten, fanden schließlich über verwandtschaftliche Kontakte den Weg nach Pingsdorf.

Die Chronik des Bayern-Vereins spricht von gestandenen Burschen, die zunächst im Erdabraum und später im Kohleabbau eingesetzt wurden. 1927 fand sich der kleine Kreis der Bayern zu einer Landsmannschaft zusammen. Weil viele ihre Wurzeln im Bayerischen Wald hatten, kam man auf den Namen „Gemütliche Waldler“.

Pingsdorfer Verein war einer von vielen

„Damals entstanden überall, wo Kohle abgebaut wurde, solche Vereine“, berichtet Weber, „im Aachener Revier, im Ruhrgebiet und eben in Brühl und einigen Ortschaften, die inzwischen zu Hürth und Erftstadt gehören.“

In Pingsdorf war die Gründung der Anfang eines regen Vereinslebens, das zunächst Männern und Frauen mit bayerischem Blut vorbehalten war. „Diese Vorgabe wurde aber schon vor einigen Jahrzehnten abgeschafft“, sagt Weber. Er selbst habe auch keine bayerischen Wurzeln. „Nur meine Frau ist Halb-Bayerin.“

Die Fahne gehört zum Verein wie die schmucken Haarnadeln und die Lederhosen zu den Trachten der Mitglieder gehören.

Die Fahne gehört zum Verein wie die schmucken Haarnadeln und die Lederhosen zu den Trachten der Mitglieder gehören.

Aber die Exil-Bayern und ihre Nachfahren teilten ihre Begeisterung für das Brauchtum des Freistaates ohnehin gern mit den waschechten Brühlern. Man mischte im örtlichen Karneval und im Pingsdorfer Vereinsleben mit. Von 1960 bis 2017 stellte der Verein Jahr für Jahr ein Brühler Oktoberfest auf die Beine. Erst im längst verschwundenen Belvedere-Hotel, später in der Aula des Max-Ernst-Gymnasiums, dann im Tanzsportzentrum und schließlich im Brauhausgarten in Brühl-Ost.

„Zweimal haben wir auch in der französischen Partnerstadt Sceaux ein Oktoberfest organisiert. 1965 und 1970“, sagt Weber. Und auch beim großen Umzug anlässlich der 700-Jahr-Feier der Stadt Brühl im Jahr 1985 waren die „Gemütlichen Waldler“ dabei.

Stolz auf Trachten und Tänze

Die Männer, Frauen und Jugendlichen waren stolz auf ihre Glockenspielgruppe, die Tänze und die Trachten. „Ich kann sogar Schuhplatteln“, versichert Weber. In so manchem Urlaub habe er mit diesem Können Wetten gewonnen. „Mir wollte nie einer glauben, dass ich das als Rheinländer kann“, erzählt der 74-Jährige.

Inzwischen liegen Trachten, zu denen handgefertigter Schmuck wie Ketten und Haarnadeln zählen, die von einer an die nächste Generation weitergegeben wurden, gut verstaut auf dem Dachboden. Genau wie die Protokollbücher längst vergangener Mitgliederversammlungen.

Die Fahne gehört zum Verein wie die schmucken Haarnadeln und die Lederhosen zu den Trachten der Mitglieder gehören.

Die Fahne gehört zum Verein wie die schmucken Haarnadeln und die Lederhosen zu den Trachten der Mitglieder gehören.

„Ich weiß nicht, wann ich die Tracht nochmal anziehe“, sagt Irmgard Weber. Das 95-jährige Bestehen werde man zwar im Vereinslokal „Pingsdorfer Hof“ feiern, aber beileibe nicht so groß wie früher. Auf die einstündige Ankleide-Prozedur werde sie dann verzichten und stattdessen Dirndl tragen, das sei weitaus schneller angezogen.

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Freuen tun sich die beiden dennoch. Sie hoffen, dass viele der rund 80 Mitglieder kommen. Denn allzu oft werden die bayerischen Pingsdorfer wohl nicht mehr in größerer Runde feiern.

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