LVR-Freilichtmuseum KommernExperten legen Buch über Geschichte der Brühler Milchbar vor

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Zu sehen ist ein Gebäude, vor dem Menschen stehen.

Die Milchbar aus Brühl steht jetzt im Freilichtmuseum in Kommern.

Der Band „Milchbar. Milchshake und Rock 'n' Roll“ beschreibt, wie aus dem „amerikanischen Traum“ eine Rockerkneipe wurde. 

Das kleine eingeschossige Haus mit dem charakteristischen Rundbogen, das einst in der Carl-Schurz-Straße stand, ist längst zum viel besuchten Teil des Ensembles des Marktplatzes Rheinland im LVR-Freilichtmuseum Kommern geworden: die Milchbar. Jetzt legen der Leiter des Museums, Carsten Vorwig, und Raphael Thörmer ein Buch mit einer Sammlung von Schriften ihrer Forscherinnen und Forscher vor, die die Geschichte des Kultbaus auf 106 reich bebilderten Seiten erzählen.

„Milchbar. Milchshake und Rock 'n' Roll“ heißt Band acht der hauseigenen Publikationsreihe. Da geht es um die anfängliche Verwirklichung des amerikanischen Traums im Nachkriegsdeutschland, um berüchtigtes Nachtleben in den späteren Jahren, das laute Dröhnen schwerer Motorräder, aber auch um bürgerliches Kneipenambiente, das angeblich auch Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips zu schätzen wusste, zuletzt gab es hier Whiskey und Miles Davis.

Marktplatz Rheinland: Rheinische Geschichte von 1945 bis 1990

„Kaum ein Gebäude im LVR-Freilichtmuseum Kommern hat in seiner 63-jährigen Geschichte so viele konzeptionelle Änderungen erlebt und trotzdem nie den Namen geändert“, heißt es in der Mitteilung zur Neuerscheinung aus dem Freilichtmuseum. Auf dem Marktplatz Rheinland, der rheinische Geschichte von 1945 bis 1990 dokumentiert, zeigt sich die bewegte Geschichte in Form eines Zeitschnittes durch den Gastraum.

Auf der einen Seite ist die Thekensituation zu sehen, wie sie sich gleich nach der Bauzeit der Milchbar im hinteren Teil des Gartens vom Haus des Ehepaar Josef und Gertrud Eich in der Mühlenstraße zeigte: eine blau-weiße Kühltheke der Marke Caracciola, das Wandgemälde in Nierentischornamentik des Brühler Malermeisters Vogel und der Kiosk zur Straßenseite.

Auf der anderen Hälfte zeigt sich die Situation zur Zeit des letzten Wirtes, Mike Smith: ein Gastraum in tiefem Rot, geziert von Plattencovern seiner Lieblingsmusiker Jimi Hendrix oder Miles Davis und dem Durchgang zum später angebauten Billardzimmer. Hier findet sich die Plattensammlung des Wirtes und seine Stereoanlage. Im schmalen Küchenbereich ist die Eismaschine zu sehen, die die Forscher im Keller fanden, einstiges Kernstück für die Milchshakes der Bar.

Brühler Milchbar: Buch ist im Museumsladen Kommern erhältlich

Die Forschungsarbeit der Historiker und Restauratoren begann mit dem Ausräumen und Katalogisieren des Inventars lange bevor das rund 90 Tonnen schwere Kerngebäude in einer Augustnacht des Jahres 2019, wohl verpackt in einem Stück von drei Kränen auf einen Tieflader gehievt, die Brühler Innenstadt verließ. Einstige Besucher und Nachbarn feierten in der Fußgängerzone ein Volksfest mit Feuerwerk.

Bis zur Neueröffnung der Milchbar im August 2021 als Museumsstück begab sich das Team auf Spurensuche durch die Jahrzehnte der Veränderung, legten hinter einer Pressspanplatte das ursprüngliche Thekengemälde frei, entblätterten Farbschichten und Bodenbeläge, katalogisierten Mobiliar und Ausstattung. Sie legten gar einen Kreisbogen in der Wand zur damaligen Parkplatzseite frei, die das Ehepaar Eich zur späteren Erweiterung eines Saalanbaus schon angelegt hatte. Ein Plan, der bei den Stadtvätern keinen Anklang fand.

Das Buch beschreibt, wie aus dem „amerikanischen Traum“ eine Rockerkneipe wurde, in der Bill Smith, der Ehemann der Gründertochter Gertrud, nunmehr Giesler Kölsch statt Milchshakes servierte. Es gibt einen Überblick über Kioskkultur, erzählt von der Architektenfamilie Küster oder von den Tapeten- und Farbschichten. Es gibt spannende Antworten auf Fragen. Welche Musik hörten die Gäste? Was tranken sie? Und wie funktionierte die Technik der Kühltheke? Für 8,50 Euro ist das Buch im Museumsladen erhältlich.

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