InfektionenSo werden im Brühler Marienhospital die Keime bekämpft

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Brühl – Erster Treffpunkt ist hinter dem Eingang zur Intensivstation. Pieptöne und schnarrende Geräusche sind zu hören. Schnell versammeln sich die Mitarbeiter um Professorin Dr. Wiltrud Kalka-Moll. Sie sprechen über einen 80 Jahre alten Patienten, der einen Monat zuvor mit einer beidseitigen Lungenentzündung ins Brühler Krankenhaus gebracht wurde.

Die Ärzte der Intensivstation berichten von einem komplizierten Verlauf der Erkrankung. Internist Dr. Markus Litt-Lampe erklärt, dass der Patient immer wieder Fieber bekomme, obwohl er Antibiotika erhalte. Bereits mehrfach sei das Antibiotikum gewechselt worden, erläutert der Mediziner. Jetzt stellt sich den Ärzten in der Runde die Frage: „Ist eine weitere Antibiotikatherapie nötig? Oder ist eine weitere gar gefährlich?“

Um genau solche Fragen zu beantworten und um sich mit ihrem Fachwissen mit den Ärzten im Krankenhaus zu beraten, kommt Wiltrud Kalka-Moll einmal im Monat ins Brühler Marienhospital. Die Bedburgerin ist Fachärztin für medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, für Innere Medizin und Infektiologie. Mit einem Kernteam hält sie die infektiologische Visite im Brühler Krankenhaus ab.

Bei dem 80-jährigen Patienten auf der Intensivstation hat die Fachfrau schnell eine Entscheidung getroffen. „Wir machen keine weitere Antibiotikatherapie“, sagt sie. Als der Mann aufgenommen wurde, hatte er wegen seiner Lungenentzündung noch in der Notfallambulanz Antibiotika bekommen. Sonst hätte er wohl nicht überlebt, vermuten die Ärzte. Jetzt, da der Patient trotz verschiedener Antibiotika immer wieder Fieber bekomme, solle zunächst geprüft werden, ob sich weitere Bakterien im Blut befänden, erläutert Wiltrud Kalka-Moll. „So soll ausgeschlossen werden, dass er nicht noch eine andere Infektion hat.“

Bei der infektiologischen Visite geht es vor allem darum, dass Antibiotika gezielt und verantwortungsvoll eingesetzt werden. „Antibiotika werden zu häufig eingesetzt, es werden bis zu 40 Prozent zu viel verabreicht,“ erklärt Kalka-Moll.

Seit einem Jahr gibt es die infektiologische Visite im Marienhospital Brühl. „Eine hohe Qualität der Patientenversorgung ist uns wichtig“, sagt Geschäftsführer Andreas Heuser. „Die infektiologischen Visiten setzen wir ein, um Resistenzen zu verhindern und neueste medizinische Erkenntnisse in die Behandlung einzubringen.“

Für die Bekämpfung von Infektionen müssten Antibiotika eingenommen werden, allerdings nur in Maßen. Die Nebenwirkungen seien schließlich nicht ohne. Denn Antibiotika bekämpfen nicht nur die gefährlichen Bakterien im Körper, sondern auch die nützlichen, die sich zum Beispiel im Magen-Darm-Trakt befinden. Wiltrud Kalka-Moll: „Zudem gibt man somit multiresistenten Erregern eine Chance zu überleben und sich zu vervielfältigen.“

Laut der Fachfrau wird es in den kommenden 15 Jahren keine neuen Antibiotikaformen geben. Je mehr Antibiotikasorten die Menschen also verabreicht bekommen, umso resistenter werden sie. Am Ende schlägt bei einem Patienten kein Antibiotikum mehr an.

Bei der infektiologischen Visite besprechen sich Andrea Frommer, Dr. Jörn Afflerbach, Wiltrud Kalka-Moll, Thomas Kaufmann, Angelika Reis-Beresheim und Ana Mateescu (v.l.) auf der Station Josef 3.

Bei der infektiologischen Visite besprechen sich Andrea Frommer, Dr. Jörn Afflerbach, Wiltrud Kalka-Moll, Thomas Kaufmann, Angelika Reis-Beresheim und Ana Mateescu (v.l.) auf der Station Josef 3.

Auf der Station Josef 3 empfängt Chefarzt Dr. Thomas Kaufmann die kleine Gruppe. „Wir haben einen Keim“, sagt er, „einen Pseudomonas.“ Er fragt die Runde, ob eine intravenöse Behandlung sinnvoll sei. Der Patient habe ein Lungenkarzinom, jetzt sei bei ihm dieser multiresistente Erreger entdeckt worden. „Gerade ein Pseudomonas wird unter einer Therapie immer resistenter“, weiß Kalka-Moll. „Wenn wir den Keim jetzt nicht weiter mit Antibiotika in die Ecke drängen, kann es sein, dass er mit der Zeit wieder sensibler wird. Und dann könnten wir ihn vielleicht sogar behandeln.“ Zudem könne es sein, dass sich andere, gute Bakterien dann so vermehrten, dass der Pseudomonas in den Hintergrund gedrückt werde.

Kalka-Molls Entscheidungen sind keine Handlungsanweisungen. Es sind Empfehlungen. Doch die Ärzte auf den Stationen setzen ihre Anregungen um. Schließlich ist sie die Expertin.

Die Fachleute

Seit einem Jahr bietet das Marienhospital in Brühl die infektiologische Visite an. Geleitet wird sie von Professorin Wiltrud Kalka-Moll, die im Labor Mönchengladbach des Medizinisches Versorgungszentrums Dr. Stein und Kollegen tätig ist. Bei der infektiologische Visite dreht sich alles um das Thema ABS. Das ist die Abkürzung für Antibiotic Stewardship, zu Deutsch rationale Antiinfektivaverordnung.

Zum Kernteam im Brühler Krankenhaus gehören Oberärztin Dr. Ana Mateescu, die ABS-Expertin im Marienhospital, Pharmazeutin Angelika Reis-Beresheim und Hygienefachkraft Andrea Frommer. Gemeinsam besuchen die Fachleute die verschiedenen Stationen des Krankenhauses und sprechen dort mit den Ärzten.

Bei den Gesprächen werden die Krankenakten der Patienten analysiert, die Infektionen aufweisen. Wer bekommt Antibiotika? Wie sieht der Krankheitsverlauf aus? Diese und viele weitere Fragen werden geklärt. Wiltrud Kalka-Moll führt an allen Krankenhäusern der gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe mbH infektiologische Visiten durch. 

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