Freizeitpark reagiertAfrikanistik-Expertinnen kritisieren koloniale Sichtweisen im Phantasialand

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Die Dorfstraße führt an Häusern mit Geschäftsräumen vorbei. Im Hintergrund sind Schienen der Achterbahn Black Mamba zu sehen.

In der Afrika-Themenwelt im Phantasialand besteht die Dorfstraße aus Lehmhütten mit Geschäften.

Afrikanisch-inspirierte Themenwelten in Freizeitparks können problematisch sein. Warum das so ist, erklären zwei Afrikanistik-Dozentinnen.

Ein Pfad führt zwischen Palmwedeln und Bananenpflanzen entlang. Vor den Lehmhäusern stehen vereinzelt bunt lackierte Metall-Stühle. Sonst dominieren die Farben braun und beige. In einer Hütte hängen alte Wählscheiben-Telefone an der Wand, der Putz ist rissig. Im Hintergrund erklingen Trommeln und Tiergeräusche, vielleicht ein Affe. Ein Safari-Helm liegt verlassen da.

So sieht es in der Themenwelt „Deep in Africa“ im Brühler Phantasialand aus. Sie besteht aus der Achterbahn „Black Mamba“, einem Dorf mit dem „Hotel Matamba“, einem „Adventure-Trail“ und Gastronomien. Themenwelten entstehen oft nach fantastischen Märchen- oder Science-Fiction-Welten – oder eben scheinbar mit realen Orten als Vorbildern. Dann behaupten die Parks, dass sie in ferne Länder locken und den Gästen andere Kulturen näherbringen wollen.

Expertinnen erklären, wie „Deep in Africa“ im Phantasialand koloniale Sichtweisen verbreiten

Was „Exotik“ vermitteln soll, ist auch problematisch. Wir haben mit zwei Afrikanistik-Expertinnen darüber gesprochen, warum vor allem Afrika-Themenwelten Kolonialismus-Perspektiven und Rassismus fördern.

Vor einem rustikalen Haus mit Lehmwänden stehen neben einer offenen Türe zwei staubige Stühle. Im Hintergrund sind weitere traditionelle Lehmhäuser zu sehen.

Bunte Akzenten an Ladeneingängen setzt die sonst in beige und braun gestaltete Afrika-Themenwelt.

Einige Freizeitparks in Deutschland sehen sich nämlich mit dem Vorwurf konfrontiert, rassistische Weltbilder zu vermitteln– so wie beispielsweise die „Kongo Bongo Bahn“ in einem Park in Sachsen-Anhalt, die eine „Reise durch das Land der Kannibalen“ bewirbt – ein Stereotyp, mit dem in vergangenen Jahrhunderten Menschen aus Afrika als wild, unzivilisiert und böse dargestellt wurden.

Das, worum es im Phantasialand offensichtlich geht, ist, Klischees darzustellen.
Kölner Jugendclub Courage in einem offenen Brief

Auch beim Phantasialand gibt es wiederholt Diskussionen um „Deep in Africa“. Besonders deutlich äußerte 2013 der „Jugendclub Courage Köln e.V.“ seine Kritik in einem offenen Brief an den Freizeitpark.

Kölner Jugendclub: „Wohl kaum gleichberechtigte kulturelle Begegnung“

Die Kritik fand erneute Beachtung, als das Phantasialand 2023 seine Afrika-Themenwelt erweiterte. „Das, worum es im Phantasialand offensichtlich geht, ist Klischees darzustellen, die eine lange rassistische Geschichte haben“, heißt es in dem Brief. 

„Angebliche Exotik soll dargestellt werden durch Masken, Holz, Tierfellmuster. Das Hotel wirkt wie eine Lehmhütte, als sei dies die typische Behausung von den sogenannten Afrikaner*innen“, so der offene Brief. Das rufe eine Assoziation von „unzivilisiert vs. zivilisiert“ hervor und könne wohl kaum als „gleichberechtigte kulturelle Begegnung“ verstanden werden.

Eine Maske aus Holz mit Stroh-Haaren, die in alle Richtungen zeigen, ist an einer Wand ausgestellt.

Eine der Masken im afrikanischen Adventure Trail. (Archivbild)

Diese Inszenierungen sehen auch Dr. Angelika Mietzner und Prof. Dr. Anne Storch kritisch. Beide sind Dozentinnen der Universität Köln am Institut für Afrikanistik und Ägyptologie. Sie schreiben an einem Buch über Darstellungen von Afrika in Hotels, Restaurants und Freizeitparks. Darunter das Phantasialand, das in seinem Hotel und den Restaurants sogenannte Afro-Gastronomie anbietet – und dem die Expertinnen ein Kapitel widmen.

Afrika-Themenwelt im Phantasialand: „Man schaut immer ein Level herab“

Für ihre Recherche besuchten Mietzner und Storch den Freizeitpark in Brühl, wollten ihre Beobachtungen mit den Verantwortlichen im Phantasialand besprechen. Doch Gesprächsanfragen seien abgelehnt worden, erklärten sie gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Beim Erleben der Themenwelt entstehe der Eindruck unterschiedlicher kultureller Ebenen, so die Forscherinnen. „Wenn man über Afrika spricht, wird oft betont, dass dies auf Augenhöhe passiert. Aber genau das betonen zu müssen, heißt ja, dass Afrika sich schon sozusagen ‚erheben‘ muss, um auf ‚unserem‘ Level zu sein“, sagt Mietzner. „Dabei ist das sogenannte ‚Othering‘ durch eine weiße Perspektive immer ein Thema. Man schaut immer ein Level herab.“

Themenwelten für Parks eine Möglichkeit, das „Exotische“ zu Hause zu haben

Doch was ist „Othering“? Ein Beispiel: Eine Person wird von einer anderen gefragt „Woher kommst du wirklich?“, wenn die Person nicht die stereotypen, körperlichen Merkmale einer „deutschen Person“ verkörpert – also zum Beispiel: blond und hellhäutig. Der Begriff beschreibt „die Distanzierung und Differenzierung zu anderen Gruppen, um die eigene Normalität zu bestätigen“, heißt es in einer Definition der Uni Köln.

Vor einem sandigen Weg sind Lehmhütten mit Ladenschildern zu sehen. Ihre altertümlich anmutenden Holztüren stehen weit offen.

Läden wie ein Textil-Shop oder ein Tele-Center säumen die Straße in „Deep in Africa“ im Phantasialand.

Menschen schreiben so Gruppen oder Personen negative Eigenschaften zu: Othering beschreibt eine Kategorisierung zwischen „uns“ und „den Anderen“.

„Als die Themenparks solche Welten entwickelten, gab es damit eine Möglichkeit, sich das, was als ‚exotisch‘ betrachtet wird, vor die eigene Haustür zu holen, ohne weit reisen zu müssen“, so Mietzner. Diese romantisierten Sehnsüchte seien tief verwurzelt in einer kolonialistischen Denkweise, die in diesem Fall Afrika zum „Anderen“ macht.

Ganz Afrika auf kleinem Raum abzubilden, war nie das Ziel.
Auszug desPhantasialand Erlebnis-Blog „Immersion by Phantasialand“

Vom Phantasialand wird die Themenwelt auf seinem Erlebnis-Blog als „geschmückt mit Zeugnissen afrikanischen Kulturguts“ beschrieben. Ein Bewusstsein dafür, dass Afrika aus 55 Staaten bestehe und nicht als homogene Kultur betrachtet werden kann, werde aber nicht geschaffen, so Storch.

Der Pfad in „Deep in Africa“ führt vorbei an Steinmauern, Lehmtürmen, Bananenpflanzen und rustikalen Holzbänken.

Der Pfad in „Deep in Africa“ führt vorbei an Steinmauern, Lehmtürmen, Bananenpflanzen und rustikalen Holzbänken.

„Ganz Afrika auf kleinem Raum abzubilden, war übrigens nie das Ziel“, heißt es im Blog des Parks wiederum. „Dafür ist der Kontinent einfach viel zu groß, die Vielfalt an kulturellen Einflüssen unerschöpflich.“

Sandwich „Englische Kolonie“ auf der Speisekarte: „Konkretes Bild des Kolonialismus“

„Das Hotel Matamba im Phantasialand ist wie ein voll gestelltes Puppenhaus, wo man schlichtweg alles findet, was aus der weißen Perspektive Afrika sein soll“, sagt dagegen Mietzner. „Architektur, Kunst, Sounds und Pflanzen sind wild durcheinandergewirbelt.“

„Wenn aber auf der Speisekarte im Hotel Matamba ein Sandwich ‚Englische Kolonie‘ steht – das im Übrigen ein ganz normaler Chef-Toast ist – dann ist das ein sehr konkretes Bild des Kolonialismus“, betont Storch. (Anmerkung: Die Forscherinnen fanden die Bezeichnung auf der Karte der „Bar Jafari“ im Hotel Matamba. Inzwischen sind die Bezeichnungen geändert und das Sandwich ist nicht mehr Teil der Karte.)

Inszenierungen im Phantasialand verbreiten unkritisch koloniale Sichtweisen

Dass der Freizeitpark nicht das „reale“ Afrika zeigt, sondern eine fantastische Version, will Anne Storch nicht einfach so als Argument sehen. „Ich denke, es ist Blödsinn, zu sagen, dass eine Fantasie-Welt gezeigt wird.“

Wenn der Park aber primitiv anmutende Wohnhäuser selbst als „erkennbar von modernen afrikanischen Dörfern inspiriert“ beschreibt, dann dominiere die kolonialistische Perspektive. „Das ist sehr konkret, das ist nicht rein fantastisch“, so Storch. Das Phantasialand nutze die Fantasiewelt-Bezeichnung als Ausrede, um von „einer unüberlegten Inszenierung von Klischees und Stereotypen“ abzulenken.

Am Tele-Center in der Afrika-Welt hängen Wählscheiben-Telefone an der Wand.

Am Tele-Center in der Afrika-Welt hängen Wählscheiben-Telefone an der Wand.

Die Lehmhütten, alten Telefone und abgewetzten Möbel in „Deep in Africa“ seien durchaus eine „bewusste Inszenierung“, sagt Mietzner. „Sie werden von Besuchern oft als wahr betrachtet und aufgenommen. So werden kolonialistische Sichtweisen verbreitet.“

Die Verantwortlichen im Phantasialand können den Vorwurf der rassistischen Darstellung nicht nachvollziehen, teilt der Freizeitpark auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Man binde die „unterschiedlichsten Kulturen und Religionen stets in wertschätzender und respektvoller Weise“ ein, so die Selbsteinschätzung des Freizeitparks.

Ein Beispiel sei die Große Moschee von Djenné in Mali als bauliches Vorbild für das Hotel Matamba. „Sie zählt zu den berühmtesten Bauwerken Afrikas und wurde 1988 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt.“ Aus Wertschätzung seien auch die Wandmalereien aus Burkina Faso als künstlerisches Element hinzugekommen.

Unterhaltungsorte sollten eine besondere Verantwortung haben.
Professorin Anne Storch von der Universität Köln

„Die Leute wollen im Freizeitpark natürlich Spaß haben. Sie freuen sich vielleicht auf eine afrikanisch gestaltete Themenwelt mit Figuren und Masken“, sagt Anne Storch. „Aber sie fragen nicht weiter nach.“ Zum Beispiel, ob das wirklich der Lebensrealität der 1,4 Milliarden Menschen entspricht, die den Kontinent bewohnen.  Gerade deshalb sollten Unterhaltungs- und Kunst-Orte ihrer Meinung nach eine besondere Verantwortung haben. „Doch aus dieser Verantwortung zieht sich der Unterhaltungssektor gern heraus“, so Angelika Mietzner. 

Inszenierungen „Afrikas“ wie im Phantasialand machten sich nicht explizit über Afrika lustig (wie eine „Kongo Bongo Bahn“), oder parodierten seine Kulturen. Sie übernähmen aber Perspektiven, die koloniale Sichtweisen normalisieren und damit unkritisch fördern.

Natürlich heiße das nicht, dass Menschen nicht mehr in Freizeitparks gehen oder ihre Themenwelten genießen sollten und könnten, sagt Mietzner. Doch wenn eine Auseinandersetzung mit der kolonialen Sichtweise ausbleibe, bleibe auch die fatale Unterscheidung zwischen „Wir“ und „den Anderen“.

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