Ein Schminktisch als GesellenstückInnungsbeste Tischlerin kommt aus Erftstadt

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Annika hat die computergesteuerte Fräse im Blick. Die 23-Jährige war die beste Tischlergesellin ihres Jahrgangs.

Annika hat die computergesteuerte Fräse im Blick. Die 23-Jährige war die beste Tischlergesellin ihres Jahrgangs.

Erftstadt-Lechenich – Ausgerechnet ein Schminktisch. Mit diesem durch und durch weiblichen Möbelstück ist eine junge Frau Innungsbeste bei den Tischlern im Rhein-Erft-Kreis geworden. Annika N., die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, grinst spitzbübisch. Die Auswahl des Gesellenstücks war ein ganz bewusstes Spiel mit Stereotypen und Vorurteilen.

Gelernt hat die junge Frau in der Tischlerei Markus Müller in Lechenich an der Dieselstraße. Der Betrieb stellt in diesem Jahr gleich die zwei Besten ihres Fachs. Konstantin Rucks ist mit seinem Schreibtisch aus Eichenholz hinter der Kollegin gelandet. Dass der Nachwuchs erfolgreich ist, hat in dem Betrieb schon Tradition. Die Tischlerei hat sich auf hochwertigen Ladenausbau spezialisiert – und auf Outdoor-Küchen. Klassische Schreinerarbeit wird aber auch immer noch betrieben.

Die große Bohrmaschine, die Konstantin Rucks bedient, hat ihr Aussehen seit Jahrzehnten nicht verändert.

Die große Bohrmaschine, die Konstantin Rucks bedient, hat ihr Aussehen seit Jahrzehnten nicht verändert.

So ist auch die Werkstatt eine Mischung aus Tradition und Hightech. Bretter in allen Größen und Dicken, es duftet nach Holz. Dazwischen hochmoderne Maschinen, die zum Teil nichts mehr mit typischem Tischlerwerkzeug zu tun haben. Annika bedient gerade die CNC-Fräse: In einem blauen Kasten arbeiten sich die Fräsköpfe computergesteuert auf fünf Achsen durch das Werkstück.

14 haben bestanden

15 Auszubildende waren zur Gesellenprüfung bei der Tischlerinnung Rhein-Erft angetreten, 14 haben bestanden. Mehr als die Hälfte der jungen Leute hat gute bis sehr gute Ergebnisse erzielt. Dritter bei den Innungsbesten – hinter den beiden Auszubildenden der Tischlerei Markus Müller – ist Kevin Ihrig, der beim Tischlerteam Jörg Hammermann in Frechen gelernt hat.

Die Gesellenstücke wurden zusätzlich für den Innungswettbewerb „Die gute Form“ von einer Jury bewertet. Die Gewinner sind Florian Hendricks (Ausbildungsbetrieb Dietmar Blömer aus Bornheim) auf dem ersten Platz, Wolf Hagen Komor (Ausbildungsbetrieb Thomas Merz aus Elsdorf) und auf dem dritten Felix Erbes (Ausbildungsbetrieb Schüller und Staudner aus Pulheim). Florian Hendricks wird im Herbst am Landeswettbewerb der „Guten Form“ teilnehmen, den der Tischler-Verband NRW ausrichtet. (uj)

Handarbeit ist immer noch gefragt, auch die zierliche Gesellin hat schon so manches Brett geschleppt. Aber für die richtig schweren gibt es den Vakuumkran, der sich an den Holzplatten festsaugt und hebt, was Muskelkraft nicht schafft.

„Das ist so eine Generationensache“

Nach dem Abitur wollte die 23-Jährige eigentlich Architektur studieren, blieb aber nach einem Praktikum in der Schreinerei. So ging es auch Konstantin Rucks. Der 22-Jährige hat sich schon das nächste Ziel gesetzt: Er möchte seine Meisterprüfung machen. Annika denkt noch darüber nach, ob sie doch noch anfängt zu studieren.

Rund 30 Mitarbeiter hat Markus Müller, in der Werkstatt ist Annika derzeit die einzige Frau. Daran, dass sie in dieser Männerwelt chronisch unterschätzt wird, hat sie sich längst gewöhnt. Viele Kollegen hätten den Reflex, ihr zu helfen, für andere sei die Zusammenarbeit völlig normal. „Das ist so eine Generationensache“, sagt Annika. „Die Jüngeren haben kein Problem damit.“ Schon bald werden sich Annika und Konstantin um die nächste Lehrlingsgeneration kümmern. Gleich drei junge Leute beginnen ihre Laufbahn in der Schreinerei Müller. „Eines davon ist eine junge Frau“, berichtet Annika. „Auf die freue ich mich.“

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