„Man wird hilflos“Erftstädter half, dutzende Pferde vor Fluten zu retten

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Einige der geretteten Pferde am Freitagmorgen nach ihrer Rettung. Sie standen 24 Stunden lang bis zum Hals im Wasser.

Erftstadt-Bliesheim – Nach dem Unwetter herrschte Ruhe in Erftstadt. Als der Starkregen am Mittwoch vorbeigezogen war, sagt Ralf Becker, hätten die Menschen sich in Sicherheit gewogen. Er habe geglaubt, nochmal glimpflich davon gekommen zu sein, die Gefahr sei jetzt vorbei.

„Und dann steigt innerhalb von einer Stunde das Wasser so immens, so schnell.“ Kleine Flüsse hätten sich in reißende Ströme verwandelt.

Seit Donnerstagvormittag gilt in Erftstadt der Katastrophenfall.  Stunden später hat die Erft die umliegenden Gemeinden verwüstet.

Die Erftstädter Stadtteile Bliesheim und Liblar standen zu großen Teilen unter Wasser. Noch schlimmer traf es Erftstadt-Blessem. Ganze Häuser sind in der dortigen Kiesgrube verschwunden, einfach weggespült von den Wassermassen.

„Das ist wie im Krieg“, sagt Becker. „Container und Autos schwimmen herum, auch Gascontainer, Fäkalien, Öllachen bilden sich.“ Menschen seien verzweifelt gesucht worden, niemand habe einen richtigen Überblick über die Lage gehabt. „Ein Großteil der Menschen hatte überhaupt keinen Strom, keine Kommunikationsmöglichkeiten.“

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Ein Gastank wurde vom Wasser mitgerissen.

70 Pferde in Bliesheim vor der Flut gerettet

Ralf Becker ist Geschäftsführer der Eventagentur DuMont Livekon und lebt selbst in Bliesheim. Er war vor Ort, als das Wasser kam und ist es jetzt noch, am Freitagvormittag. Er versucht zu helfen, wo er kann. Sein eigenes Haus steht weit genug erhöht und ist nicht betroffen. Doch er selbst fuhr zu seinem Sohn, der etwa 200 Meter von der Erft entfernt wohnt, als das Wasser begann zu steigen.

In der Nähe des Hauses befindet sich ein Reitstall. Gemeinsam evakuierten sie dort die Pferde aus den Stallungen. „Die Pferde dort waren am Ertrinken. Schafe, Tiere, die in unmittelbarer Nähe waren, die konnten nicht mehr gerettet werden.“ Etwa 24 Stunden hätten die Tiere bis zum Hals stehend im Wasser ausharren müssen.

Beckers Stimme zittert als er erzählt. „Ich glaube, wenn man da gar nicht selber von betroffen ist, kann man das kaum nachvollziehen, wie hilflos man dann wird.“ Die etwa 70 Pferde brachten sie in ein Neubaugebiet in Bliesheim und etwa 40 von ihnen auf das Nabu-Gelände. Einige der Tiere seien jedoch bereits ausgebrochen, sie konnten ja nur notdürftig untergebracht werden.

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Anstelle einer Pferdekoppel nur noch Wassermassen. Die 70 Tiere konnten gerettet werden.

Die Eindrücke der Katastrophe, die Becker in den vergangenen Stunden miterleben musste, fließen ungeordnet durcheinander als er erzählt, was er gesehen hat: „Ein Mädchen hat bei einem Sturz einen Schädelbruch erlitten, Menschen versuchten Tiere in Sicherheit zu bringen und wurden dann selber zum Opfer des Soges.“

Die Zustände in Erftstadt waren ebenso chaotisch. „Dass das Wasser so schnell gestiegen ist, haben die Menschen teilweise gar nicht mitbekommen“, berichtet Becker. „Die Menschen wurden nur auf Grundlage von Gerüchten informiert. Es gab keine Durchsagen, keine Alarmsirene. Das, finde ich, war eine Katastrophe.“

Szenen des Chaos und der grenzenlosen Hilfbereitschaft

Auch jetzt noch herrsche Chaos. Etliche Menschen seien nach wie vor vermisst, doch die Angehörigen wüssten nicht einmal, wo sie überhaupt jemanden vermisst melden sollen. Hinzu kommt: „Bis gestern spät in die Nacht hinein gab es überhaupt keine Kommunikationsmöglichkeiten“, sagt Becker.

Er selbst habe am Freitag eine Mutter getroffen, die ihre Tochter seit Donnerstagmorgen gesucht habe. „Ich konnte ihr eben zum Glück aber mitteilen, dass alles in Ordnung ist.“

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Ein eingestürztes Haus in Blessem.

In Bliesheim zieht sich das Wasser seit Freitagfrüh zurück. Wie beständig die Lage ist, vermag jedoch noch niemand zu sagen. Überall versuchten die Menschen einander zu helfen, berichtet Becker. „Das Enorme ist ja, dass die Menschen das alles irgendwie regeln, weil jeder etwas tun will.“

Im Bliesheimer Neubaugebiet hätten die Menschen angefangen zu backen, zu grillen, zu kochen. Wasserkästen seien rausgestellt worden. Wieder beginnt Beckers Stimme zu zittern: „Andere versuchen Menschen zu helfen, ihre Habseligkeiten zusammenzubringen. Es werden Übernachtungsmöglichkeiten organisiert. Familien, die im Urlaub sind, haben ihre Häuser zur Verfügung gestellt.“

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