Überraschung im StadtratErftstadt will ausgeglichenen Haushalt – Steuern und Gebühren steigen

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In einem gefüllten Saal hält Bürgermeisterin Carolin Weitzel eine PowerPoint-Präsentation.

Bürgermeisterin Carolin Weitzel sieht ein Ende der schmerzhaften Nebenwirkungen von Haushaltssicherung durch Konsolidierung und Investitionen in Stadtentwicklung und Energiewirtschaft.

Nach zehn Jahren voller Auflagen durch die Kommunalaufsicht will Erftstadt wieder selber Regie über Einnahmen und Ausgaben führen.

Überraschung im Stadtrat: Nach zehn langen Jahren im Haushaltssicherungskonzept mit seinen ganzen Auflagen der Kommunalaufsicht will Erftstadt die Chance ergreifen, zu einer „geordneten Haushaltswirtschaft“ zurückzukehren, in der die Stadt selbst Regie über Einnahmen und Ausgaben führt. Nur ein Drittel aller Kommunen in NRW sei in der Lage, ein ausgeglichenes Zahlenwerk vorweisen zu können, erläuterte Bürgermeisterin Carolin Witzel (CDU) im Stadtrat in ihrer Rede anlässlich der Einbringung des Entwurfs der Haushaltssatzung 2023. Erftstadt habe die Chance zum Neustart.

Dabei sind die Rahmenbedingungen für stabile Finanzplanung alles andere als rosig gewesen. Stichwort Pandemie, Erftstadt hatte 1,2 Millionen Euro weniger Erträge. Dann die Hochwasserkatastrophe als gigantische Herausforderung. Allein in den ersten Wochen wurden über 700 000 Euro an Ersthilfe für betroffene Bürger ausgezahlt. Das Begleichen des Gesamtschadens von 75 Millionen Euro wird landes- und bundesweit geschultert.

Erftstadt: Nach zehn Jahren ist Schluss mit dem Haushaltssicherungskonzept

Die nächste Hiobsbotschaft war der russische Kriegsüberfall auf die Ukraine, infolgedessen auch Erftstadt viele Flüchtlinge aufnahm. Weitzel sprach Klartext: Nach zehn Jahren sei Schluss mit Haushaltssicherungskonzept (HSK), eine Verlängerung des HSK per Gesetz unzulässig. Entweder die Kommune mache künftig keine Schulden mehr, oder sie rutsche in den Nothaushalt ab. Dann aber diktiert die Kommunalaufsicht, was noch ausgegeben werden darf. Doch da ist das Ärgernis mit der Kreisumlage.

Ihre geplante Erhöhung kostet Erftstadt zusätzlich 3,36 Millionen Euro. Das zwinge Kommunen, Bürger mit höheren Steuern zu belasten. „Stattdessen müssen die Kommunen entlastet werden“, sagte Weitzel. Dazu gehöre auch, eine mögliche Senkung des Hebesatzes der Landschaftsverbandsumlage komplett an die Kommunen weiterzugeben.

An höheren Gebühren und Abgaben führe in Erftstadt auf dem Weg in eine gesunde Finanzlage der Kommune kein Weg vorbei. Weitzel wurde konkret: Neben der Erhöhung der Rettungsdienst- und Verwaltungsgebühren müssen auch die Gebühren und Entgeltstrukturen im Kita-, OGS-Bereich und bei der Musikschule überarbeitet werden. Dabei geht es einerseits darum, Ertragssteigerungen zu erzielen und andererseits strukturelle Schieflagen im Haushalt zu beheben.

Beispielhaft nannte Weitzel die Musikschulgebühren. Es könne nicht sein, dass Einzelunterricht teils weniger koste als Angebote im Gruppenbereich. Die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B um 100 Punkte steht ebenfalls im Raum – es sei denn, der Kreis senkt die allgemeine Umlage, dann könne auch die Grundsteuer gesenkt werden. Solide Finanzen sollen aber nicht nur durch Einsparungen und höhere Gebühren und Steuern erreicht werden, sondern auch durch sinnvolle Investitionen in die Zukunft.

In Erftstadt habe dies ein Gesamtvolumen von 33,65 Millionen Euro. Wer viel für Kitas, Schulen, Tagespflege tue, sorge auch für eine attraktive Kommune, die Zuzüge fördere. Das gelte auch für den Sport, damit verbunden Investitionen in Sportstätten gerade kleinerer Stadtteile. Ungeachtet der Zustände der Bäder (das Freibad Lechenich ist irreparabel durch die Flut beschädigt, andere Bäder in Schulen sind stark sanierungsbedürftig) soll sichergestellt werden, dass jedes Kind Schwimmen erlernen kann.

Und da ist noch das große Thema Feuerwehr. Hier geht es nicht nur um die Sanierung von Gerätehäusern oder Ausbau des Sirenenwarnnetzes, sondern auch einen neuen Brandschutzbedarfsplan und Bau einer neuen zentralen Feuer- und Rettungswache. Bevor die aber entsteht, müsse die Wache in Liblar „brandschutztechnisch ertüchtigt“ werden. Weitzel: „Wir haben schmerzliche Einschnitte hinter uns und es liegen noch härtere Zeiten vor uns.“ Doch die Lage biete auch Chancen. Scheinbare Notwendigkeiten gehörten kritisch auf den Prüfstand. Gesunde Finanzen und gestalterische Handlungsfähigkeit seien wichtiger.


Mehr Flächen für Gewerbe und Industrie benötigt

Im Ergebnisplan der Haushaltssatzung beläuft sich der Gesamtbetrag der Erträge auf 153.886.203 Euro, der Aufwendungen auf 161.567.501. Abzüglich globalem Minderaufwand, und außerordentlicher Erträge beträgt das Jahresergebnis 168.537 Euro.

Wichtigste Ertragsarten sind lauf Kämmerer Dirk Knips die Einkommensteuer (33 Millionen Euro), Gewerbesteuer (26 Millionen), Schlüsselzuweisungen (15 Millionen) und Grundsteuer B (12,8 Millionen). Eine Erhöhung um 100 Punkte bringt zusätzlich 1,7 Millionen Euro.

Erftstadt braucht laut Knips eine massive Vergrößerung der Gewerbe- und Industrieflächen. Nur durch stabile Erträge aus der Gewerbesteuer sei die Finanzmisere zu überwinden. Die Erträge am städtischen Anteil an der Einkommensteuer sei gut, doch es gebe das Risiko des demografischen Wandels, so Knips. Die Kommune mit einem Eigenkapital von gerade mal 50 Millionen Euro.

Überaus angespannt ist die städtische Personallage in der Abteilung Haushalt der Kämmerei. Von insgesamt 5,5 Stellen sind nur 1,5 besetzt. Knips befürchtet eine dauerhafte Unterbesetzung und Mangel an erfahrenen Mitarbeitern.

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