Immer mehr GelenkproblemeErftstädter Tierarzt hilft dicken Hunden und Katzen

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Die Hände sind Philipp Winkels wichtigstes Diagnosewerkzeug. Mit Lilly ist er zufrieden, die Husky-Hündin ist gertenschlank.

Die Hände sind Philipp Winkels wichtigstes Diagnosewerkzeug. Mit Lilly ist er zufrieden, die Husky-Hündin ist gertenschlank.

Erftstadt-Lechenich – Lucy hat eine Schraube locker. Das sieht selbst der Laie auf dem Röntgenbild. Die Metallschiene, die das Knie der Hündin stabilisieren soll, sitzt zwar noch an Ort und Stelle, doch eine der Befestigungsschrauben ragt ein Stückchen hervor. Für Dr. Philipp Winkels ein klarer Fall: „Der Hund hat sich zu viel bewegt.“ Der Tierarzt sieht da die Besitzer in der Verantwortung. Die hätten sich höchstwahrscheinlich nicht an den Rat gehalten, jegliches Toben und Rennen zu verhindern. Doch Lucy hat Glück. Die lockere Schraube ist kein Grund, noch mal auf dem Operationstisch zu landen.

Der Hund ist mit sterilen Tüchern abgedeckt, das Bein rasiert und desinfiziert. Jetzt legen die Helferinnen alles für die bevorstehende Operation bereit. Auf dem Bildschirm sieht man die Röntgenaufnahmen des Gelenks, um das es geht.

Der Hund ist mit sterilen Tüchern abgedeckt, das Bein rasiert und desinfiziert. Jetzt legen die Helferinnen alles für die bevorstehende Operation bereit. Auf dem Bildschirm sieht man die Röntgenaufnahmen des Gelenks, um das es geht.

2017 hat Winkels im Lechenicher Wirtschaftspark seine Praxis eröffnet – da er keine Wochenend- und Notdienste macht, gilt sie nicht als Klinik. Seine Patienten werden in der Regel vom Haustierarzt oder vom Tier-Physiotherapeuten an ihn überwiesen. Der 39-Jährige hat sich auf den Bewegungsapparat von Hunden und Katzen spezialisiert, er setzt künstliche Hüftgelenke ein, operiert Knie und Ellenbogen. „Vetacare“ hat er sein Unternehmen genannt.

Warm verpackt und liebevoll betreut: Allmählich wacht der Boxer aus der Narkose auf.

Warm verpackt und liebevoll betreut: Allmählich wacht der Boxer aus der Narkose auf.

Morgens um 8 Uhr ist schon jede Menge los in den Räumen an der Otto-Hahn-Allee. Die ersten Vierbeiner – zu rund 95 Prozent Hunde – sind schon da, die erste Operation wird vorbereitet. Das sieht nicht viel anders aus als in einem ganz normalen Krankenhaus. Helferinnen legen Instrumente bereit und holen Röntgenbilder auf den Computerbildschirm. Das Hundebein wird geschoren und dann mit in Alkohol getränkten Wattebäuschen desinfiziert: immer nur ein Strich mit einem Wattebausch, immer von der steril eingewickelten Pfote auf das Fell zu.

„Das wichtigste Instrument bei der Diagnose sind meine Hände“

Vorangegangen ist eine Diagnostik, bei der Winkels nicht nur auf moderne Technik setzt. „Das wichtigste Instrument bei der Diagnose sind meine Hände“, sagt er. Die Technik kommt später: Röntgen, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT). Damit kann er vieles sehen, aber nicht alles. Gleich beim ersten Patienten macht Winkels eine Arthroskopie des Ellenbogens, führt also ein winziges Kamera-Auge in das Gelenk ein. Der Schnitt dafür ist nur wenige Millimeter lang. Auf dem großen Bildschirm erscheinen rätselhafte weiße Flächen. „Das ist schöner, glatter Knorpel“, erklärt der Mediziner und führt einen Haken durch das winzige Loch ein, um Sehnen zu verschieben, hier zu drücken, dort zu fühlen. Wo es bröckelig aussieht, ist der Knorpel angegriffen, wo es dunkel aussieht, reibt schon Knochen auf Knochen. Ein weißer Fleck entpuppt sich als kleines Knochenstück, das die Bewegungen des Gelenks stört.

Intensive Gespräche mit den Hundebesitzern gehören ebenso zum Tagesgeschäft wie die Operationen. Christina Busch schaut, wie gut die Wunde am Bein von Fedor verheilt ist. Das Fell wächst schon nach.

Intensive Gespräche mit den Hundebesitzern gehören ebenso zum Tagesgeschäft wie die Operationen. Christina Busch schaut, wie gut die Wunde am Bein von Fedor verheilt ist. Das Fell wächst schon nach.

Mittags trifft sich das zehnköpfige Praxisteam – davon fünf Auszubildende – zum gemeinsamen Essen. Und heute auch zum Diskutieren. Technisch kann man an Hunde- oder Katzenbeinen und -rücken so ziemlich alles operieren, was man auch beim Menschen richtet. Aber ist es auch sinnvoll? Was mutet man dem Tier zu mit Narkose, Wundschmerz und vielleicht langwieriger Heilung? „Die Frage ist eher: Was mutet man seinem Geldbeutel zu?“, kontert Philipp Winkels trocken. „Ganz abgesehen von den Schmerzen, die man dem Hund zumutet, wenn man ihn nicht behandelt.“ Er sehe sich nicht als moralische Instanz, halte sich bei ethischen Fragen lieber zurück. Oft gäben Tierärzte und -besitzer viel zu früh auf, findet er allerdings. Wenn eine Operation dem Hund noch ein paar schmerzfreie Jahre schenke, habe sie sich doch gelohnt.

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Wie groß die Zumutung für den Geldbeutel ist, zeigt sich am Nachmittag bei der Sprechstunde. Der junge Mischling Fado schont ein Vorderbein. Winkels zählt auf, welchen Aufwand er bei der Untersuchung treiben muss. „Rechnen Sie mal mit an die 1700 Euro“, sagt der Tierarzt. Die Besitzerin schluckt. Und entscheidet schnell: „Das schaffen wir auch noch irgendwie.“ Woher die hohen Kosten kommen, erschließt sich schnell beim Blick auf die Ausrüstung im OP. Nicht nur die großen Geräte wie das MRT sind teuer. Winkels nimmt einen unscheinbaren Akkubohrer in die Hand: „Der kostet 20 000 Euro.“

Am Modell erklärt der Tierarzt, wie die einzelnen Gelenke funktionieren beziehungsweise, warum sie nicht funktionieren.

Am Modell erklärt der Tierarzt, wie die einzelnen Gelenke funktionieren beziehungsweise, warum sie nicht funktionieren.

Eine der Hauptursachen für Gelenkprobleme: „Die meisten Hunde sind zu dick“, sagt der Tierarzt. Deshalb führt der erste Weg jedes Patienten zur Waage, die dezent am Empfang in den Boden eingelassen ist. Den Hundehaltern klar zu machen, dass der Vierbeiner abspecken muss, ist allerdings nicht leicht. „Ich bin auf die Mitarbeit der Besitzer angewiesen“, sagt Winkels. Und präsentiert einen Fall, in dem das bestens geklappt hat. Lilly, eine junge Husky-Hündin, ist vor drei Monaten vom Balkon gesprungen und hat sich einen Knochen am Ellenbogen gebrochen. Statt zu operieren, hat der Tierarzt ihr Ruhe verordnet. Und Sandra Barthels hat dafür gesorgt, dass ihre Hündin nicht tollte oder rannte. Das Röntgenbild zeigt: Der Knochen ist verheilt. Und gertenschlank ist Lilly obendrein.

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