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Prozess in KölnFrechener Bau-Mafia soll Staat um 3,2 Millionen Euro betrogen haben

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Die Akte ist dick: Jahrelangen gewerbsmäßigen Vorenthalt von Arbeitsentgelt, Schwarzarbeit und damit verbundenen Sozialversicherungsbetrug sowie Steuerhinterziehung in 180 Fällen wirft die Anklage zwei Männer aus Frechen vor.

Die Akte ist dick: Jahrelangen gewerbsmäßigen Vorenthalt von Arbeitsentgelt, Schwarzarbeit und damit verbundenen Sozialversicherungsbetrug sowie Steuerhinterziehung in 180 Fällen wirft die Anklage zwei Männer aus Frechen vor.

Die Aufarbeitung des Falls erweist sich als schwierig. Der 58-jährige mutmaßliche Haupttäter ist nicht verhandlungsfähig.

Ursprünglich sollten sich gestern vor dem Landgericht Köln zwei Männer wegen besonders schweren Betrugs in der Baubranche verantworten. Doch es erschien nur ein 61-jähriger Projektleiter. Der 58-jährige ehemalige geschäftsführende Gesellschafter ist erkrankt, weshalb die 21. Große Strafkammer das Verfahren gegen ihn abtrennte — „um endlich anzufangen“, erklärte der Vorsitzende Richter Dr. Wolfgang Schorn. Bereits am 1. Dezember 2022 war das Verfahren eröffnet worden.

Der Prozess sollte dann im November 2023 beginnen, platzte aber wegen der Krankmeldung des Inhabers der inzwischen insolventen Baufirma. Die Verjährung einiger Anklagepunkte droht, und das will Schorn nicht riskieren. Immerhin geht es um jahrelangen gewerbsmäßigen Vorenthalt von Arbeitsentgelt, Schwarzarbeit und damit verbundenen Sozialversicherungsbetrug sowie Steuerhinterziehung in 180 Fällen zwischen 2013 und 2018. Die Gesamtschadenssumme soll sich auf mehr als 3,2 Millionen Euro belaufen.

Eine Riesen-Sympathie habe ich für diesen Deal nicht
Vorsitzender Richter Dr. Wolfgang Schorn

Eine Verständigung zwischen der Staatsanwaltschaft, der Wirtschaftskammer, dem Firmenchef und seinem Verteidiger hatte bereits am 9. Mai 2023 stattgefunden. Sie hatte zum Ziel, die bei einer solch hohen Schadenssumme übliche Freiheitsstrafe ab fünf Jahren auf ein bewährungsfähiges Maß von zwei Jahren herabzusetzen. Bedingung: Der Angeklagte legt ein vollumfängliches glaubhaftes Geständnis ab, das sich mit der bisher ermittelten Beweislage deckt, und er stimmt zu, dass veruntreutes Geld eingezogen wird.

„Eine Riesen-Sympathie habe ich für diesen Deal nicht“, machte der Vorsitzende, der das Verfahren von einer Vorgängerin „geerbt“ hat, gestern deutlich; auch war damals die Kammerbesetzung eine andere. Dennoch legte die aktuelle 21. Große Strafkammer die Verständigung neu auf. Unter dieser Bedingung riet Strafverteidiger Martin Bücher seinem Mandanten, sich auf die Vorwürfe einzulassen. Zunächst bestätigte der Angeklagte über seinen Anwalt den Sachverhalt der Anklage.

Angeklagter versichert, er sei nie bei dem betrügerischen Unternehmen angestellt gewesen

Bücher musste jedoch mehrfach eingreifen, um den neuaufgelegten Deal nicht ins Wanken zu bringen, wenn sich der Angeklagte mit Antworten auf Nachfragen zu den Abrechnungspraktiken in der Baufirma schwer tat. Zögernd räumte der 61-Jährige ein, was er von den Betrügereien in großem Stil und den Verbindungen des Inhabers ins „Baumafia-Milieu“, so der Ausdruck seines Verteidigers, wusste.

Der Maurer- und Betonbaumeister, der auch ein Grundstudium Bauingenieurwesen absolviert hatte, gab zu gewusst zu haben, dass der Geschäftsführer Scheinrechnungen über Servicefirmen einkaufte und angemeldete Arbeiter aus Südosteuropa zusätzlich schwarz gegen Bargeld beschäftigte. „Da wurde eine saubere Papierlage konstruiert“, versuchte Verteidiger Bücher mögliche fehlende Durchschaubarkeit der frisierten Buchführung seitens seines Mandanten glaubhaft zu machen.

Ob das Geld jemals einzutreiben ist, bleibt offen

Der Angeklagte war nach eigenen Angaben nie bei dem betrügerischen Unternehmen angestellt, sondern in einer Firma, die an den Frechener Betrieb Aufträge vergab. Die Abwicklung der Bauprojekte managte er dann 2017 und 2018 für den Subunternehmer in Schwarzarbeit. Was er denn zusätzlich zu seinem Gehalt „kassiert“ habe, interessierte das Gericht. Rund 100.000 Euro, schätzte der Mann, der im Juli 2024 mit einem eigenen Gewerbe Insolvenz anmelden musste.

Die Staatsanwaltschaft verspricht sich von dem Prozess wahrheitsgemäße Aufklärung über die Geldsumme, die zugunsten von Sozialversicherungsträgern und Finanzbehörde eingezogen werden kann. Ob das Geld jemals einzutreiben ist, bleibt offen. Denn die zahlungspflichtigen GmbHs sind pleite, was Richter Schorn mit der trockenen Bemerkung quittierte: „Zwei Leichen in der Einzugsbeteiligung.“

Der Prozess wird fortgesetzt. Es sind insgesamt fünf Verhandlungstage angesetzt.