Am 16. August wäre sie zwölf Jahre alt geworden. Es hat die Familie viel Kraft gekostet, über den schweren Verlust von Avin zu sprechen.
Nach UnfallWie die Familie der getöteten Avin aus Hürth mit ihrer Trauer umgeht

Auf seinem Smartphone hütet Vater Amir Vala Bilder und Sprachnachrichten seiner Tochter wie Schätze. Jeden Morgen schickte die Tochter ihren Eltern eine Nachricht.
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Pure Lebensfreude strahlt das hübsche Mädchen aus, das so fröhlich und neugierig aus den Bildern heraus lacht – im Wohnzimmer, im Flur und im Treppenhaus. Amir und Farah Vala aus Hürth haben die Fotografien ihrer Tochter liebevoll gerahmt. Daneben stehen Blumen. Vor einigen Bildern brennt auch ein kleines Teelicht oder eine Kerze.
„Das ist unsere Avin“, sagt Amir Vala traurig. Seine Tochter ist nur elf Jahre alt geworden. Avin ging in die vierte Klasse der Carl-Orff-Schule in Hürth: Am 4. Juni war sie am Vormittag mit ihrer Klasse unterwegs von der Schule zum nahen Sportplatz – als ein erst 20-jähriger Autofahrer ihr junges Leben einfach auslöschte: Zeugen zufolge soll er an der Frechener Straße bei Rot über die Ampel gefahren und in die Gruppe der Schulkinder und ihrer Begleiter geraten sein. Avin und der 25-jährige Schulbegleiter Luis blieben schwer verletzt am Boden liegen. Beide mussten an der Unfallstelle reanimiert werden. Avin starb nur zwei, Luis neun Tage nach diesem schrecklichen Unfall.
Es tut so schrecklich weh
Fast zehn Wochen sind seitdem vergangen. Doch der Schmerz wird nicht weniger. „Es tut so schrecklich weh“, sagt Amir Vala. Avin fehle der Familie jeden Tag – morgens, mittags und abends. Oft könnten er, seine Frau und auch sein Sohn Radin (16) diesen Schmerz gar nicht aushalten. Dann lassen sie ihren Tränen freien Lauf. Es hat sie viel Kraft gekostet, sich jetzt Zeit für ein Gespräch zu nehmen, um über diesen unfassbar schweren Verlust ihres Kindes zu sprechen.
„Ihre Tochter hatte einen Unfall – kommen sie schnell“, erinnert sich Amir Vala an den Anruf aus der Schule an jenem verhängnisvollen 4. Juni. Erst im Krankenhaus erfuhren er und seine Frau dann, wie ernst es wirklich um ihre Avin stand. „Die Ärzte und Schwestern waren alle sehr nett, sie haben mit uns über alles gesprochen und uns richtig aufgeklärt“, berichtet Amir Vala. Sie hätten ihnen aber auch nichts vorgemacht. Avins Verletzungen seien sehr schwer gewesen. „Ihr kleiner Körper war einfach kaputt“, so der Vater.
Vater wünscht sich, dass die Fuß- und Schulwege in Hürth so sicher werden, dass keiner mehr zu Schaden kommt
„Doch ihr Herz schlägt weiter“, berichtet er. Ein kleines bisschen Hoffnung flackert in seinen Augen. Avin habe immer schon Organspenderin sein wollen. „Ihr Herz schlägt jetzt in der Brust eines sechsjährigen Kindes“, sagt er. Über ihren Tod hinaus habe Avin so ein Menschenleben retten können. „Es wäre schön, wenn wir dieses Kind in ein paar Jahren einmal persönlich kennen lernen dürfen“, wünscht er sich.
Amir Vala ist sich ganz sicher, dass auch Avin diese Idee gefallen würde. Er wünscht sich, dass die Fuß- und Schulwege in Hürth so sicher werden, dass nie wieder ein Mensch im Straßenverkehr zu Schaden kommt: „Ich möchte einfach nicht, dass andere Eltern in Zukunft diesen Schmerz aushalten müssen, den wir jetzt haben.“
Hürth: Elfjährige Avin wollte Anwältin werden
„Avin hat immer gelacht“, beschreibt ihr Bruder seine kleine Schwester. Gerne habe er sie auch schon mal geneckt – wie Geschwister das so machen, sagt er. Umgekehrt habe natürlich auch Avin ihren großen Bruder mitunter geärgert. Doch wenn es drauf ankam, dann standen die Geschwister fest zusammen. „Wenn mir mein Vater eine Strafe erteilte, dann ist Avin sogar zu Vater hin hat so lange auf ihn eingeredet, bis er die Strafe aufgehoben hat. Vater konnte Avin einfach nichts abschlagen“, erzählt der 16-Jährige.
Von ihr sei ein unbeschreiblicher Zauber ausgegangen, „wenn Avin im Raum war, schien irgendwie immer die Sonne“. Streit habe die Elfjährige nicht ertragen können. „Ihr war Gerechtigkeit immer ganz wichtig.“ Ihr Traum sei es deswegen auch gewesen, Anwältin zu werden.
Avin wäre nach den Sommerferien in die weiterführende Schule gekommen
„Das ganze Leben lag noch vor ihr“, sagt Amir Vala. Nach den Sommerferien wäre Avin in die weiterführende Schule gekommen. „Große Welt – ich komme“, stand ihr ja buchstäblich im Gesicht geschrieben. Sie habe sich schon sehr auf die Gesamtschule gefreut.
Auch die Pläne für die Sommerferien hatte Avin längst geschmiedet – das Geburtstagsfest am 16. August zum Beispiel mit Freundinnen, der Familie und den Verwandten. Avin wäre dann zwölf Jahre alt geworden. Außerdem wollte sie viel basteln und malen, sich mit ihren Freundinnen treffen und den Besuch ihrer Großeltern aus dem Iran genießen. Sieben Jahre – seit dem Tag, an dem Amir und Farah Vala 2018 mit ihren damals erst acht- und drei Jahre alten Kindern aus dem Iran nach Deutschland gekommen waren, hatten sie ihre Enkelkinder nicht gesehen. Eine Woche vor dem Unfall seien sie in Deutschland gelandet. „Und dann haben sie ihr Enkelkind hier auch noch mit uns begraben müssen“, sagt Amir Vala.
Sein Wunsch und der seiner Frau sei es gewesen, dass alle Trauergäste weiß gekleidet zum Begräbnis kommen sollten. „Es waren sicherlich mehr als 300 Menschen da“, sagt er. So viele Menschen hätten sich auch nach dem Unfall um sie gekümmert – ihnen beigestanden. „Selbst Menschen, die wir gar nicht kannten“, sagt er. „Danke dafür – vielen lieben Dank“, wiederholt er. Die große Anteilnahme habe ihnen geholfen und helfe ihnen bis heute.
Einzig von offizieller Seite aus hätte sich die Familie gewünscht, mehr Informationen über den Hergang des Unfalls sowie über das weitere Vorgehen zu erhalten.
Die Ermittlungen
Der 20-jährige Autofahrer, der im Verdacht steht, den Unfall in Hürth auf der Frechener Straße/Ecke Theresienhöhe am 4. Juni verursacht zu haben, wurde bereits im April 2025 vom Amtsgericht Brühl rechtskräftig zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt, unter anderem wegen einer unterlassenen Hilfeleistung im Straßenverkehr.

Polizisten sichern Spuren an der Unfallstelle auf der Frechener Straße. (Archivfoto)
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Aktuell ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen sowie wegen weiterer Verkehrsdelikte. (mkl)