Interview mit Stefan Lamertz„Nicht alle Vereine werden die Krise überstehen“

Lesezeit 4 Minuten
Vier Kinder üben im Wasser mit ihrem Schwimmlehrer.

So manch einer der Horremer Clemensschule lernte erst in dieser Woche Schwimmen.

Stefan Lamertz ist seit Juli Geschäftsführer des Kreissportbunds (KSB) im Rhein-Erft-Kreis. Er ist 52 Jahre, verheiratet und hat drei Kinder. Im Gespräch berichtet er über die Auswirkungen der Energiekrise, sinkende Mitgliederzahlen bei den Vereinen und mangelnde Bewegung bei Kindern.

Im Rhein-Erft-Kreis gibt es etwa 420 Sportvereine. Mit welchen Problemen haben die Vereine derzeit zu kämpfen? Und wie kann der KSB ihnen helfen?

Stefan Lamertz: Die Energiekrise ist derzeit ein ganz großes Problem für die Vereine. Aber auch die rückläufigen Zahlen bei den Mitgliedern und das abnehmende Engagement im Ehrenamt zählen zu den derzeit größten Baustellen der Vereine. Was die Energiekrise betrifft, müssen wir uns voll auf die Landespolitik verlassen. Der Landessportbund muss mit dem Land über eine Kostenregulierung für die Vereine sprechen. Wie hoch ist der Mitgliederverlust? Die Mitgliederzahlen sind in den beiden vergangenen Jahren um mehr als sechs Prozent gesunken. 2020 waren noch 107 800 Mitglieder gemeldet. Jetzt sind es nur noch gut 101 000. Bei den Erwachsenen haben sich kreisweit 4850 Mitglieder abgemeldet, dazu kommen weitere 1750 Kinder und Jugendliche. Corona hat besonders im ersten Jahr deutliche Spuren hinterlassen. Die Anzahl der Vereine ist von 427 auf 414 gesunken.

Stefan Lamertz, Geschäftsführer Kreissportbund Rhein-Erft-Kreis, KSB, sitzt an seinem Schreibtisch

Stefan Lamertz, Geschäftsführer Kreissportbund Rhein-Erft-Kreis, KSB

Was kann der Kreissportbund dagegen tun?

Wir versuchen, mit Programmen in den Bereichen Inklusion, Integration und Sportjugend Mitglieder zu gewinnen. Wenn wir es schaffen, dass Schule und Vereine enger kooperieren und gute Bewegungsmöglichkeiten anbieten, dann können wir über diese Schiene auch noch viele Kinder und Jugendliche an Vereine binden. Eine weitere Aufgabe ist die Stärkung des Ehrenamts. Weil ohne ehrenamtliches Engagement nichts läuft.

Wie sieht das konkret aus?

Wir haben eine Mitarbeiterin beim KSB, die sich speziell um Qualifizierungsmaßnahmen im Ehrenamt kümmert. Wer erstmals ein Ehrenamt in einem Verein annimmt, kann sich über Kurzseminare beispielsweise in den Bereichen Finanzen, Buchhaltung, Recht oder Öffentlichkeitsarbeit weiterbilden. Der Kreissportbund bietet zukünftig auch eine Vielzahl von Seminaren auch zur Weiterqualifizierung an – zum Beispiel zum Schatzmeister oder Geschäftsführer. Wir haben ein Konzept zur Einstellung eines Ehrenamtsmanager-Koordinators geschrieben. Er soll gezielt auf die Vereine zugehen und konkret unterstützen, beispielsweise Lösungsansätze für Probleme aufzeigen oder Vereinsberatungsprozesse initiieren, sowie Möglichkeiten zur Ehrenamtsförderung im Verein begleiten. Leider kann das Projekt aktuell nicht vom KSB begonnen werden, da wir es nicht finanzieren können. Wir brauchen Partner dafür.

Gibt es in diesen Zeiten Sportarten, die einen Aufschwung erleben?

Die Outdoor-Sportarten erleben einen Aufschwung, weil in Corona-Zeiten Sport in Hallen nur sehr eingeschränkt möglich war. An der freien Luft konnte man ja immer noch Sport machen – egal ob Fußball, Leichtathletik oder Hockey. Sie bringen viel Erfahrung aus Ihrer Zeit in Mönchengladbach mit. Welche sind die nächsten Ziele, die Sie im Rhein-Erft-Kreis erreichen wollen? Die Teilnehmerzahl der Athleten, die ein Sportabzeichen abgelegt haben, ist in der Corona-Zeit von 5000 auf etwa 1500 gesunken. Das wollen wir wieder ändern. Dafür muss die Zusammenarbeit zwischen KSB und den Sportbeauftragten der Schulen wieder intensiviert werden. Wir stellen fest, dass die Kinder in der Corona-Zeit nicht mehr so beweglich sind. Da müssen wir ansetzen. Es wird mehr gesessen, Schule, Hausaufgaben, PC. Es braucht mehr Bewegung. Wenn Kinder zwei Runden auf dem Sportplatz nicht mehr schaffen, oder es beim Weitsprung nicht schaffen, mit einem Bein abzuspringen, dann ist das alarmierend.

Braucht ein Kreis mit zehn Städten 420 Vereine?

Die Frage ist, warum gibt es so viele Vereine. Oftmals finden Neugründungen statt, wenn sich Personen in dem alten Verein nicht mehr wohlfühlen. Wenn irgendwas nicht klappt heißt es: Dann machen wir unseren eigenen Verein auf. Sich an mancher Stelle zu individualisieren ist aber auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Dabei können die Vereine mehr erzielen, wenn sie sich zusammenschließen würden. So leid mir das tut, aber diese momentane Krise werden nicht alle Vereine im Kreis überstehen.

Der KSB ist bei der Organisation der Sportlerwahl mit im Boot. Warum ist eine solche Veranstaltung so wichtig?

Dort werden ja die Besten geehrt – egal ob auf Landes-, Bundes-, Europaebene oder in der Welt. Diese Sportler erregen Aufmerksamkeit und sind Aushängeschilder einer Stadt und eines Landkreises. Das ist wichtig und gut. Durch die Erfolge rücken auch Randsportarten in den Mittelpunkt. Die Sportler erhalten für ihre Leistung Anerkennung. Zu kurz kommen mir dabei aber oftmals die Trainer. Die begleiten und entwickeln einen Sportler teilweise über Jahre. Denen muss höhere Aufmerksamkeit zukommen.

KStA abonnieren