Als 1919 das Fußballfieber ausbrachGleich fünf Vereine feiern 100. Jubiläum in Kerpen

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Fußball im Haus für Kunst und Geschichte

Buchstäblich bis unter die Decke mit Fußballgeschichte gefüllt ist derzeit das Haus für Kunst und Geschichte.

  • Keine Frage: 1919 war für die Kolpingstadt ein besonderes Sportjahr.
  • Gleich fünf Fußballvereine wurden aus der Taufe gehoben.
  • In diesen Tagen nun werden sie allesamt 100 Jahre alt, und diese Jubiläen werden groß gefeiert.

Kerpen – Das nennt man wohl Fußballfieber: In Manheim ging es im Februar mit der Viktoria los, und innerhalb weniger Monate zogen Blau-Weiß Kerpen, Borussia Buir, der Horremer SV und die Spielvereinigung Balkhausen-Brüggen-Türnich mit Vereinsgründungen nach.

Keine Frage: 1919 war für die Kolpingstadt ein besonderes Sportjahr. Gleich fünf Fußballvereine wurden aus der Taufe gehoben. In diesen Tagen nun werden sie allesamt 100 Jahre alt, und diese Jubiläen werden groß gefeiert.

Bürgermeister Spürck gibt den Anpfiff

Ein Glanzlicht im Reigen mit mehr als 20 Veranstaltungen ist die sporthistorische Ausstellung „Heimspiel“, die Bürgermeister Dieter Spürck im Haus für Kunst und Geschichte mit einem schrillen Pfiff aus der Schiedsrichterpfeife eröffnete.

Dieter Spürck

Mit einem Pfiff eröffnete Bürgermeister Dieter Spürck die Ausstellung. Rechts Stadtarchivarin Susanne Harke-Schmidt. 

Dass Vereine 1919 wie Pilze aus dem Boden schossen, war kein Zufall. „Der Erste Weltkrieg mit 17 Millionen Toten und unendlichem Leid war gerade zu Ende gegangen. Entsprechend groß war die Sehnsucht der Menschen, bei Sport und Spiel wieder Gemeinschaft im Frieden zu erleben. Und wie viel besser war es da doch, die Kräfte im fairen Kampf um den Ball statt in den Schützengräben zu messen“, sagte Spürck.

Geschichte des Fußballs und der Jubiläumsvereine

Die Ausstellung hat zwei Schwerpunkte. Zum einen hat die Arbeitsgemeinschaft der Stadtarchive im Rhein-Erft-Kreis mit dem Dürener Kreis- und Stadtarchiv eine bereits in mehreren Städten präsentierte Schau über die Geschichte des Fußballs in der Region an Erft, Rhein und Rur entwickelt. Dazu gibt es in Kerpen einen opulenten Zusatzteil über die Historie der Jubiläumsvereine. Neben informativen Texttafeln zeigen die Ausstellungsmacher in liebevoll gestalteten Vitrinen eine Vielzahl von Fußball-Devotionalien, die das nostalgische Kickerherz höherschlagen lassen. Verwitterte Bälle aus der Zeit, als die Kugel noch aus echtem Schweinsleder von Hand gefertigt wurde, sind da zu sehen, ebenso historische Fußballschuhe, Wimpel, Mannschaftsfotos, Pokale, Ahnentafeln und als einer von vielen Hinguckern ganz frühe Original-Schraubstollen aus der Adidas-Produktion für die Weltmeisterschaft 1954. Kenner sagen, dass nicht zuletzt diese damals brandneue Innovation für griffigere Sohlen das „Wunder von Bern“ entscheidend begünstigt habe. Detailliert wird auch die Vereinsgeschichte der Kerpener Klubs aufbereitet. Hier ist unter anderem das Kassenbuch von Blau-Weiß Kerpen aus dem Gründungsjahr zu sehen, das zeigt, wie viel Arbeit die Pioniere in den Aufbau ihres jungen Klubs legten.

Fußballschuhe

Alte Treter aus Sepp Herbergers Zeiten und viele weitere Exponate sind zu sehen.  

Eine der 32 Texttafeln ist dem mühsamen Kampf der lange verspotteten Fußballerinnen um Anerkennung gewidmet, und auch das oft tödliche Leid, das die Nazis jüdischen Fußballfreunden zufügten, wird nicht ausgespart. „Auch in Kerpen gehörten jüdische Sportler 1919 zu den Vereinsmitbegründern. Keine 20 Jahre später sahen sie sich dann schlimmer Verfolgung ausgesetzt, mussten fliehen oder wurden deportiert“, sagte Stadtarchivarin Susanne Harke-Schmidt.

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Sie und ihr Team haben mit Unterstützung der Vereine viel mehr Material zusammengetragen, als im Haus der Geschichte Platz findet. Aber Platznot macht erfinderisch: Zahlreiche Trikots der fünf Jubiläumsclubs wurden kurzerhand an Leinen aufgehängt und bilden über den Köpfen der Besucher nun einen zusätzlichen Farbtupfer einer vielschichtigen Ausstellung über den Fußball als Volkssport, der seinen gesellschaftlichen Wert nicht dem Millionengeschäft im Profibereich verdankt, sondern der unermüdlichen ehrenamtlichen Arbeit. Bleibt zu hoffen, dass viele Besucher die Einladung des Blau-Weiß-Vorsitzenden Willi Grzeschik annehmen und sich, statt Fußball nur als TV-Ereignis zu konsumieren, auf dem Dorfsportplatz mal wieder ein Spiel ihres örtlichen Klubs anschauen.

Die Ausstellung „Heimspiel“ im Kerpener Haus für Kunst und Geschichte, Stiftsstraße 8, dauert bis zum 16. April 2020 und ist montags und dienstags von 9 bis 12 Uhr, donnerstags von 14 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung unter 02237/922-170 geöffnet. Hier können auch Sonderführungen angemeldet werden. Offene Führungen gibt es an den Donnerstagen 10. Oktober, 14. November, 5. Dezember, 2. Januar, 6. Februar, 5. März und 2. April ab 18.30 Uhr.

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