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SündenwäldchenAktivisten bei Kerpen bereiten sich auf Räumung vor

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Das Foto zeigt Aktivisten bei einer Pressekonferenz.

Bei der Pressekonferenz ((v.l.): Blanche Schwanke von „Lützerath Lebt“, Maria Arians vom Wasserbündnis Rheinisches Revier, Waldpädagoge Michael Zobel und Anselm Meyer-Antz von „Die Kirche im Dorf lassen“.

Am Montagmittag war die Lage in dem nur noch etwa einen Hektar großen Waldstück am Rande des Tagebaus ruhig.

Für die Aktivisten in und am Kerpener Sündenwäldchen spitzt sich die Lage zu. Durch eine Allgemeinverfügung der Stadt Kerpen ist ihnen das Betreten des verbliebenen Waldstücks ab dem Montag (6. Oktober) offiziell verboten. Zudem begann zu Monatsbeginn die Rodungssaison. Mit einer Räumung rechnen die Aktivisten allerdings erst ab dem 20. Oktober. Sie sprachen am Montag vor der Presse.

Etwa 30 Menschen hatten sich auf der Obstwiese an der Esperantostraße in Manheim-Alt in unmittelbarer Nähe zum Restbestand des Sündenwäldchens eingefunden. Die Anwesenden waren überwiegend Aktivisten und Bürger. Maria Arians vom Wasserbündnis Rheinisches Revier, Waldpädagoge Michael Zobel, Anselm Meyer-Antz von „Die Kirche im Dorf lassen“ und Blanche Schwanke von „Lützerath Lebt“ besprachen die nächsten Schritte vor der Öffentlichkeit und schalteten die Waldbesetzer per Videotelefonat hinzu.

Kerpen: Großteil des Wäldchens ist bereits gerodet

„Wir sind im Wald und wir sind bereit!“, gab eine Aktivistin aus dem Sündenwäldchen zu verstehen. Am Montagmittag war die Lage in dem nur noch etwa einen Hektar großen Waldstück ruhig. RWE hatte bereits Anfang des Jahres einen Großteil des ursprünglich circa sechs Hektar großen Waldes gerodet. Wie viele Menschen sich noch auf dem RWE-Gelände befinden, wollten die Aktivisten nicht preisgeben. „Wir sind viele und genug“, gab sich eine der Waldbesetzerinnen kämpferisch.

„Wir erwarten nun, dass der Wald in der Zeit vor dem 20. Oktober immer weiter abgeschottet und das Betreten erschwert wird“, sagte die Aktivistin auf Nachfrage, wie nun auf die Allgemeinverfügung reagiert werde: „Am 20. erwarten wir, dass die Räumung startet.“

Auch zwei Beamte der Polizei Rhein-Erft, die während der Pressekonferenz vor Ort waren, konnten keine genauen Angaben zu der Zahl der Menschen im Wald machen. Wann die Polizei die Räumung plant, wurde ebenfalls nicht berichtet.

Das Foto zeigt eine Menschengruppe, davon einer Polizist.

Zwei Polizeibeamte waren vor Ort und sprachen mit den Anwesenden.

Eine Räumung gilt erst ab dem 20. Oktober als wahrscheinlich. Grundlage für diese Annahme ist ein Passus der Kerpener Allgemeinverfügung, die am 30. September vom Ersten und Technischen Beigeordneten der Stadt Thomas Marner erlassen wurde: „Sollte den Anordnungen dieser Allgemeinverfügung keine Folge geleistet werden, ist ab dem 20.10.25 mit der Ergreifung von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung durch Ausübung von unmittelbarem Zwang zu rechnen.“ Blanche Schwanke kündigte eine Demonstration am 19. Oktober vor Ort an.

RWE gab auf Anfrage zu verstehen, „die notwendigen und gerichtlich bestätigten Arbeiten auf der rund einen Hektar großen Restfläche in dieser Rodungssaison abzuschließen“. Einen konkreten Zeitplan nannte ein Sprecher dabei nicht. Dafür betonte er, dass es sich das Gelände im Eigentum von RWE Power befinde. „Die Restfläche befindet sich auf unserem Betriebsgelände im unmittelbaren Vorfeld des Tagebaus. Sie liegt im genehmigten Abbaufeld und wird ab dem zweiten Quartal 2026 bergbaulich in Anspruch genommen.“

Der RWE-Sprecher berief sich dabei auf die Leitentscheidung der NRW-Landesregierung: „Die Inanspruchnahme zur Gestaltung des künftigen Hambacher Sees ist Bestandteil der Leitentscheidungen der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und wurde im Frühjahr auch gerichtlich klar bestätigt.“

Dass die Stadt Kerpen der von RWE beantragten Allgemeinverfügung stattgegeben hat, befürwortet das Unternehmen selbstredend. Die Aktivisten auf dem Gelände stellen ihm zufolge ein Risiko für die Betriebssicherheit dar.

Die Aktivisten blickten zurück auf die Jährung der Großdemo am 6. Oktober vor sieben Jahren zum Schutz des Hambacher Walds und machten noch einmal deutlich, wofür sie sich einsetzen: „Leute klopfen einem auf die Schulter und sagen, wir hätten den Wald gerettet. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es steht zwar noch ein Stück des Hambacher Walds, aber dem Wald geht es sehr, sehr schlecht“, sagte Zobel: „Und zum Wald gehört nicht nur der berühmte Hambi, dazu gehört das Sündenwäldchen und auch die Steinheide.“

Das Foto zeigt einen Bagger bei der Rodung des Sündenwäldchens in Kerpen.

Anfang des Jahres 2025 rodete RWE einen Großteil des Sündenwäldchens.

Er bemängelte die fehlende Einhaltung des NRW-Koalitionsvertrags, der die Vernetzung der genannten Wälder vorsehe, was durch die Aushöhlung der Manheimer Bucht unmöglich werde sowie die abnehmende Aufmerksamkeit für das Thema in der Öffentlichkeit. Auch die geplante Umleitung des Rheinwassers in die Tagebaue Garzweiler und Hambach kritisierte Zobel: „Das ist eine ökologische Katastrophe mit Ansage. Das bringt die Trinkwasserversorgung zwischen Köln und Aachen in massive Probleme.“

Maria Arians bemängelte zudem das Abbaggern „besten Ackerlandes, um Sand und Kies, nicht mal mehr Kohle, zu gewinnen“. Zudem ist ihrer Meinung nach damit zu rechnen, dass das Wasser der Tagebau-Seen „sauer wie Essig“ sein werde aufgrund von Pyrit-Vorkommen im Erdreich.

Die Manheimer Bucht, die RWE bei Manheim-Alt ausheben will, dient nicht mehr der Kohle- sondern der Kiesgewinnung. Mit dem Kies will RWE den Tagebau für die Zeit nach dem Kohleausstieg 2030 nutzbar machen. Hier soll ein See entstehen, der Kies wird laut RWE für die Böschung benötigt.

Auch Antje Grothus, Sprecherin für Bergbausicherheit und nachhaltigen Strukturwandel der Grünen Landtagsfraktion, äußerte sich zu den Entwicklungen: „Mich schmerzt, dass für den Tagebau eine weitere ökologisch wertvolle Waldfläche zerstört werden soll. Ich habe mich immer für den Erhalt der Landschaft im Tagebauvorfeld eingesetzt. Insbesondere seit der Veröffentlichung der RWE-Pläne im Jahr 2020, den Hambacher Wald komplett zu ‚verinseln‘. Das Sündenwäldchen ist neben anderen Grünstrukturen ein wichtiger Trittstein zwischen dem erhaltenen Hambacher Wald und dem Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet Steinheide.“

Sie betonte zudem, dass im Bereich des Tagebaus die Wildkatze nachgewiesen worden sei. „Wir haben hier also seltene und sensible Arten, deren Lebensräume geschützt werden müssen. Es ist jetzt wichtig, dass rasch Klarheit über die kommende Waldvernetzung hergestellt wird.“

Der Landwirt und Jagdfunktionär Stephan Kirsch hatte im Nachgang jedoch zum Fund der Wildkatze geäußert, dass dieser die geplante Kiesgrube nicht ausschließe. Die Wildkatzen würden sich seiner Erfahrung nach nicht von Kiestagebauen vertreiben lassen.