Listening-Projekt in BuirEin Wohnwagen für Gespräche

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Der Hamburger Künstler Rudolf Giesselmann (2.v.l.) ist derzeit mit dem Listening-Projekt in Buir zu Gast und lädt zum Reden und zum Zuhören in seinen Gesprächsraum ein.

Der Hamburger Künstler Rudolf Giesselmann (2.v.l.) ist derzeit mit dem Listening-Projekt in Buir zu Gast und lädt zum Reden und zum Zuhören in seinen Gesprächsraum ein.

Kerpen-Buir – Egal, wer in der Runde sitzt – es passiert eigentlich fast immer dasselbe, wenn TV-Talker wie Maischberger, Will, Plasberg oder Illner die Moderationszügel mal wieder zu locker führen: Die Talkshow-Gäste fallen sich gegenseitig ins Wort, dozieren ausschweifend über Fragen, die gar nicht gestellt wurden, und kämpfen mit allen Tricks um jede Sekunde Redezeit. Und am Ende läuft die Sache nicht selten so sehr aus dem Ruder, dass alle nur noch gleichzeitig plappern.

„Dabei kann ein gut geführtes Gespräch doch so wohltuend und inspirierend sein. Offen miteinander zu reden, erzeugt Verständnis füreinander, erweitert den eigenen Horizont, eröffnet neue Blickwinkel und fördert die gegenseitige Achtung“, sagt Robert Giesselmann. Wer’s nicht glaubt, kann es in dieser Woche gern selber einmal ausprobieren. Denn der Hamburger Künstler und Pädagoge ist mit seinem Listening-Projekt in Buir zu Gast. Noch bis Samstag, 17. November, kann in Giesselmanns mobilem Gesprächsraum jeder mit jedem in geschütztem, regulierten Rahmen über jedes Thema sprechen – täglich um 15, 17 und 19 Uhr und am besten nach kurzer Anmeldung unter 0177/752 69 90.

Viel Gesprächsbedarf wegen Braunkohle

Am Wochenende besetzten die ersten Kunstprojekt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer im Gesprächsmobil, das für zwei bis fünf Mitredner konzipiert ist. Der „experimentelle Raum für Einander-Zuhören“ steht in der Bahnstraße 50 neben Michael Müllers Atelier, und es handelt sich um einen beheizten Wohnwagen, der an einer Seite verglast ist. So kann man von außen zwar zusehen, aber nicht zuhören. „Unser Dorf redet...“ lautet der Titel der Aktion, zu der die in Buir lebende und von Giesselmanns Ansatz sehr beeindruckte Sozialpädagogin Elke Büttgen-Papke den Künstler in den Kerpener Westen eingeladen hat.

Dabei hat Giesselmann in den vergangenen zwei Jahren vorwiegend in Großstädten Station gemacht: „Auf dem Dorf war ich noch nie. Aber ich habe mir sagen lassen, dass es hier in Buir nicht zuletzt wegen der Braunkohle derzeit viel Gesprächsbedarf gibt. Vielleicht gelingt es ja, manche Gräben in guten Gesprächen zuzuschütten. Aber es können natürlich auch beliebige andere Themen zur Sprache kommen. Jeder Teilnehmer gibt sein Thema selbst vor, muss im Gegenzug jedoch bereit sein, sich dann auch auf die Themen der Mitredner einzulassen“, erklärt der Künstler und weckt Mut zum Mitmachen: „Es können Leute kommen, die sich schon kennen. Aber auch Unbekannte finden nach meinen Erfahrungen oft erstaunlich schnell eine gemeinsame Gesprächsebene.“

Dass das Listening-Projekt schon viele gute Gespräche zustande gebracht hat, liegt auch an dem von Giesselmann entwickelten und ebenso einfachen wie effektiven Regelwerk.

Das oberste Gebot lautet, dass immer nur einer redet und alle anderen schweigend zuhören – mit der Gewissheit, bald selber an der Reihe zu sein und dann ebenfalls ungestört sprechen dürfen.

artinprogress.info

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