Pflegedienst in WesselingVon der Wolga an den Rhein

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Maria Gejs ist Wolgadeutsche und seit 15 Jahren in Deutschland. Die 84 Jahre alte Frau ist sehr froh, dass die Angestellten ihres Pflegedienstes ihre Muttersprache Russisch sprechen.

Maria Gejs ist Wolgadeutsche und seit 15 Jahren in Deutschland. Die 84 Jahre alte Frau ist sehr froh, dass die Angestellten ihres Pflegedienstes ihre Muttersprache Russisch sprechen.

Bornheim/Wesseling – Maria Gejs sitzt in ihrem Sessel und schaut Fernsehen. Ihr Kopf ist durch ein Kissen gestützt. Hinter ihr an der Wand hängen Bilder ihrer fünf Kinder und einiger ihrer Enkelkinder. Rechts von ihr liegen zwei Fernbedienungen und das schnurlose Telefon. Die Wanduhr tickt. Ihr Alltag gleicht wohl dem von vielen 84 Jahre alten Frauen in Deutschland.

Der einzige Unterschied: Maria Gejs aus Bornheim hat russische Wurzeln und spricht nur sehr schlecht Deutsch. Seit 15 Jahren lebt sie in Deutschland. Schon im aktiven Berufsleben, als sie ihr Geld als Putzkraft verdiente, hatte sie wenige soziale Kontakte zu Deutschen. Wie fühlen sich Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, wenn sie im Alter gebrechlicher werden und auf die Pflege durch fremde Menschen fern der Heimat angewiesen sind?

Zweisprachiges Pflegepersonal

Zu Gejs kommt mittlerweile dreimal am Tag der Pflegedienst. Sie hat zu hohen Blutdruck, ein nicht mehr ganz intaktes Herz und eine beginnende Demenz. Soziale Kontakte sind noch seltener geworden.

Der Pflegedienst mildert ihre Isolation. Das Besondere an der ambulanten Altenpflege Optivita ist nämlich die Zweisprachigkeit des Pflegepersonals. In ihrer Muttersprache kann Maria Gejs ihre Sorgen und körperlichen Befinden äußern. Auf Deutsch könnte sie das nicht.

Sprachbarrieren hindern Heilungsprozess

„Über die Sprache bekommen wir den Zugang zu den Menschen“, sagt Optivita-Pflegedienstleiter Jürgen Beicht. „Sprachbarrieren sind Hindernisse im Heilungsprozess“, sagt er. Die Mitarbeiterinnen beherrschen dabei nicht nur die russische Sprache, sie kennen auch die Kultur des Landes. „Russische Frauen lassen sich zum Beispiel nicht von Männern pflegen“, sagt Beicht. Auch im Umgang der Pflegerinnen mit russischen Patienten werde es um einiges leichter, wenn man sich intuitiv verstehe, weil man den kulturellen Hintergrund des Patienten kennt.

An diesem Tag geht es Maria Gejs nicht besonders gut. „Ich habe etwas am Magen, vielleicht was Falsches gegessen“, sagt sie. Wenn sie die Toilette aufsuchen muss, lehnt sie die Hilfe des Pflegedienstleiters trotzdem ab. Sie wartet lieber auf die Ankunft der Pflegerin.

Große Nachfrage

Seit 15 Jahren lebt Maria Gejs hier. Sie ist Wolgadeutsche, das heißt ihre Vorfahren waren Deutsche, die im 18 Jahrhundert nach Russland, das damals noch Zarenreich war, geflohen sind, und sich dort an der Wolga ansiedelten. „Ich fühle mich wohl hier und bin sehr zufrieden mit meinem Leben“, sagt Maria Gejs. Zurück nach Russland möchte sie nicht, sie hat dort keine Verwandten mehr.

Von den rund 40 Patienten des Wesselinger Pflegedienstes hat rund die Hälfte russische Wurzeln. Die Nachfrage sei groß. Allein in Wesseling leben rund 1400 russischsprachige Menschen, die in den nächsten Jahren bedürftig werden. „Gerade bei dementen Patienten merken wir, dass sie die wenigen Deutschkenntnisse vergessen und in ihre Muttersprache zurückfallen“, sagt Geschäftsführer Konstantin Schainksi.

Pflegedienst übersetzt

Maria Gejs hat Pflegestufe eins. Um dies zu ermitteln, besucht der medizinische Dienst der Krankenkassen den Patienten, um ihn zu begutachten und entsprechend seiner Leiden einzustufen. „Auch hier ist eine Vermittlung sehr wichtig“, sagt Beicht. Wenn der Pflegedienst nicht übersetzen könne, müssten das Angehörige übernehmen. „Und die sind ja oft nicht da, entweder wohnen sie in einer anderen Stadt, oder haben dann keine Zeit“, sagt Beicht. Hinzu komme, dass viele der Migranten auch nicht ihre Rechte kennen würden. „Wir können ihnen dann genau sagen, welche Pflegeleistungen ihnen zustehen und was die Krankenkasse bezahlt. Da sind einige verwundert, sie kennen so ein Solidaritätsprinzip überhaupt nicht“, sagt Schainksi.

Gejs ist sehr zufrieden mit ihrer Pflegerin. Sie hat sich ihr geöffnet und freut sich, wenn sie dreimal am Tag den Schlüssel im Türschloss ihrer Wohnung hört.

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