VermisstenfälleSo geht die Polizei im Rhein-Erft-Kreis bei der Suche vor

Wenn es Hinweise gibt, dass ein Vermisster tot aufgefunden wurde, wird der Fundort mit Flatterband weiträumig abgesperrt.
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Rhein-Erft-Kreis – Mehrere hundert Menschen werden jedes Jahr in den zehn Städten des Kreises als vermisst gemeldet. Die meisten von ihnen kehren innerhalb kurzer Zeit zurück oder werden gefunden, nicht selten von der Polizei. Tagesgeschäft also.
Schwer zu verkraften ist es aber selbst für erfahrene Polizisten, wenn die Suche so endet wie die nach einem 16-jährigen Schüler vor wenigen Tagen: Er war am Montag in einem Weiher in Bergheim tot aufgefunden worden, nachdem Beamte, Mitschüler und etliche Frauen und Männer aus seinem Dorf Fliesteden mehrere Tage vergeblich nach ihm gesucht hatten. Ein verzweifelter 16-Jähriger, der seinem so kurzen Leben ein Ende setzt – da geht niemand ungerührt seinem Alltag nach.
Polizei fand im Januar Pulheimer tot auf
Erst recht nicht, wenn die letzte schreckliche Nachricht noch nicht lange zurückliegt. Im Januar hatte die Polizei im Rhein-Erft-Kreis einen 41-Jährigen aus Pulheim gesucht, den seine Familie als vermisst gemeldet hatte. Wenige Tage nachdem die Öffentlichkeit zur Mithilfe bei der Suche aufgerufen worden war, wurde er in einem Wald im rheinland-pfälzischen Gerolstein tot aufgefunden. Bei dem Gesuchten handelte sich um einen Kollegen. Die Todesursache: Suizid.
Angesichts der hohen Zahl der Fälle gibt es bei der Polizei eine Abteilung, die sich ausschließlich mit Vermisstenmeldungen beschäftigt. Zurzeit gelten im Rhein-Erft-Kreis etwa 25 Menschen als langzeitvermisst – sie sind länger als sechs Wochen nicht auffindbar. Nach Angaben eines Behördensprechers handelt es sich hauptsächlich um Jugendliche aus Jugendeinrichtungen und Kinderheimen. Die Zahl schwankt mitunter, da manche Jugendliche, die an einem Tag in die Einrichtung zurückgebracht werden, kurze Zeit später wieder ausreißen.
Rhein-Erft-Kreis: Kriminalistischer Hintergrund selten
Im vergangenen Jahr hat die Polizei bis Ende September 579 Vermisstenfälle bearbeitet. 2020 waren es 952, im Jahr zuvor 608. Die Zahl der Fälle ist allerdings nicht identisch mit der Zahl der Vermissten: Wenn jemand wiederholt als vermisst gemeldet wird, wird dies mehrfach gezählt. Dies komme besonders bei Jugendlichen häufiger vor, sagt der Polizeisprecher.
„Äußerst selten“ liege Vermisstenfällen ein kriminalistischer Hintergrund zugrunde. Zuletzt habe die Polizei 2017 einen solchen Fall bearbeitet, bei dem ein Verbrechen vorgelegen habe.
Rhein-Erft-Polizei bewertet Gesamtumstände
Wenn sich ein Mensch das Leben genommen hat, überbringen die Beamten den Angehörigen die Todesnachricht grundsätzlich in Begleitung eines Seelsorgers. „Polizeiliches Fingerspitzengefühl und empathisches Vorgehen“ seien in solchen Augenblicken besonders wichtig, sagt der Behördensprecher. „Wenn eine Traumatisierung erkennbar oder zu erwarten ist, veranlassen wir Hilfsangebote über die Kriminalprävention oder den Opferschutz.“ Niemand werde allein gelassen.
Einfühlungsvermögen sei auch gefragt, wenn Angehörige jemanden als vermisst meldeten – schließlich befänden die sich in einer Ausnahmesituation. „Wir gehen jeder Vermisstenmeldung nach“, versichert der Sprecher. Allerdings gebe es Abstufungen: „Die 16-Jährige, die wiederholt abgängig war und ist, wird anders bearbeitet als der Suizidgefährdete oder der demenzkranke 90-Jährige, der aus einem Altersheim abgängig ist.“ Es gelte: Je konkreter die Gefahr, desto intensiver und zeitnaher die Fahndungsmaßnahmen. Bei Kindern und Jugendlichen werde ausnahmslos eine Gefahr angenommen. Bei Erwachsenen müssten die Gesamtumstände beurteilt werden.
Demenzkranker Brühler tauchte in Köln auf
Für die Polizei ist es unerheblich, wann ein Mensch als vermisst gemeldet wird. So könne jemand unmittelbar nach seinem Verschwinden als vermisst gemeldet werden, wenn Umstände vorlägen, die darauf schließen ließen, dass Gefahr im Verzug sei. Dazu zählen unter anderem Suizidabsichten oder eine schwere Erkrankung, die eine regelmäßige Einnahme von Medikamenten erfordert.
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Am liebsten versendet die Pressestelle der Polizei E-Mails an die Medien, in denen sie vermelden kann, dass ein vermisster Mensch wieder aufgetaucht ist. So wie kürzlich, als ein an Demenz erkrankter Mann (72) nicht in seine Senioreneinrichtung in Brühl zurückgekehrt war. Er wurde wohlbehalten nur wenige Stunden später in Köln-Sülz aufgefunden. Die Erleichterung bei seinen Angehörigen und der Heimleitung war groß – und auch die der Polizisten.