JungtiereNutrias am Rhein in Wesseling gesichtet – warum sie weiterreisen

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Auf dem Bild sind zwei Nutrias in ihrer Höhle zu sehen.

Im Schlosspark von Schloss Gracht in Liblar kann man den Nagern bis in die Höhlen gucken. Dort im Wasserlauf fühlen sie sich pudelwohl.

In Urfeld wurden mehrere der Nager gesichtet, an der Erft haben sie bereits ein Zuhause gefunden und sorgen dort mancherorts für Schäden.

Jetzt also auch am Rhein in Wesseling: Nutrias. Ausflügler hatten einen der Nager am Rheinufer gesehen, fotografiert und direkt im sozialen Netzwerk gepostet. Erst vor ein paar Tagen wurde auch ein Hund am Rhein in Urfeld von einem der Nager gebissen. Bekannt ist zudem, dass jüngst ein Nutria sogar im Vorgarten eines nah am Rhein in Urfeld stehenden Hauses gewütet und gegraben hat. „Das Tier soll sogar für ein paar Tage dort gehaust haben“, sagt Wasserkundler Hinrich Doering vom Nabu Rhein-Erft. Er wohnt in Urfeld und ist gerne und oft am Rheinufer.

Der viel befahrene Radweg stört die Nutrias

Dass sich die Nager jedoch dauerhaft in Urfeld ansiedeln oder sogar schon angesiedelt haben, glaubt er nicht. „Die Uferböschungen sind hier befestigt und der Strand ist sehr kiesig“, erklärt er. Das biete den Nagern schlechteste Bedingungen für ihren unterirdischen Höhlenbau.

Nutrias bauen ihre Höhlen meist vom Gewässer aus unter Wasser in die Uferregionen hinein – mitunter auch in Deiche. Am Rhein zwischen Wesseling und Urfeld gehe das aber nicht. Dort störe auch der viel befahrene Radwanderweg. „Und der Deich ist hier einfach zu weit vom Ufer weg“, erklärt er. Doering geht davon aus, dass es sich bei den Nutria-Sichtungen in Wesseling und Urfeld um Jungtiere auf der „Durchreise“ handelt, die von den nahen Sieg-Auen rheinabwärts schwimmen und neue Reviere suchen.

Auf dem Bild ist das Rheinufer in Urfeld zu sehen.

Am Rheinufer in Urfeld haben die Tiere keine Möglichkeit sich Höhlen zu bauen. Das Ufer ist kiesig, zudem gibt es einen vielbefahrenen Radweg und der Deich ist viel zu weit weg.

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) mit Sitz in Koblenz bestätigte auf Anfrage, dass sich Nutria zwar längst auch am Rhein angesiedelt haben, allerdings seien sie bisher verstärkt am gesamten Unter- und Oberrhein verbreitet. Im Mittelrheintal, also zwischen Bingen und Köln und somit auch in Wesseling und Urfeld, gibt es der BfG zufolge noch Verbreitungslücken. „Nutria bevorzugen fließberuhigte Bereiche, wie Alt- und Nebenarme oder staugeregelte Fließgewässerabschnitte“, heißt es.

Wenn sich die Nager bedroht fühlen, beißen sie zu 

„Gewässer wie kleine Seen, Tümpel und Flüsse wie etwa die Erft“, erklärt Doering. Seit Jahrzehnten seien die Nager bereits an der Erft zu Hause. Am Stadtweiher in Lechenich und im Schlosspark Gracht lassen die Nager ihr Publikum sogar so nah an sich heran, dass es mitunter scheint, als ließen sie es drauf ankommen, gestreichelt zu werden. Das allerdings sollte man tunlichst vermeiden. Denn wenn sich die Nager bedroht fühlen, beißen sie zu. Die BfG aber auch Doering raten auch dringend davon ab, die Tiere zu füttern. Das löse nämlich nicht das Problem, es beflügele nur die Population der Tiere noch mehr. „Nutria haben hierzulande keine natürlichen Feinde“, berichtet Doering. Allenfalls der Luchs oder der Wolf wären ihre „Jäger“.

Auf dem Bild ist Hinrich Doering vom Nabu zu sehen.

Hinrich Doering aus Wesseling ist Wasserkundler der Nabu Rhein-Erft und hat sich während seiner Berufstätigkeit auch mit Nutria beschäftigt.

Auch im Rhein-Erft-Kreis sind die Tiere teils eine richtige Plage mit großen Auswirkungen auch für die Landwirtschaft“, erklärt Doering. „Sie bauen ihre Höhlen ja auch in die ufernahen landwirtschaftlichen Nutzflächen. Während seiner Berufstätigkeit beim Erftverband hat Doering viele dieser Schäden gesehen. Die Tiere seien Vegetarier. „Die haben schon ganze Zuckerrübenfelder geplündert und leergefressen“, berichtet der Urfelder, der 25 Jahre beim Erftverband gearbeitet hat.

Laut BfG schälen die Nager aber auch Bäume und nehmen als Beikost Insekten, Würmer und an den Flüssen auch Muscheln auf. Die ursprünglich aus Südamerika stammenden Nager, die heute wild im gesamten mitteleuropäischen Raum leben sind Nachkommen der einst aus Pelzfarmen entflohenen Tiere. „Teilweise wurden sie aber auch bewusst angesiedelt“, erklärt BfG-Tierökologin Saskia Schmidt.

Der Gedanke, die rattenähnlichen Tiere zu essen, lässt viele erschaudern
Hinrich Doering, Nabu Rhein Erft

Und in einigen Regionen am Rhein, vor allen Dingen auch in den Niederlanden, sind sie zu einer richtigen Bedrohung geworden. „Die Nutria gefährden ja mit ihren Bauten, die sie in Deichen anlegen, die Standsicherheit der Deiche“, betont die BfG-Tierökologin. Um der Plage Herr zu werden seien auch in Deutschland längst umfangreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. Regelmäßig fänden Bestandskontrollen statt. Auch jede Art von gezielten Fütterungen seien gestrichen. „In den meisten Bundesländern sind Nutria mittlerweile zur Jagd freigegeben“, berichtet Schmidt.

In Holland und vielen anderen Ländern kommen Nutria auch in die Pfanne. Hunderte Rezepte sind online dazu abrufbar. „Sie schmecken ein bisschen wie Kaninchen und Geflügel“, heißt es. Doering hat während seiner Berufstätigkeit jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Rheinländer bei der Idee, die Nager zuzubereiten, eher die Nase rümpfen würden . „Der Gedanke, die rattenähnlichen Tiere zu essen, lässt Viele erschaudern“, sagt er.

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