„Projekt Mimesis“Autor aus Ruppichteroth widmet sich Science-Fiction und Wissenschaft

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Aga-Kröten sollte man nicht anfassen, da sie extrem giftig sind. Falls man sie berührt, sollte man sich danach tüchtig die Hände waschen. Das Foto zeigt den Autor mit einer Kröte in Paraguay.

Aga-Kröten sollte man nicht anfassen, da sie extrem giftig sind. Falls man sie berührt, sollte man sich danach tüchtig die Hände waschen. Das Foto zeigt den Autor mit einer Kröte in Paraguay.

Rhein-Sieg – Simak Büchel (43) gibt den jungen Leseratten fleißig Futter: „Projekt Mimesis – Die Insel der künstlichen Kinder“ ist als erster Teil einer Science-Fiction-Trilogie erschienen, außerdem hat er den Text zum Kindersachbuch „Wie die Welt zusammenhält“ geschrieben. Annette Schroeder sprach mit dem Autor, der in Ruppichteroth lebt.

Ein „fruchtiges Lachen“ ist das Markenzeichen des Bösewichts Borax Dosch, Chef vom „Projekt Mimesis“. Was muss man sich darunter vorstellen?

Simak Büchel: Es gibt ja den Begriff „fruity laugh“. Da ich gern englische Literatur im Original lese, hat er sich bei mir festgesetzt. Gemeint ist ein sattes, überquellendes Lachen, etwas zu süß und auch nicht ganz wahrhaftig.

Also angemessen für einen Schurken, der die Welt beherrschen will. Wie kamen Sie auf die Idee, eine Romantrilogie zu schreiben?

Zukunftstechniken wie Künstliche Intelligenz und Robotik interessieren mich sehr. Es sollten unbedingt Kinder vorkommen, die man an der Steckdose aufladen muss. Außerdem hatte ich Lust auf ein furioses Finale, bei dem eine ganze Insel in die Luft fliegt.

Das zentrale Motiv ist die „Mimesis“, Ihnen als Biologe ein vertrautes Phänomen, das die jungen Leser nun ebenfalls kennenlernen.

Das Buchcover zeigt es: Die Mimese findet man etwa bei Heuschrecken, die sich als Blätter ausgeben. Tiere tarnen sich, um ihren Fressfeinden zu entgehen. Da lag die Idee nahe, Maschinen zu konstruieren, die vorgeben, Menschen zu sein. Was passiert mit uns, wenn wir nicht sicher sein können, dass unser Gegenüber ein echter Mensch ist? Wir unterhalten uns doch jetzt schon mit „Siri“ und „Alexa“. Darüber spreche ich auch mit den Kindern bei Lesungen in Schulen.

Was sind die Kriterien des Menschlichen? Kann man mit etwas befreundet sein, das gar nicht lebt? Und träumen Roboter? Darauf wird der zweite Teil der Trilogie „Projekt Oblivion – Geister am Polarkreis“eine Antwort geben, der vor wenigen Tagen erschienen ist.

Ist mit dem Thema Zukunft denn auch ein literarischer Kurswechsel für Sie verbunden?

Ja, mit der Trilogie um den jungen Außenseiter Jorin, der ein Agenten-Abenteuer erlebt, beginnt für mich etwas ganz Neues. Ich versuche, meine Gestaltungsfreiräume im Fantastischen auszuschöpfen, aber auch stark auf die Gegenwart Bezug zu nehmen. Als Ort des Geschehens habe ich Europa gewählt, das mit seiner bunten kulturellen Vielfalt im Regionalen immer wichtiger wird, während die Nationalstaaten etwas an Kontur verlieren.

Zur Personb

Simak Büchel wurde 1977 in Bonn geboren und studierte Germanistik, Philosophie und Biologie. Er promovierte über das Thema Kolonialliteratur.

Seit 2007 arbeitet er als freier Kinderbuch-Autor. Er gibt zahlreiche Lesungen in Schulen und leitet auch Schreibwerkstätten. Sein Schaffen wurde mit mehreren Stipendien ausgezeichnet. Mit Frau, Sohn und Tochter lebt er in Ruppichteroth.

„Projekt Mimesis – Die Insel der künstlichen Kinder“, 236 S., „Projekt Oblivion – Geister am Polarkreis“, 264 S. (Südpol-Verlag, je 15 Euro), sind für Kinder ab zehn Jahre geeignet.

„Wie die Welt zusammenhängt – hinter den Kulissen der Natur“, Illustrationen von Verena Geiger, Circon-Verlag, 143 S., 18 Euro, wendet sich an Leser ab acht Jahre. (as)

Sie sind um die halbe Welt gereist; hat die „Insel der künstlichen Kinder“ ein reales Vorbild?

Es gibt da eine Vorlage, die ich aber zu einem neuen Ort modelliert habe. Blauköpfigen Eidechsen bin ich mit meiner Familie auf Teneriffa begegnet, wir haben die Reptilien mit Früchten gefüttert. Gierig verbissen sich die Tiere nicht nur in der Frucht, sondern auch in meinen Fingern. Und ich hatte das Gefühl, in den kühlen Augen nur eine Frage zu lesen: „Hast du was zu essen oder bist zu was zu essen?“

Um Fressen und Gefressenwerden geht es auch in dem Buch „Wie die Welt zusammenhält“, indem Sie hinter die Kulissen der Natur blicken, wie es im Untertitel heißt. Wie kam es dazu?

Der Verlag war auf der Suche nach einem Autor, der fachkundig ist und komplexe Themen für junge Leser verständlich formulieren kann. Ich fand den Ansatz reizvoll, zu zeigen, wie alles mit allem zusammenhängt, selbst wenn man es gar nicht sehen kann – etwa die Pilze, die unterirdisch ein riesiges Geflecht bilden und in Symbiosen mit Bäumen leben.

Dieses System der Kooperation und Kommunikation auch in der Tierwelt ist für mich ein schönes Gegenbild zur menschlichen Ellbogengesellschaft. Davon kann der Homo sapiens viel lernen.

Haben Sie bei der Arbeit an diesem Buch auch selbst etwas gelernt?

Ich habe einen neuen Blick auf die Natur gewonnen. In ihr sollen sich Kinder wohl und aufgehoben fühlen. Und dazu war es mir wichtig, ihren Forschergeist anzuregen. Die kleinen Experimente, die ich im letzten Teil schildere, etwa ein Ökosystem in der Flasche aufzuziehen oder den Lebensraum Pfütze unter die Lupe zu nehmen, zielen auf die unmittelbare Umgebung ab. Jeder kann das nachmachen.

Sie finden viele griffige Bilder für Naturphänomene, wenn Sie etwa die Klimazonen der Erde mit dem Muster eines Ringelpullis vergleichen. War es schwierig, die Balance zwischen Differenziertheit und Verständlichkeit zu halten?

Eigentlich nicht. Ich finde, dass auch Wörter vorkommen dürfen, die sich Heranwachsenden nicht auf den ersten Blick erschließen. Man sollte fördern, aber auch fordern.

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Letzteres wohl behutsam. So schreiben Sie in „Wurst, Wurst, Wurst!“ zu Ernährung und Treibhausgase: „Man muss ja nicht gleich Vegetarier werden.“ Warum nicht?

Ich will nicht den moralischen Zeigefinger heben, sondern lieber eine Evolution des Geschmacks anstoßen und zum Weiterdenken anregen. Dass man weiß: Was da auf dem Teller liegt, wo kommt es her? Viele gute Ideen verpuffen im Alltag, wenn die Eltern nicht mitziehen, weil sie sich bevormundet fühlen.

So ist dieses Buch eigentlich ein Familienbuch. Ich freue mich auch über viele Rückmeldungen von Erwachsenen, die bei der Lektüre mit ihren Kindern Neues erfahren haben. Wer weiß schon, dass ein kleiner Ruderfußkrebs als Parasit an den Augen des Grönlandhais andockt und dass der Wirt mehrere Hundert Jahre alt werden kann?

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