Hengasch-Fans verlieren ihr PilgerzielSeelscheider Gasthof Röttgen schließt 2019

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Jutta und Klaus Haas führen den Gasthof Röttgen in der fünften Generation.

Jutta und Klaus Haas führen den Gasthof Röttgen in der fünften Generation.

Neunkirchen-Seelscheid – Eine Ära geht im historischen Dorfkern von Seelscheid zu Ende: Mitte März 2019 wird der Gasthof Röttgen schließen – eine Anlaufstelle nicht nur für Liebhaber der regionalen und saisonalen Küche, sondern auch für Besucher von Kleinkunst-Abenden, Lesungen und Jazz-Konzerten, die im großen Saal stattfanden.

„Aus Altersgründen“ verabschieden sie sich von ihren Gästen, erklärten gestern Klaus (64) und Jutta Haas (61). Das Ehepaar, das den Gasthof in der fünften Generation als Inhaber führt, hat bislang keine Nachfolger gefunden. Auch wenn sich in der nächsten Generation der Familie Hotelfachleute finden – die Tochter arbeitet im Bonner Grand Hotel Kameha –, so sind sie doch beruflich anders eingebunden.

Familienbetrieb mit Herzblut

„Wir sind auch für alternative gastronomische Konzepte offen“, erklärt Klaus Haas. Neben der Pacht sei auch ein Verkauf denkbar. „Solch einen Familienbetrieb muss man mit Leidenschaft und Herzblut führen und lange Arbeitstage in Kauf nehmen“, gibt Jutta Haas zu bedenken, die das Hotelfach im Bonner Königshof lernte. Dort stand Ehemann Klaus am Herd, nachdem er eine Lehre im Lohmarer Naafs-Häuschen absolviert hatte.

Das Ehepaar hat den Gasthof vor 37 Jahren übernommen und damit auch seinen Namen „Röttgen“, der noch von einem Vorfahr stammt. Auch einige der Mitarbeiter halten dem Betrieb schon seit vielen Jahren die Treue. Drei Kräfte beschäftigt Klaus Haas in der Küche. Mutter Lotte (93) schält noch täglich die Kartoffeln.

Lotte Haas, die Mutter von Klaus Haas, steht auf dem linken Bild am Tresen. Rechts ist eine Biergarten-Szene aus dem Jahr 1915 zu sehen.

Lotte Haas, die Mutter von Klaus Haas, steht auf dem linken Bild am Tresen. Rechts ist eine Biergarten-Szene aus dem Jahr 1915 zu sehen.

Bis zu zehn Aushilfen beaufsichtigt Jutta Haas im Service. Bei Hochbetrieb sind nicht nur die holzgetäfelte Gaststube, die viel Gemütlichkeit ausstrahlt, sondern auch Gesellschaftsraum, Kegelbahn und Saal zu bespielen. Bislang lebten Klaus und Jutta Haas auch in dem Fachwerkhaus, von dem sie selbst nicht wissen, wie alt es ist. Einen Hinweis gibt eine historische Postkarte, die mit anderen alten Aufnahmen an der Wand in der Gaststube hängt. Sie trägt einen Stempel von 1915.

Kulturjedöns im Festsaal

Der Festsaal mit seiner knarzenden Holzbühne ist in den letzten Jahren auch zur Kleinkunstbühne avanciert. Die Reihe „Kulturjedöns“ mit prominenten Gästen wie Gerd Köster, Sebastian Pufpaff oder Norbert Alich und Rainer Pause fand überwältigenden Anklang. Die 199 Plätze, die der Saal laut Brandschutzverordnung fassen darf, sind immer besetzt.

Lotte Haas, die Mutter von Klaus Haas, steht auf dem linken Bild am Tresen. Rechts ist eine Biergarten-Szene aus dem Jahr 1915 zu sehen.

Lotte Haas, die Mutter von Klaus Haas, steht auf dem linken Bild am Tresen. Rechts ist eine Biergarten-Szene aus dem Jahr 1915 zu sehen.

Wie Organisatorin Rita Dörper-Link erklärt, waren „die letzten Veranstaltungen innerhalb weniger Stunden ausverkauft“. Das gilt auch für die Lesung mit Autorin Christine Westermann, die am 8. März 2019 zum Finale in den Gasthof kommt. Danach müssen sich auch der Männerchor Mohlscheid und der Männergesangverein Seelscheid ein neues Vereinslokal suchen, in dem stets das populäre Mützenfest des MGV stieg. Auch die Jazz-Session Seelscheid, die für Musiker und Zuhörer an sieben Abenden im Jahr das „Great American Songbook“ aufschlug, wird dann auf einer anderen Bühne spielen müssen.

Seelscheid wurde zu „Hengasch“, wenn die Fans von „Mord mit Aussicht“ im Gasthof Röttgen ihrer Lieblingsserie huldigten.

Seelscheid wurde zu „Hengasch“, wenn die Fans von „Mord mit Aussicht“ im Gasthof Röttgen ihrer Lieblingsserie huldigten.

Die Fans der Fernseh-Serie „Mord mit Aussicht“ schließlich verlieren ihr Pilgerziel.

Zwar ist diese Serie mit dem Gasthof Röttgen als einem der Schauplätze schon seit 2014 abgedreht. Doch die Community strömt weiter zur Fan-Fiction in den „Gasthof Aubach“ und zeigt, dass Hengasch in Seelscheid weiter lebt. In dem erfundenen Eifel-Dörfchen gab es auch eine Frau Haas. Doch die stand nicht hinterm Tresen, sondern war – verkörpert von Caroline Peters – die verpeilte Ermittlerin aus der Großstadt.

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